Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


D. Priestley hat bey seinen neusten Untersuchungen über diesen Gegenstand (Philos. Trans. Vol. LXXXI. p. 213. übers. in Greus Journal der Physik, B. VI. S. 240.) gefunden, daß bey dem Verbrennen beyder Luftarten die Säure nur dann zum Vorschein kömmt, wenn ein Ueberschuß von dephlogistisirter Luft statt findet, daß hingegen das Resultat der Explosion simples Wasser ist, wenn ein Ueberschuß von entzündbarem Gas vorhanden ist. Man erklärt dieses zwar im antiphlogistischen System durch das Azote, das sich stets in der dephlogistisirten Luft mit befinde. Dieses, sagt man, erzeuge Salpetersäure mit dem Ueberschusse des Sauerstoffs; sey aber inflammable Luft genug vorhanden, um den Sauerstoff ganz in Wasser zu verwandeln, so bleibe das Azote als Stickgas unverändert zurück. Allein Priestley fand, wenn Säure entstand, ihre Menge immer größer, als sie die angewandte phlogistische Luft hätte liefern können. Er zieht hieraus den Schluß, daß man die Basis der Säure nicht in der phlogistisirten, sondern in der dephlogistisirten und brennbaren Luft suchen müsse, und wird dadurch in der Meinung bestärkt, daß das Wasser schon vorher in allen Luftarten enthalten sey.

Gegen den hieraus gezognen Einwurf, daß nemlich das Wasser bey der Verbrennung der Gasarten nur abgeschieden werde, führen die Antiphlogistiker an, das erhaltene Wasser betrage doch genau so viel am Gewicht, als die verbrannten Gasarten zusammen, also mache es den ganzen wägbaren Stoff beyder Gasarten aus. Nun könne es diesen, als Wasser, nicht ausmachen, weil sonst dephlogistisirte und brennbare Luft beyde ganz aus Wasser bestehen müßten, da doch zwey Körper, die ganz verschiedene Eigenschaften hätten, unmöglich einerley seyn könnten. Es bleibe daher nichts übrig, als dem Wasser zwey Bestandtheile zu geben, von denen der eine der dephlogistisirten, der andere der brennbaren Luft, als wägbarer Grundtheil, zugehöre. Man ist aber bey den Versuchen genöthiget, auf Fehler der Wage Rücksicht zu nehmen -- ein Beweis, daß diese Abwägungen viel zu fein und die Werkzeuge zu unvollkommen


D. Prieſtley hat bey ſeinen neuſten Unterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand (Philoſ. Trans. Vol. LXXXI. p. 213. uͤberſ. in Greus Journal der Phyſik, B. VI. S. 240.) gefunden, daß bey dem Verbrennen beyder Luftarten die Saͤure nur dann zum Vorſchein koͤmmt, wenn ein Ueberſchuß von dephlogiſtiſirter Luft ſtatt findet, daß hingegen das Reſultat der Exploſion ſimples Waſſer iſt, wenn ein Ueberſchuß von entzuͤndbarem Gas vorhanden iſt. Man erklaͤrt dieſes zwar im antiphlogiſtiſchen Syſtem durch das Azote, das ſich ſtets in der dephlogiſtiſirten Luft mit befinde. Dieſes, ſagt man, erzeuge Salpeterſaͤure mit dem Ueberſchuſſe des Sauerſtoffs; ſey aber inflammable Luft genug vorhanden, um den Sauerſtoff ganz in Waſſer zu verwandeln, ſo bleibe das Azote als Stickgas unveraͤndert zuruͤck. Allein Prieſtley fand, wenn Saͤure entſtand, ihre Menge immer groͤßer, als ſie die angewandte phlogiſtiſche Luft haͤtte liefern koͤnnen. Er zieht hieraus den Schluß, daß man die Baſis der Saͤure nicht in der phlogiſtiſirten, ſondern in der dephlogiſtiſirten und brennbaren Luft ſuchen muͤſſe, und wird dadurch in der Meinung beſtaͤrkt, daß das Waſſer ſchon vorher in allen Luftarten enthalten ſey.

