ihre Wirkung in jedem Zeittheile erneuern, hat es dieselbe Bewandniß. Sie sind zwar fortdauernde Ursachen; aber sie thun doch auch in jedem Zeittheile nur die ihnen gemäße Wirkung, und nichts weiter. Die schwere Kugel auf einer wagrechten Tafel drückt in jedem Zeittheile mit ihrem Gewichte, das der Widerstand der Tafel gerade aufhebt. Weiter kan die Schwerkraft der Kugel nichts wirken, und für alles andere, wenn nur dadurch das Gleichgewicht mit der Tafel nicht gestört wird, verhält sich die Kugel, als wäre sie nicht schwer.
Herr Gren hingegen denkt sich die Kraft als etwas, das durch Verwendung auf eine blos träge (von keinem andern ihr inhärirenden Kräften sollicitirte) Masse gar nicht vermindert wird. Er sagt (§. 110.), eine blos träge Masse erfordere zwar eine Ursache zur Aenderung des Zustandes, aber sie vermindere die dazu gebrauchte Kraft nicht. Daher schätzt er (§. 85.) die Größe der Kraft, die einen trägen Körper von außen her afficirt, blos aus der Beschleunigung, die sie ertheilt, ohne alle Rücksicht auf die Größe der Masse, und eben dieselbe Kraft soll immer eben dieselbe Geschwindigkeit erzeugen, sie mag die Masse des Erdballs, oder nur die eines Sandkorns, bewegen.
Hier wird offenbar der Kraft zu viel beygelegt. Man hat bisher angenommen, tausend Atome bewegen sey tausendmal mehr, als einen Atom gleich schnell bewegen, und hierauf ist unsere ganze Mechanik gegründet. Herr Gren aber läßt die Kraft, die einen Atom bewegt, durch diese Wirkung unvermindert im Stande bleiben, eben so schnell auch den zweyten, dritten u. s. f. ins Unendliche, zu bewegen -- er sieht sie als eine Ursache an, deren Verwendung auf Wirken nie erschöpft wird, und nicht hindert, sich daneben noch ein zweytes, drittes gleich großes Wirken u. s. f. ins Unendliche vervielfältiget, zu gedenken.
Dieser Begrif von Kraft ist höchst unnatürlich. Alle Kräfte, die wir kennen, wirken nur einmal, und verhalten sich dann gegen alles übrige so, als ob sie nicht mehr da wären.
ihre Wirkung in jedem Zeittheile erneuern, hat es dieſelbe Bewandniß. Sie ſind zwar fortdauernde Urſachen; aber ſie thun doch auch in jedem Zeittheile nur die ihnen gemaͤße Wirkung, und nichts weiter. Die ſchwere Kugel auf einer wagrechten Tafel druͤckt in jedem Zeittheile mit ihrem Gewichte, das der Widerſtand der Tafel gerade aufhebt. Weiter kan die Schwerkraft der Kugel nichts wirken, und fuͤr alles andere, wenn nur dadurch das Gleichgewicht mit der Tafel nicht geſtoͤrt wird, verhaͤlt ſich die Kugel, als waͤre ſie nicht ſchwer.
Herr Gren hingegen denkt ſich die Kraft als etwas, das durch Verwendung auf eine blos traͤge (von keinem andern ihr inhaͤrirenden Kraͤften ſollicitirte) Maſſe gar nicht vermindert wird. Er ſagt (§. 110.), eine blos traͤge Maſſe erfordere zwar eine Urſache zur Aenderung des Zuſtandes, aber ſie vermindere die dazu gebrauchte Kraft nicht. Daher ſchaͤtzt er (§. 85.) die Groͤße der Kraft, die einen traͤgen Koͤrper von außen her afficirt, blos aus der Beſchleunigung, die ſie ertheilt, ohne alle Ruͤckſicht auf die Groͤße der Maſſe, und eben dieſelbe Kraft ſoll immer eben dieſelbe Geſchwindigkeit erzeugen, ſie mag die Maſſe des Erdballs, oder nur die eines Sandkorns, bewegen.
