Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Die reizbare Fiber ist entweder im Zustande der Gesundheit, den Hr. G. ihren Ton nennt, oder im Zustande der Anhäufung, der durch Entfernung der gewöhnlichen Reize hervorgebracht wird, oder endlich im Zustande der Erschöpfung durch zu starke Anwendung des Reizes. Die gänzliche oder unersetzliche Erschöpfung der reizbaren Fiber ist der Brand. Die Reize, welche gewöhnlich auf die irritable Fiber wirken, sind Wärme, Licht, Nahrung, Luft, Umlauf des Bluts, Begattungstrieb und Nervenreiz. Der letztere ist den Thieren allein eigen, und die Ursache der willkührlichen Bewegungen, der Convulsionen und der Leidenschaften. Dieser Theorie zufolge sind die willkührlichen Bewegungen Folgen des auf die reizbare Fiber ausgeübten Nervenreizes, und sie fehlen bey den Pflanzen, weil diese Art des Reizes in Ermangelung der sensibeln Fiber bey ihnen nicht statt hat. Die unwillkührlichen Bewegungen entstchen zum Theil aus Nervenreiz, zum Theil aus den übrigen gewöhnlichen oder außerordentlichen Reizen. Herr Girtanner sucht den Grundstoff der Reizbarkeit in dem Oxygen, welches sich während der Respiration mit dem Blute in den Lungen verbinde, und durch die Circulation allen Theilen des Systems mitgetheilt werde. Man sieht, daß diese Hypothese vieler Anwendungen auf Physiologie und Arzneykunde überhaupt fähig ist. So läßt sich z. B. der Hunger für Anhäufung von Reizbarkeit, der Durst für Erschöpfung derselben erklären. Auf solche Anwendungen sucht Beddoes (Observations on the nature and cure of calculus, sea - scurvy, consumption etc. together with conjectures upon several other subjects of Physiology and Pathology. London, 1793. 8maj.) den größten Theil der Arzneykunst zurückzuführen, indem er z. B. Scorbut und Fettwerden als Entziehung, die Lungenschwindsucht als Anhäufung des Sauerstoffs betrachtet, u. s. w. Inzwischen wird durch alles dieses die Ursache der Bewegung der Muskeln nicht deutlicher, als vorher, erklärt.
Die reizbare Fiber iſt entweder im Zuſtande der Geſundheit, den Hr. G. ihren Ton nennt, oder im Zuſtande der Anhaͤufung, der durch Entfernung der gewoͤhnlichen Reize hervorgebracht wird, oder endlich im Zuſtande der Erſchoͤpfung durch zu ſtarke Anwendung des Reizes. Die gaͤnzliche oder unerſetzliche Erſchoͤpfung der reizbaren Fiber iſt der Brand. Die Reize, welche gewoͤhnlich auf die irritable Fiber wirken, ſind Waͤrme, Licht, Nahrung, Luft, Umlauf des Bluts, Begattungstrieb und Nervenreiz. Der letztere iſt den Thieren allein eigen, und die Urſache der willkuͤhrlichen Bewegungen, der Convulſionen und der Leidenſchaften. Dieſer Theorie zufolge ſind die willkuͤhrlichen Bewegungen Folgen des auf die reizbare Fiber ausgeuͤbten Nervenreizes, und ſie fehlen bey den Pflanzen, weil dieſe Art des Reizes in Ermangelung der ſenſibeln Fiber bey ihnen nicht ſtatt hat. Die unwillkuͤhrlichen Bewegungen entſtchen zum Theil aus Nervenreiz, zum Theil aus den uͤbrigen gewoͤhnlichen oder außerordentlichen Reizen. Herr Girtanner ſucht den Grundſtoff der Reizbarkeit in dem Oxygen, welches ſich waͤhrend der Reſpiration mit dem Blute in den Lungen verbinde, und durch die Circulation allen Theilen des Syſtems mitgetheilt werde. Man ſieht, daß dieſe Hypotheſe vieler Anwendungen auf Phyſiologie und Arzneykunde uͤberhaupt faͤhig iſt. So laͤßt ſich z. B. der Hunger fuͤr Anhaͤufung von Reizbarkeit, der Durſt fuͤr Erſchoͤpfung derſelben erklaͤren. Auf ſolche Anwendungen ſucht Beddoes (Obſervations on the nature and cure of calculus, ſea - ſcurvy, conſumption etc. together with conjectures upon ſeveral other ſubjects of Phyſiology and Pathology. London, 1793. 8maj.) den groͤßten Theil der Arzneykunſt zuruͤckzufuͤhren, indem er z. B. Scorbut und Fettwerden als Entziehung, die Lungenſchwindſucht als Anhaͤufung des Sauerſtoffs betrachtet, u. ſ. w. Inzwiſchen wird durch alles dieſes die Urſache der Bewegung der Muskeln nicht deutlicher, als vorher, erklaͤrt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0668" xml:id="P.5.656" n="656"/><lb/> hieraus entſtehen bey den Zuſammenziehungen die verſchiedenen Modificationen der Bewegung.