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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Unter die merkwürdigsten Versuche der Neuern gehören unstreitig diejenigen, durch welche man das kohlengesäuerte Gas selbst zu zerlegen, und den Kohlenstoff, als einen seiner Bestandtheile, daraus zu entwickeln gesucht hat. Eine wohlfeile Methode, dieses zu bewerkstelligen, würde eine sehr wichtige Entdeckung für die Menschheit seyn. Man würde dadurch eine ungeheure Menge von Kohlenstoff, welche jetzt in den verschiedenen Erden und Steinen versteckt liegt, erhalten und als Brennmaterial benützen können. Wegen der ungemein starken Anziehung der Kohle gegen den Sauerstoff ist diese Zerlegung sehr schwer; auch würde sie durch eine einfache Verwandtschaft nie mit Vortheil zu bewirken seyn. Denn der zerlegende Körper müßte wenigstens eben so viel Verwandtschaft zu dem Sauerstoffe haben, d. h. eben so brennbar seyn, als die Kohle selbst: man würde also in diesem Falle nur ein Brennmaterial zerstören, um ein anderes hervorzubringen. Wahrscheinlich aber läßt sich diese Zerlegung durch zusammengesetzre Verwandtschaften bewirken; wenigstens bringt sie die Natur täglich bey der Vegetation der Pflanzen zu Stande.

Herrn Smithson Tennant (Philos. Transact. for the year 1791. Vol. LXXXI. p. 182 sqq. Ueber die Zersetzung der Luftsäure in Grens Journ. d. Phys. B. VI. S. 229 u. f.) scheint die künstliche Erzeugung einer Kohle aus der Kohlensäure durch folgenden Versuch gelungen zu seyn. Er brachte in eine beschlagene Glasröhre, die an dem einen Ende verschlossen war, erst etwas weniges Phosphor, und darauf etwas fein gepülverten Marmor (kohlensaure Kalkerde), verstopfte die Röhre, doch nicht ganz genau (um der erhitzten Luft einen Ausgang zu verstatten, und doch die freye Circulation der Luft, die den Phosphor entzünden konnte, zu verhüten), und erhitzte sie bis zum Rothglühen einige Minuten lang. Nach dem Zerbrechen der erkalteten Röhre fand er darinn ein schwarzes Pulver, das aus Kohle mit phosphorsaurer Kalkerde und Phosphor mit gebrannter Kalkerde bestand. Ward die phosphorsaure Kalkerde durch Auflösung in einer Säure und durch Filtriren, der Phosphor aber durch Sublimation davon geschieden, so blieb eine Kohle


Unter die merkwuͤrdigſten Verſuche der Neuern gehoͤren unſtreitig diejenigen, durch welche man das kohlengeſaͤuerte Gas ſelbſt zu zerlegen, und den Kohlenſtoff, als einen ſeiner Beſtandtheile, daraus zu entwickeln geſucht hat. Eine wohlfeile Methode, dieſes zu bewerkſtelligen, wuͤrde eine ſehr wichtige Entdeckung fuͤr die Menſchheit ſeyn. Man wuͤrde dadurch eine ungeheure Menge von Kohlenſtoff, welche jetzt in den verſchiedenen Erden und Steinen verſteckt liegt, erhalten und als Brennmaterial benuͤtzen koͤnnen. Wegen der ungemein ſtarken Anziehung der Kohle gegen den Sauerſtoff iſt dieſe Zerlegung ſehr ſchwer; auch wuͤrde ſie durch eine einfache Verwandtſchaft nie mit Vortheil zu bewirken ſeyn. Denn der zerlegende Koͤrper muͤßte wenigſtens eben ſo viel Verwandtſchaft zu dem Sauerſtoffe haben, d. h. eben ſo brennbar ſeyn, als die Kohle ſelbſt: man wuͤrde alſo in dieſem Falle nur ein Brennmaterial zerſtoͤren, um ein anderes hervorzubringen. Wahrſcheinlich aber laͤßt ſich dieſe Zerlegung durch zuſammengeſetzre Verwandtſchaften bewirken; wenigſtens bringt ſie die Natur taͤglich bey der Vegetation der Pflanzen zu Stande.

