nur Kräfte und Gesetze in die Materie gelegt, oder daß er zugleich mit denselben auch die ersten Formen der Körper durch seine Allmacht hervorgebracht habe. Mithin giebt es gar keine objectiven Gründe für eine Theorie der Schöpfung, und wir sollten statt aller Kosmogonien und Geogonien uns bescheiden darauf einschränken, die Ursachen der successiven Veränderungen der schon geformten Natur zu erforschen.
Und hiebey möchte alles, was sich über die Veränderungen der Erde sagen läßt, auf folgende wenige Sätze hinauslaufen. Ob unser Planet als vollkommene Kugel geschaffen worden, ist ungewiß; er hat aber seine sphäroidische Gestalt durch Umdrehung um die Axe erhalten. Von einigen Theilen, z. B. dem Granit, können wir den Ursprung nicht angeben; der Granit scheint da gewesen zu seyn, ehe Wasser oder Feuer die Erdfläche veränderten; aus ihm bestehen die höchsten, wahrscheinlich auch die ältesten, Gebirge, er macht die innerste und tiefste Grundlage der Erdrinde aus, soweit unsere Nachforschungen haben reichen können. Ein großer Theil unsers jetzigen festen Landes war ehedem Meergrund, und scheint dieses eine sehr lange Zeit gewesen zu seyn; dennoch muß an vielen Orten, wo jetzt festes Land ist und ehedem Meergrund war, in noch frühern Zeiten schon einmal festes Land gewesen seyn. Viele Landthiere, Pflanzen, Fische und Conchylien, die jetzt nur im heißen Erdstriche leben, müssen vor Zeiten auch die dem Nordpole nähern Gegenden bewohnt haben. Die Gipfel der höchsten Gebirge, die wir kennen, scheint das Wasser nie bedeckt zu haben. An den Veränderungen der Erdfläche haben auch Erderschütterungen und unterirdisches Feuer beträchtlichen Antheil gehabt, und an vielen Orten mögen alte jetzt verloschene Vulkane in einem Zeitalter gebrannt haben, bis zu welchem unsere Völkergeschichte nicht hinaufsteigt. Diese Sätze scheinen alle Evidenz zu haben, deren physikalische Sätze überhaupt fähig sind; aber sie sind nur Bruchstücke, die man nicht anders zu einer Theorie der Erde verbinden kan, als wenn man die Lücken durch Phantasien ergänzt.
nur Kraͤfte und Geſetze in die Materie gelegt, oder daß er zugleich mit denſelben auch die erſten Formen der Koͤrper durch ſeine Allmacht hervorgebracht habe. Mithin giebt es gar keine objectiven Gruͤnde fuͤr eine Theorie der Schoͤpfung, und wir ſollten ſtatt aller Kosmogonien und Geogonien uns beſcheiden darauf einſchraͤnken, die Urſachen der ſucceſſiven Veraͤnderungen der ſchon geformten Natur zu erforſchen.