</p> <p>Die reizbare Fiber iſt entweder im Zuſtande der Geſundheit, den Hr. G. ihren <hi rendition="#b">Ton</hi> nennt, oder im Zuſtande der Anhaͤufung, der durch Entfernung der gewoͤhnlichen Reize hervorgebracht wird, oder endlich im Zuſtande der Erſchoͤpfung durch zu ſtarke Anwendung des Reizes. Die gaͤnzliche oder unerſetzliche Erſchoͤpfung der reizbaren Fiber iſt der <hi rendition="#b">Brand.</hi></p> <p>Die Reize, welche gewoͤhnlich auf die irritable Fiber wirken, ſind Waͤrme, Licht, Nahrung, Luft, Umlauf des Bluts, Begattungstrieb und Nervenreiz. Der letztere iſt den Thieren allein eigen, und die Urſache der willkuͤhrlichen Bewegungen, der Convulſionen und der Leidenſchaften.</p> <p>Dieſer Theorie zufolge ſind die willkuͤhrlichen Bewegungen Folgen des auf die reizbare Fiber ausgeuͤbten Nervenreizes, und ſie fehlen bey den Pflanzen, weil dieſe Art des Reizes in Ermangelung der ſenſibeln Fiber bey ihnen nicht ſtatt hat. Die unwillkuͤhrlichen Bewegungen entſtchen zum Theil aus Nervenreiz, zum Theil aus den uͤbrigen gewoͤhnlichen oder außerordentlichen Reizen.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">Girtanner</hi> ſucht den Grundſtoff der Reizbarkeit in dem <hi rendition="#b">Oxygen,</hi> welches ſich waͤhrend der Reſpiration mit dem Blute in den Lungen verbinde, und durch die Circulation allen Theilen des Syſtems mitgetheilt werde. Man ſieht, daß dieſe Hypotheſe vieler Anwendungen auf Phyſiologie und Arzneykunde uͤberhaupt faͤhig iſt. So laͤßt ſich z. B. der Hunger fuͤr Anhaͤufung von Reizbarkeit, der Durſt fuͤr Erſchoͤpfung derſelben erklaͤren. Auf ſolche Anwendungen ſucht <hi rendition="#b">Beddoes</hi> <hi rendition="#aq">(Obſervations on the nature and cure of calculus, ſea - ſcurvy, conſumption etc. together with conjectures upon ſeveral other ſubjects of Phyſiology and Pathology. London, 1793. 8maj.)</hi> den groͤßten Theil der Arzneykunſt zuruͤckzufuͤhren, indem er z. B. Scorbut und Fettwerden als Entziehung, die Lungenſchwindſucht als Anhaͤufung des Sauerſtoffs betrachtet, u. ſ. w.</p> <p>Inzwiſchen wird durch alles dieſes die Urſache der Bewegung der Muskeln nicht deutlicher, als vorher, erklaͤrt.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [656/0668]
hieraus entſtehen bey den Zuſammenziehungen die verſchiedenen Modificationen der Bewegung.
Die reizbare Fiber iſt entweder im Zuſtande der Geſundheit, den Hr. G. ihren Ton nennt, oder im Zuſtande der Anhaͤufung, der durch Entfernung der gewoͤhnlichen Reize hervorgebracht wird, oder endlich im Zuſtande der Erſchoͤpfung durch zu ſtarke Anwendung des Reizes. Die gaͤnzliche oder unerſetzliche Erſchoͤpfung der reizbaren Fiber iſt der Brand.
Die Reize, welche gewoͤhnlich auf die irritable Fiber wirken, ſind Waͤrme, Licht, Nahrung, Luft, Umlauf des Bluts, Begattungstrieb und Nervenreiz. Der letztere iſt den Thieren allein eigen, und die Urſache der willkuͤhrlichen Bewegungen, der Convulſionen und der Leidenſchaften.
Dieſer Theorie zufolge ſind die willkuͤhrlichen Bewegungen Folgen des auf die reizbare Fiber ausgeuͤbten Nervenreizes, und ſie fehlen bey den Pflanzen, weil dieſe Art des Reizes in Ermangelung der ſenſibeln Fiber bey ihnen nicht ſtatt hat. Die unwillkuͤhrlichen Bewegungen entſtchen zum Theil aus Nervenreiz, zum Theil aus den uͤbrigen gewoͤhnlichen oder außerordentlichen Reizen.
Herr Girtanner ſucht den Grundſtoff der Reizbarkeit in dem Oxygen, welches ſich waͤhrend der Reſpiration mit dem Blute in den Lungen verbinde, und durch die Circulation allen Theilen des Syſtems mitgetheilt werde. Man ſieht, daß dieſe Hypotheſe vieler Anwendungen auf Phyſiologie und Arzneykunde uͤberhaupt faͤhig iſt. So laͤßt ſich z. B. der Hunger fuͤr Anhaͤufung von Reizbarkeit, der Durſt fuͤr Erſchoͤpfung derſelben erklaͤren. Auf ſolche Anwendungen ſucht Beddoes (Obſervations on the nature and cure of calculus, ſea - ſcurvy, conſumption etc. together with conjectures upon ſeveral other ſubjects of Phyſiology and Pathology. London, 1793. 8maj.) den groͤßten Theil der Arzneykunſt zuruͤckzufuͤhren, indem er z. B. Scorbut und Fettwerden als Entziehung, die Lungenſchwindſucht als Anhaͤufung des Sauerſtoffs betrachtet, u. ſ. w.
Inzwiſchen wird durch alles dieſes die Urſache der Bewegung der Muskeln nicht deutlicher, als vorher, erklaͤrt.
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