Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


aus allen den Stoffen, welche sich in diesen elastischen Flüßigkeiten auflösen. Ueber diesen Satz ist kein Streit; ob aber der permanent-elastische Antheil der Atmosphäre, oder die eigentliche Luft, die übrigen Stoffe chemisch aufgelößt enthalte, oder ob er mit ihnen als dampfförmigen Substanzen nur mechanisch vermengt sey, darüber sind noch jetzt die Meinungen der Naturforscher getheilt.

Im Wörterbuche wird dem phlogistischen System gemäß angenommen, die atmosphärische Luft werde durch Athmen, Verbrennungen und andere phlogistische Processe von Zeit zu Zeit mit einer Menge Phlogiston und etwas Luftsäure verbunden, und bestehe daher aus dephlogistisirter, phlogistisirter und einem kleinern Antheile fixer Luft. Zugleich wird nach dem sogenannten Auflösungssystem behauptet, es sey die Mischung dieser Luftarten ein chemisches Menstruum für das Wasser und andere Stoffe, welche durch Auflösung in der Luft von der Erdfläche erhoben werden.

Das antiphlogistische System giebt zwar der eigentlichen atmosphärischen Luft eben dieselben Bestandtheile, nemlich, wie sie hier heißen, Sauerstoffgas oder Lebensluft, welche zu Unterhaltung des thierischen Lebens dient, Stickgas oder Salpeterstoffgas, welches das Leben nicht erhalten kan, und einen kleinen Antheil von kohlengesäuertem Gas oder Luftsäure. Es läßt aber dieses System durch Verbrennungen, Athmen u. s. w. nicht das Stickgas entstehen, sondern blos zurückbleiben, indem das damit verbundene Sauerstoffgas zersetzt und der Sauerstoff dem Luftkreise entzogen wird. Im übrigen nehmen die Antiphlogistiker auch das Auflösungssystem durchgängig an.

Da der Phosphor und andere verbrennliche Körper durch das Verbrennen in reiner Lebensluft ganz eben dieselben Veränderungen, wie in der atmosphärischen Luft, erleiden, so bleibt wohl kein Zweifel übrig, daß die Basis des Antheils der atmosphärischen Luft, den sie während der Verbrennung zersetzen, ganz einerley mit der Basis der Lebensluft sey, daß also die Erscheinungen des Verbrennens und Athmens in atmosphärischer Luft blos von der darinn befindlichen Lebensluft abhängen, und daß die davon übrigbleibende Sticklust


aus allen den Stoffen, welche ſich in dieſen elaſtiſchen Fluͤßigkeiten aufloͤſen. Ueber dieſen Satz iſt kein Streit; ob aber der permanent-elaſtiſche Antheil der Atmoſphaͤre, oder die eigentliche Luft, die uͤbrigen Stoffe chemiſch aufgeloͤßt enthalte, oder ob er mit ihnen als dampffoͤrmigen Subſtanzen nur mechaniſch vermengt ſey, daruͤber ſind noch jetzt die Meinungen der Naturforſcher getheilt.

Im Woͤrterbuche wird dem phlogiſtiſchen Syſtem gemaͤß angenommen, die atmoſphaͤriſche Luft werde durch Athmen, Verbrennungen und andere phlogiſtiſche Proceſſe von Zeit zu Zeit mit einer Menge Phlogiſton und etwas Luftſaͤure verbunden, und beſtehe daher aus dephlogiſtiſirter, phlogiſtiſirter und einem kleinern Antheile fixer Luft. Zugleich wird nach dem ſogenannten Aufloͤſungsſyſtem behauptet, es ſey die Miſchung dieſer Luftarten ein chemiſches Menſtruum fuͤr das Waſſer und andere Stoffe, welche durch Aufloͤſung in der Luft von der Erdflaͤche erhoben werden.

Das antiphlogiſtiſche Syſtem giebt zwar der eigentlichen atmoſphaͤriſchen Luft eben dieſelben Beſtandtheile, nemlich, wie ſie hier heißen, Sauerſtoffgas oder Lebensluft, welche zu Unterhaltung des thieriſchen Lebens dient, Stickgas oder Salpeterſtoffgas, welches das Leben nicht erhalten kan, und einen kleinen Antheil von kohlengeſaͤuertem Gas oder Luftſaͤure. Es laͤßt aber dieſes Syſtem durch Verbrennungen, Athmen u. ſ. w. nicht das Stickgas entſtehen, ſondern blos zuruͤckbleiben, indem das damit verbundene Sauerſtoffgas zerſetzt und der Sauerſtoff dem Luftkreiſe entzogen wird. Im uͤbrigen nehmen die Antiphlogiſtiker auch das Aufloͤſungsſyſtem durchgaͤngig an.

