Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Nach Herrn von Saussure Versuchen, selbst nach dem Auflösungssystem erklärt, kan ein pariser Cubikfuß durch wasseranziehende Salze getrocknete Luft, bey einer mittlern Temperatur und der Barometerhöhe von 27 Zollen ohngefähr 10 Gran Wasser aufgelöst enthalten, alsdann aber hat die Luft schon die äußerste Feuchtigkeit erlangt. Da ein pariser Cubikfuß Luft gegen 700 Gran wiegt (s. Wörterb. Th. III. S. 26.), so macht dieses Wasser nicht mehr, als etwa (1/70) von dem Gewichte der Luft aus. Nach andern ist diese Quantität nicht einmal so groß, und bey kältern Temperaturen müßte sie nothwendig um ein merkliches geringer seyn. Es ist nicht möglich, aus dieser geringen Menge Wasser die Masse langer und anhaltender Landregen, viel weniger die ungeheure Wassermenge der Gewitterregen zu erklären, die man oft bey der trockensten Luft und ohne Veränderung der Winde entstehen sieht. Hier verlassen uns alle Theorien welche sich auf das Auflösungssystem beziehen, und den Regen als Niederschlag durch Erkältung betrachten wollen. Wäre die Abnahme der Wärme Ursache der Bildung der Wolken und des Regens, so müßten bey übrigens gleichen Winden und heitern Tagen allemal nach Untergang der Sonne Wolken und Regen sich einstellen. Gewöhnlich aber findet das Gegentheil statt: denn wenn ein heiterer Tag gegen Mittag durch Wolken verdunkelt worden ist, so verschwinden diese gemeiniglich mit Sonnenuntergang wieder. Dieser Fall tritt im Sommer mehrentheils bey Nord- und Ostwinden und bey großen Barometerhöhen ein. Die Verminderung der Wärme durch Abwesenheit der Sonne kan höchstens den Thau und die niedrigen Nebel an der Erdfläche hervorbringen, weil hier noch hinreichender Wasserdunst ist, um dieses zu bewirken; nie aber läßt sich daraus die Präcipitation des Wassers in den höhern, kalten und trocknen Regionen des Luftkreises erklären.
Nach Herrn von Sauſſure Verſuchen, ſelbſt nach dem Aufloͤſungsſyſtem erklaͤrt, kan ein pariſer Cubikfuß durch waſſeranziehende Salze getrocknete Luft, bey einer mittlern Temperatur und der Barometerhoͤhe von 27 Zollen ohngefaͤhr 10 Gran Waſſer aufgeloͤſt enthalten, alsdann aber hat die Luft ſchon die aͤußerſte Feuchtigkeit erlangt. Da ein pariſer Cubikfuß Luft gegen 700 Gran wiegt (ſ. Woͤrterb. Th. III. S. 26.), ſo macht dieſes Waſſer nicht mehr, als etwa (1/70) von dem Gewichte der Luft aus. Nach andern iſt dieſe Quantitaͤt nicht einmal ſo groß, und bey kaͤltern Temperaturen muͤßte ſie nothwendig um ein merkliches geringer ſeyn. Es iſt nicht moͤglich, aus dieſer geringen Menge Waſſer die Maſſe langer und anhaltender Landregen, viel weniger die ungeheure Waſſermenge der Gewitterregen zu erklaͤren, die man oft bey der trockenſten Luft und ohne Veraͤnderung der Winde entſtehen ſieht. Hier verlaſſen uns alle Theorien welche ſich auf das Aufloͤſungsſyſtem beziehen, und den Regen als Niederſchlag durch Erkaͤltung betrachten wollen. Waͤre die Abnahme der Waͤrme Urſache der Bildung der Wolken und des Regens, ſo muͤßten bey uͤbrigens gleichen Winden und heitern Tagen allemal nach Untergang der Sonne Wolken und Regen ſich einſtellen. Gewoͤhnlich aber findet das Gegentheil ſtatt: denn wenn ein heiterer Tag gegen Mittag durch Wolken verdunkelt worden iſt, ſo verſchwinden dieſe gemeiniglich mit Sonnenuntergang wieder. Dieſer Fall tritt im Sommer mehrentheils bey Nord- und Oſtwinden und bey großen Barometerhoͤhen ein. Die Verminderung der Waͤrme durch Abweſenheit der Sonne kan hoͤchſtens den Thau und die niedrigen Nebel an der Erdflaͤche hervorbringen, weil hier noch hinreichender Waſſerdunſt iſt, um dieſes zu bewirken; nie aber laͤßt ſich daraus die Praͤcipitation des Waſſers in den hoͤhern, kalten und trocknen Regionen des Luftkreiſes erklaͤren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0759" xml:id="P.5.747" n="747"/><lb/> des Art. <hi rendition="#b">Gas, atmoſphaͤriſches;</hi> auch kan man daraus von dem Steigen und Fallen des Barometers Rechenſchaft geben, wie in dem Zuſatze des Art. <hi rendition="#b">Barometerveraͤnderungen</hi> gezeigt worden iſt.