Hier wird offenbar der Kraft zu viel beygelegt. Man hat bisher angenommen, tauſend Atome bewegen ſey tauſendmal mehr, als einen Atom gleich ſchnell bewegen, und hierauf iſt unſere ganze Mechanik gegruͤndet. Herr Gren aber laͤßt die Kraft, die einen Atom bewegt, durch dieſe Wirkung unvermindert im Stande bleiben, eben ſo ſchnell auch den zweyten, dritten u. ſ. f. ins Unendliche, zu bewegen — er ſieht ſie als eine Urſache an, deren Verwendung auf Wirken nie erſchoͤpft wird, und nicht hindert, ſich daneben noch ein zweytes, drittes gleich großes Wirken u. ſ. f. ins Unendliche vervielfaͤltiget, zu gedenken.
Dieſer Begrif von Kraft iſt hoͤchſt unnatuͤrlich. Alle Kraͤfte, die wir kennen, wirken nur einmal, und verhalten ſich dann gegen alles uͤbrige ſo, als ob ſie nicht mehr da waͤren.
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ihre Wirkung in jedem Zeittheile erneuern, hat es dieſelbe Bewandniß. Sie ſind zwar fortdauernde Urſachen; aber ſie thun doch auch in jedem Zeittheile nur die ihnen gemaͤße Wirkung, und nichts weiter. Die ſchwere Kugel auf einer wagrechten Tafel druͤckt in jedem Zeittheile mit ihrem Gewichte, das der Widerſtand der Tafel gerade aufhebt. Weiter kan die Schwerkraft der Kugel nichts wirken, und fuͤr alles andere, wenn nur dadurch das Gleichgewicht mit der Tafel nicht geſtoͤrt wird, verhaͤlt ſich die Kugel, als waͤre ſie nicht ſchwer.
Herr Gren hingegen denkt ſich die Kraft als etwas, das durch Verwendung auf eine blos traͤge (von keinem andern ihr inhaͤrirenden Kraͤften ſollicitirte) Maſſe gar nicht vermindert wird. Er ſagt (§. 110.), eine blos traͤge Maſſe erfordere zwar eine Urſache zur Aenderung des Zuſtandes, aber ſie vermindere die dazu gebrauchte Kraft nicht. Daher ſchaͤtzt er (§. 85.) die Groͤße der Kraft, die einen traͤgen Koͤrper von außen her afficirt, blos aus der Beſchleunigung, die ſie ertheilt, ohne alle Ruͤckſicht auf die Groͤße der Maſſe, und eben dieſelbe Kraft ſoll immer eben dieſelbe Geſchwindigkeit erzeugen, ſie mag die Maſſe des Erdballs, oder nur die eines Sandkorns, bewegen.
Hier wird offenbar der Kraft zu viel beygelegt. Man hat bisher angenommen, tauſend Atome bewegen ſey tauſendmal mehr, als einen Atom gleich ſchnell bewegen, und hierauf iſt unſere ganze Mechanik gegruͤndet. Herr Gren aber laͤßt die Kraft, die einen Atom bewegt, durch dieſe Wirkung unvermindert im Stande bleiben, eben ſo ſchnell auch den zweyten, dritten u. ſ. f. ins Unendliche, zu bewegen — er ſieht ſie als eine Urſache an, deren Verwendung auf Wirken nie erſchoͤpft wird, und nicht hindert, ſich daneben noch ein zweytes, drittes gleich großes Wirken u. ſ. f. ins Unendliche vervielfaͤltiget, zu gedenken.
Dieſer Begrif von Kraft iſt hoͤchſt unnatuͤrlich. Alle Kraͤfte, die wir kennen, wirken nur einmal, und verhalten ſich dann gegen alles uͤbrige ſo, als ob ſie nicht mehr da waͤren.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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