Da der Phosphor und andere verbrennliche Koͤrper durch das Verbrennen in reiner Lebensluft ganz eben dieſelben Veraͤnderungen, wie in der atmoſphaͤriſchen Luft, erleiden, ſo bleibt wohl kein Zweifel uͤbrig, daß die Baſis des Antheils der atmoſphaͤriſchen Luft, den ſie waͤhrend der Verbrennung zerſetzen, ganz einerley mit der Baſis der Lebensluft ſey, daß alſo die Erſcheinungen des Verbrennens und Athmens in atmoſphaͤriſcher Luft blos von der darinn befindlichen Lebensluft abhaͤngen, und daß die davon uͤbrigbleibende Stickluſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0437" xml:id="P.5.425" n="425"/><lb/>
aus allen den Stoffen, welche &#x017F;ich in die&#x017F;en ela&#x017F;ti&#x017F;chen Flu&#x0364;ßigkeiten auflo&#x0364;&#x017F;en. Ueber die&#x017F;en Satz i&#x017F;t kein Streit; ob aber der permanent-ela&#x017F;ti&#x017F;che Antheil der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re, oder die eigentliche <hi rendition="#b">Luft,</hi> die u&#x0364;brigen Stoffe chemi&#x017F;ch aufgelo&#x0364;ßt enthalte, oder ob er mit ihnen als dampffo&#x0364;rmigen Sub&#x017F;tanzen nur mechani&#x017F;ch vermengt &#x017F;ey, daru&#x0364;ber &#x017F;ind noch jetzt die Meinungen der Naturfor&#x017F;cher getheilt.</p>
              <p>Im Wo&#x0364;rterbuche wird dem phlogi&#x017F;ti&#x017F;chen Sy&#x017F;tem gema&#x0364;ß angenommen, die atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che Luft werde durch Athmen, Verbrennungen und andere phlogi&#x017F;ti&#x017F;che Proce&#x017F;&#x017F;e von Zeit zu Zeit mit einer Menge Phlogi&#x017F;ton und etwas Luft&#x017F;a&#x0364;ure verbunden, und be&#x017F;tehe daher aus dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irter, phlogi&#x017F;ti&#x017F;irter und einem kleinern Antheile fixer Luft. Zugleich wird nach dem &#x017F;ogenannten Auflo&#x0364;&#x017F;ungs&#x017F;y&#x017F;tem behauptet, es &#x017F;ey die Mi&#x017F;chung die&#x017F;er Luftarten ein chemi&#x017F;ches Men&#x017F;truum fu&#x0364;r das Wa&#x017F;&#x017F;er und andere Stoffe, welche durch Auflo&#x0364;&#x017F;ung in der Luft von der Erdfla&#x0364;che erhoben werden.</p>
              <p>Das antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Sy&#x017F;tem giebt zwar der eigentlichen atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft eben die&#x017F;elben Be&#x017F;tandtheile, nemlich, wie &#x017F;ie hier heißen, <hi rendition="#b">Sauer&#x017F;toffgas</hi> oder <hi rendition="#b">Lebensluft,</hi> welche zu Unterhaltung des thieri&#x017F;chen Lebens dient, <hi rendition="#b">Stickgas</hi> oder <hi rendition="#b">Salpeter&#x017F;toffgas,</hi> welches das Leben nicht erhalten kan, und einen kleinen Antheil von <hi rendition="#b">kohlenge&#x017F;a&#x0364;uertem Gas</hi> oder <hi rendition="#b">Luft&#x017F;a&#x0364;ure.</hi> Es la&#x0364;ßt aber die&#x017F;es Sy&#x017F;tem durch Verbrennungen, Athmen u. &#x017F;. w. nicht das Stickgas <hi rendition="#b">ent&#x017F;tehen,</hi> &#x017F;ondern blos <hi rendition="#b">zuru&#x0364;ckbleiben,</hi> indem das damit verbundene Sauer&#x017F;toffgas zer&#x017F;etzt und der Sauer&#x017F;toff dem Luftkrei&#x017F;e entzogen wird. Im u&#x0364;brigen nehmen die Antiphlogi&#x017F;tiker auch das Auflo&#x0364;&#x017F;ungs&#x017F;y&#x017F;tem durchga&#x0364;ngig an.</p>