</p> <p>Nach Herrn <hi rendition="#b">von Sauſſure</hi> Verſuchen, ſelbſt nach dem Aufloͤſungsſyſtem erklaͤrt, kan ein pariſer Cubikfuß durch waſſeranziehende Salze getrocknete Luft, bey einer mittlern Temperatur und der Barometerhoͤhe von 27 Zollen ohngefaͤhr 10 Gran Waſſer aufgeloͤſt enthalten, alsdann aber hat die Luft ſchon die aͤußerſte Feuchtigkeit erlangt. Da ein pariſer Cubikfuß Luft gegen 700 Gran wiegt (ſ. Woͤrterb. Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 26.), ſo macht dieſes Waſſer nicht mehr, als etwa (1/70) von dem Gewichte der Luft aus. Nach andern iſt dieſe Quantitaͤt nicht einmal ſo groß, und bey kaͤltern Temperaturen muͤßte ſie nothwendig um ein merkliches geringer ſeyn. Es iſt nicht moͤglich, aus dieſer geringen Menge Waſſer die Maſſe langer und anhaltender Landregen, viel weniger die ungeheure Waſſermenge der Gewitterregen zu erklaͤren, die man oft bey der trockenſten Luft und ohne Veraͤnderung der Winde entſtehen ſieht. Hier verlaſſen uns alle Theorien welche ſich auf das Aufloͤſungsſyſtem beziehen, und den Regen als Niederſchlag durch <hi rendition="#b">Erkaͤltung</hi> betrachten wollen.</p> <p>Waͤre die Abnahme der Waͤrme Urſache der Bildung der Wolken und des Regens, ſo muͤßten bey uͤbrigens gleichen Winden und heitern Tagen allemal nach Untergang der Sonne Wolken und Regen ſich einſtellen. Gewoͤhnlich aber findet das Gegentheil ſtatt: denn wenn ein heiterer Tag gegen Mittag durch Wolken verdunkelt worden iſt, ſo verſchwinden dieſe gemeiniglich mit Sonnenuntergang wieder. Dieſer Fall tritt im Sommer mehrentheils bey Nord- und Oſtwinden und bey großen Barometerhoͤhen ein. Die Verminderung der Waͤrme durch Abweſenheit der Sonne kan hoͤchſtens den Thau und die niedrigen Nebel an der Erdflaͤche hervorbringen, weil hier noch hinreichender Waſſerdunſt iſt, um dieſes zu bewirken; nie aber laͤßt ſich daraus die Praͤcipitation des Waſſers in den hoͤhern, kalten und trocknen Regionen des Luftkreiſes erklaͤren.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [747/0759]
des Art. Gas, atmoſphaͤriſches; auch kan man daraus von dem Steigen und Fallen des Barometers Rechenſchaft geben, wie in dem Zuſatze des Art. Barometerveraͤnderungen gezeigt worden iſt.
Nach Herrn von Sauſſure Verſuchen, ſelbſt nach dem Aufloͤſungsſyſtem erklaͤrt, kan ein pariſer Cubikfuß durch waſſeranziehende Salze getrocknete Luft, bey einer mittlern Temperatur und der Barometerhoͤhe von 27 Zollen ohngefaͤhr 10 Gran Waſſer aufgeloͤſt enthalten, alsdann aber hat die Luft ſchon die aͤußerſte Feuchtigkeit erlangt. Da ein pariſer Cubikfuß Luft gegen 700 Gran wiegt (ſ. Woͤrterb. Th. III. S. 26.), ſo macht dieſes Waſſer nicht mehr, als etwa (1/70) von dem Gewichte der Luft aus. Nach andern iſt dieſe Quantitaͤt nicht einmal ſo groß, und bey kaͤltern Temperaturen muͤßte ſie nothwendig um ein merkliches geringer ſeyn. Es iſt nicht moͤglich, aus dieſer geringen Menge Waſſer die Maſſe langer und anhaltender Landregen, viel weniger die ungeheure Waſſermenge der Gewitterregen zu erklaͤren, die man oft bey der trockenſten Luft und ohne Veraͤnderung der Winde entſtehen ſieht. Hier verlaſſen uns alle Theorien welche ſich auf das Aufloͤſungsſyſtem beziehen, und den Regen als Niederſchlag durch Erkaͤltung betrachten wollen.
Waͤre die Abnahme der Waͤrme Urſache der Bildung der Wolken und des Regens, ſo muͤßten bey uͤbrigens gleichen Winden und heitern Tagen allemal nach Untergang der Sonne Wolken und Regen ſich einſtellen. Gewoͤhnlich aber findet das Gegentheil ſtatt: denn wenn ein heiterer Tag gegen Mittag durch Wolken verdunkelt worden iſt, ſo verſchwinden dieſe gemeiniglich mit Sonnenuntergang wieder. Dieſer Fall tritt im Sommer mehrentheils bey Nord- und Oſtwinden und bey großen Barometerhoͤhen ein. Die Verminderung der Waͤrme durch Abweſenheit der Sonne kan hoͤchſtens den Thau und die niedrigen Nebel an der Erdflaͤche hervorbringen, weil hier noch hinreichender Waſſerdunſt iſt, um dieſes zu bewirken; nie aber laͤßt ſich daraus die Praͤcipitation des Waſſers in den hoͤhern, kalten und trocknen Regionen des Luftkreiſes erklaͤren.
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