Herrn Smithſon Tennant (Philoſ. Transact. for the year 1791. Vol. LXXXI. p. 182 ſqq. Ueber die Zerſetzung der Luftſaͤure in Grens Journ. d. Phyſ. B. VI. S. 229 u. f.) ſcheint die kuͤnſtliche Erzeugung einer Kohle aus der Kohlenſaͤure durch folgenden Verſuch gelungen zu ſeyn. Er brachte in eine beſchlagene Glasroͤhre, die an dem einen Ende verſchloſſen war, erſt etwas weniges Phosphor, und darauf etwas fein gepuͤlverten Marmor (kohlenſaure Kalkerde), verſtopfte die Roͤhre, doch nicht ganz genau (um der erhitzten Luft einen Ausgang zu verſtatten, und doch die freye Circulation der Luft, die den Phosphor entzuͤnden konnte, zu verhuͤten), und erhitzte ſie bis zum Rothgluͤhen einige Minuten lang. Nach dem Zerbrechen der erkalteten Roͤhre fand er darinn ein ſchwarzes Pulver, das aus Kohle mit phosphorſaurer Kalkerde und Phosphor mit gebrannter Kalkerde beſtand. Ward die phosphorſaure Kalkerde durch Aufloͤſung in einer Saͤure und durch Filtriren, der Phosphor aber durch Sublimation davon geſchieden, ſo blieb eine Kohle

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[445/0457] Unter die merkwuͤrdigſten Verſuche der Neuern gehoͤren unſtreitig diejenigen, durch welche man das kohlengeſaͤuerte Gas ſelbſt zu zerlegen, und den Kohlenſtoff, als einen ſeiner Beſtandtheile, daraus zu entwickeln geſucht hat. Eine wohlfeile Methode, dieſes zu bewerkſtelligen, wuͤrde eine ſehr wichtige Entdeckung fuͤr die Menſchheit ſeyn. Man wuͤrde dadurch eine ungeheure Menge von Kohlenſtoff, welche jetzt in den verſchiedenen Erden und Steinen verſteckt liegt, erhalten und als Brennmaterial benuͤtzen koͤnnen. Wegen der ungemein ſtarken Anziehung der Kohle gegen den Sauerſtoff iſt dieſe Zerlegung ſehr ſchwer; auch wuͤrde ſie durch eine einfache Verwandtſchaft nie mit Vortheil zu bewirken ſeyn. Denn der zerlegende Koͤrper muͤßte wenigſtens eben ſo viel Verwandtſchaft zu dem Sauerſtoffe haben, d. h. eben ſo brennbar ſeyn, als die Kohle ſelbſt: man wuͤrde alſo in dieſem Falle nur ein Brennmaterial zerſtoͤren, um ein anderes hervorzubringen. Wahrſcheinlich aber laͤßt ſich dieſe Zerlegung durch zuſammengeſetzre Verwandtſchaften bewirken; wenigſtens bringt ſie die Natur taͤglich bey der Vegetation der Pflanzen zu Stande. Herrn Smithſon Tennant (Philoſ. Transact. for the year 1791. Vol. LXXXI. p. 182 ſqq. Ueber die Zerſetzung der Luftſaͤure in Grens Journ. d. Phyſ. B. VI. S. 229 u. f.) ſcheint die kuͤnſtliche Erzeugung einer Kohle aus der Kohlenſaͤure durch folgenden Verſuch gelungen zu ſeyn. Er brachte in eine beſchlagene Glasroͤhre, die an dem einen Ende verſchloſſen war, erſt etwas weniges Phosphor, und darauf etwas fein gepuͤlverten Marmor (kohlenſaure Kalkerde), verſtopfte die Roͤhre, doch nicht ganz genau (um der erhitzten Luft einen Ausgang zu verſtatten, und doch die freye Circulation der Luft, die den Phosphor entzuͤnden konnte, zu verhuͤten), und erhitzte ſie bis zum Rothgluͤhen einige Minuten lang. Nach dem Zerbrechen der erkalteten Roͤhre fand er darinn ein ſchwarzes Pulver, das aus Kohle mit phosphorſaurer Kalkerde und Phosphor mit gebrannter Kalkerde beſtand. Ward die phosphorſaure Kalkerde durch Aufloͤſung in einer Saͤure und durch Filtriren, der Phosphor aber durch Sublimation davon geſchieden, ſo blieb eine Kohle

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/457>, abgerufen am 14.06.2024.