Gegen den hieraus gezognen Einwurf, daß nemlich das Waſſer bey der Verbrennung der Gasarten nur abgeſchieden werde, fuͤhren die Antiphlogiſtiker an, das erhaltene Waſſer betrage doch genau ſo viel am Gewicht, als die verbrannten Gasarten zuſammen, alſo mache es den ganzen waͤgbaren Stoff beyder Gasarten aus. Nun koͤnne es dieſen, als Waſſer, nicht ausmachen, weil ſonſt dephlogiſtiſirte und brennbare Luft beyde ganz aus Waſſer beſtehen muͤßten, da doch zwey Koͤrper, die ganz verſchiedene Eigenſchaften haͤtten, unmoͤglich einerley ſeyn koͤnnten. Es bleibe daher nichts uͤbrig, als dem Waſſer zwey Beſtandtheile zu geben, von denen der eine der dephlogiſtiſirten, der andere der brennbaren Luft, als waͤgbarer Grundtheil, zugehoͤre. Man iſt aber bey den Verſuchen genoͤthiget, auf Fehler der Wage Ruͤckſicht zu nehmen — ein Beweis, daß dieſe Abwaͤgungen viel zu fein und die Werkzeuge zu unvollkommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p>
                <pb facs="#f0997" xml:id="P.5.985" n="985"/><lb/>
              </p>
              <p>D. <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> hat bey &#x017F;einen neu&#x017F;ten Unter&#x017F;uchungen u&#x0364;ber die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;. Trans. Vol. LXXXI. p. 213.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;. in <hi rendition="#b">Greus</hi> Journal der Phy&#x017F;ik, B. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 240.) gefunden, daß bey dem Verbrennen beyder Luftarten die Sa&#x0364;ure nur dann zum Vor&#x017F;chein ko&#x0364;mmt, wenn ein Ueber&#x017F;chuß von dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irter Luft &#x017F;tatt findet, daß hingegen das Re&#x017F;ultat der Explo&#x017F;ion &#x017F;imples Wa&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, wenn ein Ueber&#x017F;chuß von entzu&#x0364;ndbarem Gas vorhanden i&#x017F;t. Man erkla&#x0364;rt die&#x017F;es zwar im antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;chen Sy&#x017F;tem durch das <hi rendition="#b">Azote,</hi> das &#x017F;ich &#x017F;tets in der dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irten Luft mit befinde. Die&#x017F;es, &#x017F;agt man, erzeuge Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure mit dem Ueber&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;e des Sauer&#x017F;toffs; &#x017F;ey aber inflammable Luft genug vorhanden, um den Sauer&#x017F;toff ganz in Wa&#x017F;&#x017F;er zu verwandeln, &#x017F;o bleibe das Azote als Stickgas unvera&#x0364;ndert zuru&#x0364;ck. Allein <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> fand, wenn Sa&#x0364;ure ent&#x017F;tand, ihre Menge immer gro&#x0364;ßer, als &#x017F;ie die angewandte phlogi&#x017F;ti&#x017F;che Luft ha&#x0364;tte liefern ko&#x0364;nnen. Er zieht hieraus den Schluß, daß man die Ba&#x017F;is der Sa&#x0364;ure nicht in der phlogi&#x017F;ti&#x017F;irten, &#x017F;ondern in der dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irten und brennbaren Luft &#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und wird dadurch in der Meinung be&#x017F;ta&#x0364;rkt, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chon vorher in allen Luftarten enthalten &#x017F;ey.</p>
