Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Wenn dieses Gas eine Zeitlang in den Gefäßen steht, so setzt es den Phosphor, der sich darinn im Zustande einer feinen Zertheilung befindet, an die Wände der Gefäße ab, verliert seine Entzündlichkeit, und verwandelt sich in gewöhnliches brennbares Gas. Allein diese Wirkung hat nur erst mit der Zeit statt, und man muß sich hüten, das Gas in der Voraussetzung, daß es seine Selbstentzündlichkeit verlohren habe, zu frühzeitig mit Lebensluft zu vermischen. Herr Raymond (Journal der Phys. a. a. O. S. 161.) erzählt, daß es nach 24 Stunden, und als die ersten durch das Wasser gelassenen Blasen bey ihrem Zerplatzen auf der Oberfläche kein Zeichen der Selbstentzündung mehr von sich gaben, dennoch bey der Vermischung mit Lebensluft entbrannte, das Gefäß zerschlug, und ihn der Gefahr einer Verwundung aussetzte.

Herr Pelletier zu Paris hatte nach Herrn Girtanners Erzählung unter einer Glocke über Wasser gephosphortes Wasserstoffgas zu gleichen Theilen mit atmosphärischer Luft, mit Sauerstoffgas, ingleichen mit nitrösem Gas, vermischt, ohne eine Entzündung zu bewirken. Nur während der Mischung mit dem letztern zeigte sich eine weiße Wolke. Als er aber zu der Mischung mit dem Sauerstoffgas noch eben so viel nitröses Gas bringen wollte, so zersprang in diesem Augenblicke die Glocke mit einem heftigen Knalle; einige Glasstücken wurden auf eine Entfernung von mehr als 25 Fuß weggeschleudert, und Hr. P. kam in Gefahr, durch die hineingesprungenen Splitter beyde Augen zu verlieren. Diese Erscheinung wird im antiphlogistischen System sehr leicht erklärt. Der Sauerstoff vereinigte sich mit dem Stickstoffe und Wasserstoffe, es entstand Salpetersäure und Wasser, und aus den beyden Gasarten entwickelte sich plötzlich eine große Menge Wärmestoff, welcher durch seine Elasticität die Glocke zersprengte.

Das gephosphorte Wasserstoffgas hat den Geruch der faulen Fische, und entwickelt sich durch die Fäulniß aus thierischen Körpern und Pflanzen. Die Antiphlogistiker erklären daraus die Irrlichter, Irrwische, Sternschnuppen und andere leuchtende Meteore. Aber sein Aufsteigen in die höhern


Wenn dieſes Gas eine Zeitlang in den Gefaͤßen ſteht, ſo ſetzt es den Phosphor, der ſich darinn im Zuſtande einer feinen Zertheilung befindet, an die Waͤnde der Gefaͤße ab, verliert ſeine Entzuͤndlichkeit, und verwandelt ſich in gewoͤhnliches brennbares Gas. Allein dieſe Wirkung hat nur erſt mit der Zeit ſtatt, und man muß ſich huͤten, das Gas in der Vorausſetzung, daß es ſeine Selbſtentzuͤndlichkeit verlohren habe, zu fruͤhzeitig mit Lebensluft zu vermiſchen. Herr Raymond (Journal der Phyſ. a. a. O. S. 161.) erzaͤhlt, daß es nach 24 Stunden, und als die erſten durch das Waſſer gelaſſenen Blaſen bey ihrem Zerplatzen auf der Oberflaͤche kein Zeichen der Selbſtentzuͤndung mehr von ſich gaben, dennoch bey der Vermiſchung mit Lebensluft entbrannte, das Gefaͤß zerſchlug, und ihn der Gefahr einer Verwundung ausſetzte.