              <p>Da der Phosphor und andere verbrennliche Ko&#x0364;rper durch das Verbrennen in reiner Lebensluft ganz eben die&#x017F;elben Vera&#x0364;nderungen, wie in der atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft, erleiden, &#x017F;o bleibt wohl kein Zweifel u&#x0364;brig, daß die Ba&#x017F;is des Antheils der atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft, den &#x017F;ie wa&#x0364;hrend der Verbrennung zer&#x017F;etzen, ganz einerley mit der Ba&#x017F;is der Lebensluft &#x017F;ey, daß al&#x017F;o die Er&#x017F;cheinungen des Verbrennens und Athmens in atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;cher Luft blos von der darinn befindlichen Lebensluft abha&#x0364;ngen, und daß die davon u&#x0364;brigbleibende Sticklu&#x017F;t<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0437] aus allen den Stoffen, welche ſich in dieſen elaſtiſchen Fluͤßigkeiten aufloͤſen. Ueber dieſen Satz iſt kein Streit; ob aber der permanent-elaſtiſche Antheil der Atmoſphaͤre, oder die eigentliche Luft, die uͤbrigen Stoffe chemiſch aufgeloͤßt enthalte, oder ob er mit ihnen als dampffoͤrmigen Subſtanzen nur mechaniſch vermengt ſey, daruͤber ſind noch jetzt die Meinungen der Naturforſcher getheilt. Im Woͤrterbuche wird dem phlogiſtiſchen Syſtem gemaͤß angenommen, die atmoſphaͤriſche Luft werde durch Athmen, Verbrennungen und andere phlogiſtiſche Proceſſe von Zeit zu Zeit mit einer Menge Phlogiſton und etwas Luftſaͤure verbunden, und beſtehe daher aus dephlogiſtiſirter, phlogiſtiſirter und einem kleinern Antheile fixer Luft. Zugleich wird nach dem ſogenannten Aufloͤſungsſyſtem behauptet, es ſey die Miſchung dieſer Luftarten ein chemiſches Menſtruum fuͤr das Waſſer und andere Stoffe, welche durch Aufloͤſung in der Luft von der Erdflaͤche erhoben werden. Das antiphlogiſtiſche Syſtem giebt zwar der eigentlichen atmoſphaͤriſchen Luft eben dieſelben Beſtandtheile, nemlich, wie ſie hier heißen, Sauerſtoffgas oder Lebensluft, welche zu Unterhaltung des thieriſchen Lebens dient, Stickgas oder Salpeterſtoffgas, welches das Leben nicht erhalten kan, und einen kleinen Antheil von kohlengeſaͤuertem Gas oder Luftſaͤure. Es laͤßt aber dieſes Syſtem durch Verbrennungen, Athmen u. ſ. w. nicht das Stickgas entſtehen, ſondern blos zuruͤckbleiben, indem das damit verbundene Sauerſtoffgas zerſetzt und der Sauerſtoff dem Luftkreiſe entzogen wird. Im uͤbrigen nehmen die Antiphlogiſtiker auch das Aufloͤſungsſyſtem durchgaͤngig an. Da der Phosphor und andere verbrennliche Koͤrper durch das Verbrennen in reiner Lebensluft ganz eben dieſelben Veraͤnderungen, wie in der atmoſphaͤriſchen Luft, erleiden, ſo bleibt wohl kein Zweifel uͤbrig, daß die Baſis des Antheils der atmoſphaͤriſchen Luft, den ſie waͤhrend der Verbrennung zerſetzen, ganz einerley mit der Baſis der Lebensluft ſey, daß alſo die Erſcheinungen des Verbrennens und Athmens in atmoſphaͤriſcher Luft blos von der darinn befindlichen Lebensluft abhaͤngen, und daß die davon uͤbrigbleibende Stickluſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/437
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/437>, abgerufen am 22.11.2024.