              <p>Gegen den hieraus gezognen Einwurf, daß nemlich das Wa&#x017F;&#x017F;er bey der Verbrennung der Gasarten nur <hi rendition="#b">abge&#x017F;chieden</hi> werde, fu&#x0364;hren die Antiphlogi&#x017F;tiker an, das erhaltene Wa&#x017F;&#x017F;er betrage doch genau &#x017F;o viel am Gewicht, als die verbrannten Gasarten zu&#x017F;ammen, al&#x017F;o mache es den ganzen wa&#x0364;gbaren Stoff beyder Gasarten aus. Nun ko&#x0364;nne es die&#x017F;en, <hi rendition="#b">als Wa&#x017F;&#x017F;er,</hi> nicht ausmachen, weil &#x017F;on&#x017F;t dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irte und brennbare Luft beyde <hi rendition="#b">ganz</hi> aus Wa&#x017F;&#x017F;er be&#x017F;tehen mu&#x0364;ßten, da doch zwey Ko&#x0364;rper, die ganz ver&#x017F;chiedene Eigen&#x017F;chaften ha&#x0364;tten, unmo&#x0364;glich einerley &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten. Es bleibe daher nichts u&#x0364;brig, als dem Wa&#x017F;&#x017F;er zwey Be&#x017F;tandtheile zu geben, von denen der eine der dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irten, der andere der brennbaren Luft, als wa&#x0364;gbarer Grundtheil, zugeho&#x0364;re. Man i&#x017F;t aber bey den Ver&#x017F;uchen geno&#x0364;thiget, auf Fehler der Wage Ru&#x0364;ck&#x017F;icht zu nehmen &#x2014; ein Beweis, daß die&#x017F;e Abwa&#x0364;gungen viel zu fein und die Werkzeuge zu unvollkommen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[985/0997] D. Prieſtley hat bey ſeinen neuſten Unterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand (Philoſ. Trans. Vol. LXXXI. p. 213. uͤberſ. in Greus Journal der Phyſik, B. VI. S. 240.) gefunden, daß bey dem Verbrennen beyder Luftarten die Saͤure nur dann zum Vorſchein koͤmmt, wenn ein Ueberſchuß von dephlogiſtiſirter Luft ſtatt findet, daß hingegen das Reſultat der Exploſion ſimples Waſſer iſt, wenn ein Ueberſchuß von entzuͤndbarem Gas vorhanden iſt. Man erklaͤrt dieſes zwar im antiphlogiſtiſchen Syſtem durch das Azote, das ſich ſtets in der dephlogiſtiſirten Luft mit befinde. Dieſes, ſagt man, erzeuge Salpeterſaͤure mit dem Ueberſchuſſe des Sauerſtoffs; ſey aber inflammable Luft genug vorhanden, um den Sauerſtoff ganz in Waſſer zu verwandeln, ſo bleibe das Azote als Stickgas unveraͤndert zuruͤck. Allein Prieſtley fand, wenn Saͤure entſtand, ihre Menge immer groͤßer, als ſie die angewandte phlogiſtiſche Luft haͤtte liefern koͤnnen. Er zieht hieraus den Schluß, daß man die Baſis der Saͤure nicht in der phlogiſtiſirten, ſondern in der dephlogiſtiſirten und brennbaren Luft ſuchen muͤſſe, und wird dadurch in der Meinung beſtaͤrkt, daß das Waſſer ſchon vorher in allen Luftarten enthalten ſey. Gegen den hieraus gezognen Einwurf, daß nemlich das Waſſer bey der Verbrennung der Gasarten nur abgeſchieden werde, fuͤhren die Antiphlogiſtiker an, das erhaltene Waſſer betrage doch genau ſo viel am Gewicht, als die verbrannten Gasarten zuſammen, alſo mache es den ganzen waͤgbaren Stoff beyder Gasarten aus. Nun koͤnne es dieſen, als Waſſer, nicht ausmachen, weil ſonſt dephlogiſtiſirte und brennbare Luft beyde ganz aus Waſſer beſtehen muͤßten, da doch zwey Koͤrper, die ganz verſchiedene Eigenſchaften haͤtten, unmoͤglich einerley ſeyn koͤnnten. Es bleibe daher nichts uͤbrig, als dem Waſſer zwey Beſtandtheile zu geben, von denen der eine der dephlogiſtiſirten, der andere der brennbaren Luft, als waͤgbarer Grundtheil, zugehoͤre. Man iſt aber bey den Verſuchen genoͤthiget, auf Fehler der Wage Ruͤckſicht zu nehmen — ein Beweis, daß dieſe Abwaͤgungen viel zu fein und die Werkzeuge zu unvollkommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/997
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 985. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/997>, abgerufen am 18.05.2024.