Herr Pelletier zu Paris hatte nach Herrn Girtanners Erzaͤhlung unter einer Glocke uͤber Waſſer gephosphortes Waſſerſtoffgas zu gleichen Theilen mit atmoſphaͤriſcher Luft, mit Sauerſtoffgas, ingleichen mit nitroͤſem Gas, vermiſcht, ohne eine Entzuͤndung zu bewirken. Nur waͤhrend der Miſchung mit dem letztern zeigte ſich eine weiße Wolke. Als er aber zu der Miſchung mit dem Sauerſtoffgas noch eben ſo viel nitroͤſes Gas bringen wollte, ſo zerſprang in dieſem Augenblicke die Glocke mit einem heftigen Knalle; einige Glasſtuͤcken wurden auf eine Entfernung von mehr als 25 Fuß weggeſchleudert, und Hr. P. kam in Gefahr, durch die hineingeſprungenen Splitter beyde Augen zu verlieren. Dieſe Erſcheinung wird im antiphlogiſtiſchen Syſtem ſehr leicht erklaͤrt. Der Sauerſtoff vereinigte ſich mit dem Stickſtoffe und Waſſerſtoffe, es entſtand Salpeterſaͤure und Waſſer, und aus den beyden Gasarten entwickelte ſich ploͤtzlich eine große Menge Waͤrmeſtoff, welcher durch ſeine Elaſticitaͤt die Glocke zerſprengte.