Und hiebey moͤchte alles, was ſich uͤber die Veraͤnderungen der Erde ſagen laͤßt, auf folgende wenige Saͤtze hinauslaufen. Ob unſer Planet als vollkommene Kugel geſchaffen worden, iſt ungewiß; er hat aber ſeine ſphaͤroidiſche Geſtalt durch Umdrehung um die Axe erhalten. Von einigen Theilen, z. B. dem Granit, koͤnnen wir den Urſprung nicht angeben; der Granit ſcheint da geweſen zu ſeyn, ehe Waſſer oder Feuer die Erdflaͤche veraͤnderten; aus ihm beſtehen die hoͤchſten, wahrſcheinlich auch die aͤlteſten, Gebirge, er macht die innerſte und tiefſte Grundlage der Erdrinde aus, ſoweit unſere Nachforſchungen haben reichen koͤnnen. Ein großer Theil unſers jetzigen feſten Landes war ehedem Meergrund, und ſcheint dieſes eine ſehr lange Zeit geweſen zu ſeyn; dennoch muß an vielen Orten, wo jetzt feſtes Land iſt und ehedem Meergrund war, in noch fruͤhern Zeiten ſchon einmal feſtes Land geweſen ſeyn. Viele Landthiere, Pflanzen, Fiſche und Conchylien, die jetzt nur im heißen Erdſtriche leben, muͤſſen vor Zeiten auch die dem Nordpole naͤhern Gegenden bewohnt haben. Die Gipfel der hoͤchſten Gebirge, die wir kennen, ſcheint das Waſſer nie bedeckt zu haben. An den Veraͤnderungen der Erdflaͤche haben auch Erderſchuͤtterungen und unterirdiſches Feuer betraͤchtlichen Antheil gehabt, und an vielen Orten moͤgen alte jetzt verloſchene Vulkane in einem Zeitalter gebrannt haben, bis zu welchem unſere Voͤlkergeſchichte nicht hinaufſteigt. Dieſe Saͤtze ſcheinen alle Evidenz zu haben, deren phyſikaliſche Saͤtze uͤberhaupt faͤhig ſind; aber ſie ſind nur Bruchſtuͤcke, die man nicht anders zu einer Theorie der Erde verbinden kan, als wenn man die Luͤcken durch Phantaſien ergaͤnzt.
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nur Kraͤfte und Geſetze in die Materie gelegt, oder daß er zugleich mit denſelben auch die erſten Formen der Koͤrper durch ſeine Allmacht hervorgebracht habe. Mithin giebt es gar keine objectiven Gruͤnde fuͤr eine Theorie der Schoͤpfung, und wir ſollten ſtatt aller Kosmogonien und Geogonien uns beſcheiden darauf einſchraͤnken, die Urſachen der ſucceſſiven Veraͤnderungen der ſchon geformten Natur zu erforſchen.
Und hiebey moͤchte alles, was ſich uͤber die Veraͤnderungen der Erde ſagen laͤßt, auf folgende wenige Saͤtze hinauslaufen. Ob unſer Planet als vollkommene Kugel geſchaffen worden, iſt ungewiß; er hat aber ſeine ſphaͤroidiſche Geſtalt durch Umdrehung um die Axe erhalten. Von einigen Theilen, z. B. dem Granit, koͤnnen wir den Urſprung nicht angeben; der Granit ſcheint da geweſen zu ſeyn, ehe Waſſer oder Feuer die Erdflaͤche veraͤnderten; aus ihm beſtehen die hoͤchſten, wahrſcheinlich auch die aͤlteſten, Gebirge, er macht die innerſte und tiefſte Grundlage der Erdrinde aus, ſoweit unſere Nachforſchungen haben reichen koͤnnen. Ein großer Theil unſers jetzigen feſten Landes war ehedem Meergrund, und ſcheint dieſes eine ſehr lange Zeit geweſen zu ſeyn; dennoch muß an vielen Orten, wo jetzt feſtes Land iſt und ehedem Meergrund war, in noch fruͤhern Zeiten ſchon einmal feſtes Land geweſen ſeyn. Viele Landthiere, Pflanzen, Fiſche und Conchylien, die jetzt nur im heißen Erdſtriche leben, muͤſſen vor Zeiten auch die dem Nordpole naͤhern Gegenden bewohnt haben. Die Gipfel der hoͤchſten Gebirge, die wir kennen, ſcheint das Waſſer nie bedeckt zu haben. An den Veraͤnderungen der Erdflaͤche haben auch Erderſchuͤtterungen und unterirdiſches Feuer betraͤchtlichen Antheil gehabt, und an vielen Orten moͤgen alte jetzt verloſchene Vulkane in einem Zeitalter gebrannt haben, bis zu welchem unſere Voͤlkergeſchichte nicht hinaufſteigt. Dieſe Saͤtze ſcheinen alle Evidenz zu haben, deren phyſikaliſche Saͤtze uͤberhaupt faͤhig ſind; aber ſie ſind nur Bruchſtuͤcke, die man nicht anders zu einer Theorie der Erde verbinden kan, als wenn man die Luͤcken durch Phantaſien ergaͤnzt.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/381>, abgerufen am 22.11.2024.
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