Das gephosphorte Waſſerſtoffgas hat den Geruch der faulen Fiſche, und entwickelt ſich durch die Faͤulniß aus thieriſchen Koͤrpern und Pflanzen. Die Antiphlogiſtiker erklaͤren daraus die Irrlichter, Irrwiſche, Sternſchnuppen und andere leuchtende Meteore. Aber ſein Aufſteigen in die hoͤhern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p>
                <pb facs="#f0471" xml:id="P.5.459" n="459"/><lb/>
              </p>
              <p>Wenn die&#x017F;es Gas eine Zeitlang in den Gefa&#x0364;ßen &#x017F;teht, &#x017F;o &#x017F;etzt es den Phosphor, der &#x017F;ich darinn im Zu&#x017F;tande einer feinen Zertheilung befindet, an die Wa&#x0364;nde der Gefa&#x0364;ße ab, verliert &#x017F;eine Entzu&#x0364;ndlichkeit, und verwandelt &#x017F;ich in gewo&#x0364;hnliches brennbares Gas. Allein die&#x017F;e Wirkung hat nur er&#x017F;t mit der Zeit &#x017F;tatt, und man muß &#x017F;ich hu&#x0364;ten, das Gas in der Voraus&#x017F;etzung, daß es &#x017F;eine Selb&#x017F;tentzu&#x0364;ndlichkeit verlohren habe, zu fru&#x0364;hzeitig mit Lebensluft zu vermi&#x017F;chen. Herr <hi rendition="#b">Raymond</hi> (Journal der Phy&#x017F;. a. a. O. S. 161.) erza&#x0364;hlt, daß es nach 24 Stunden, und als die er&#x017F;ten durch das Wa&#x017F;&#x017F;er gela&#x017F;&#x017F;enen Bla&#x017F;en bey ihrem Zerplatzen auf der Oberfla&#x0364;che kein Zeichen der Selb&#x017F;tentzu&#x0364;ndung mehr von &#x017F;ich gaben, dennoch bey der Vermi&#x017F;chung mit Lebensluft entbrannte, das Gefa&#x0364;ß zer&#x017F;chlug, und ihn der Gefahr einer Verwundung aus&#x017F;etzte.</p>
              <p>Herr <hi rendition="#b">Pelletier</hi> zu Paris hatte nach Herrn <hi rendition="#b">Girtanners</hi> Erza&#x0364;hlung unter einer Glocke u&#x0364;ber Wa&#x017F;&#x017F;er gephosphortes Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas zu gleichen Theilen mit atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;cher Luft, mit Sauer&#x017F;toffgas, ingleichen mit nitro&#x0364;&#x017F;em Gas, vermi&#x017F;cht, ohne eine Entzu&#x0364;ndung zu bewirken. Nur wa&#x0364;hrend der Mi&#x017F;chung mit dem letztern zeigte &#x017F;ich eine weiße Wolke. Als er aber zu der Mi&#x017F;chung mit dem Sauer&#x017F;toffgas noch eben &#x017F;o viel nitro&#x0364;&#x017F;es Gas bringen wollte, &#x017F;o zer&#x017F;prang in die&#x017F;em Augenblicke die Glocke mit einem heftigen Knalle; einige Glas&#x017F;tu&#x0364;cken wurden auf eine Entfernung von mehr als 25 Fuß wegge&#x017F;chleudert, und Hr. P. kam in Gefahr, durch die hineinge&#x017F;prungenen Splitter beyde Augen zu verlieren. Die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung wird im antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;chen Sy&#x017F;tem &#x017F;ehr leicht erkla&#x0364;rt. Der Sauer&#x017F;toff vereinigte &#x017F;ich mit dem Stick&#x017F;toffe und Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffe, es ent&#x017F;tand Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure und Wa&#x017F;&#x017F;er, und aus den beyden Gasarten entwickelte &#x017F;ich <hi rendition="#b">plo&#x0364;tzlich</hi> eine große Menge Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, welcher durch &#x017F;eine Ela&#x017F;ticita&#x0364;t die Glocke zer&#x017F;prengte.</p>
              <p>Das gephosphorte Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas hat den Geruch der faulen Fi&#x017F;che, und entwickelt &#x017F;ich durch die Fa&#x0364;ulniß aus thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpern und Pflanzen. Die Antiphlogi&#x017F;tiker erkla&#x0364;ren daraus die Irrlichter, Irrwi&#x017F;che, Stern&#x017F;chnuppen und andere leuchtende Meteore. Aber &#x017F;ein Auf&#x017F;teigen in die ho&#x0364;hern<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0471] Wenn dieſes Gas eine Zeitlang in den Gefaͤßen ſteht, ſo ſetzt es den Phosphor, der ſich darinn im Zuſtande einer feinen Zertheilung befindet, an die Waͤnde der Gefaͤße ab, verliert ſeine Entzuͤndlichkeit, und verwandelt ſich in gewoͤhnliches brennbares Gas. Allein dieſe Wirkung hat nur erſt mit der Zeit ſtatt, und man muß ſich huͤten, das Gas in der Vorausſetzung, daß es ſeine Selbſtentzuͤndlichkeit verlohren habe, zu fruͤhzeitig mit Lebensluft zu vermiſchen. Herr Raymond (Journal der Phyſ. a. a. O. S. 161.) erzaͤhlt, daß es nach 24 Stunden, und als die erſten durch das Waſſer gelaſſenen Blaſen bey ihrem Zerplatzen auf der Oberflaͤche kein Zeichen der Selbſtentzuͤndung mehr von ſich gaben, dennoch bey der Vermiſchung mit Lebensluft entbrannte, das Gefaͤß zerſchlug, und ihn der Gefahr einer Verwundung ausſetzte. Herr Pelletier zu Paris hatte nach Herrn Girtanners Erzaͤhlung unter einer Glocke uͤber Waſſer gephosphortes Waſſerſtoffgas zu gleichen Theilen mit atmoſphaͤriſcher Luft, mit Sauerſtoffgas, ingleichen mit nitroͤſem Gas, vermiſcht, ohne eine Entzuͤndung zu bewirken. Nur waͤhrend der Miſchung mit dem letztern zeigte ſich eine weiße Wolke. Als er aber zu der Miſchung mit dem Sauerſtoffgas noch eben ſo viel nitroͤſes Gas bringen wollte, ſo zerſprang in dieſem Augenblicke die Glocke mit einem heftigen Knalle; einige Glasſtuͤcken wurden auf eine Entfernung von mehr als 25 Fuß weggeſchleudert, und Hr. P. kam in Gefahr, durch die hineingeſprungenen Splitter beyde Augen zu verlieren. Dieſe Erſcheinung wird im antiphlogiſtiſchen Syſtem ſehr leicht erklaͤrt. Der Sauerſtoff vereinigte ſich mit dem Stickſtoffe und Waſſerſtoffe, es entſtand Salpeterſaͤure und Waſſer, und aus den beyden Gasarten entwickelte ſich ploͤtzlich eine große Menge Waͤrmeſtoff, welcher durch ſeine Elaſticitaͤt die Glocke zerſprengte. Das gephosphorte Waſſerſtoffgas hat den Geruch der faulen Fiſche, und entwickelt ſich durch die Faͤulniß aus thieriſchen Koͤrpern und Pflanzen. Die Antiphlogiſtiker erklaͤren daraus die Irrlichter, Irrwiſche, Sternſchnuppen und andere leuchtende Meteore. Aber ſein Aufſteigen in die hoͤhern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/471
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/471>, abgerufen am 25.11.2024.