Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Wasser, von Luft gereinigt, weit unter den Eispunkt erkälten kan, ohne zu gefrieren. Er erhielt solches Wasser in einem Kolben, worinn ein Thermometer stand, bey 14 Grad Temperatur nach Fahrenheit, mehrere Tage flüßig. Durch Berührung mit einem kleinen Stückchen Eis gefror ein Theil davon plötzlich; die daraus frey gewordene Wärme brachte das übrige sogleich auf den Eispunkt (32 Grad): auf diesem Punkte blieb die Masse, bis sie ganz gefroren war, und richtete sich sodann nach der äußern Temperatur. De Luc erklärt hieraus (To. II. §. 610), wie im Luftkreise Bläschen von flüßigem Wasser entstehen können, wenn gleich die Temperatur beym Gefrieren ist, weil zur Bildung des Eises außer dem Erkalten noch irgend ein bestimmender Umstand nöthig sey.

Vorzüglich hat Blagden (Philos. Trans. Vol. LXXVIII. P. I. p. 125 sq. p. 277. sq. übers. in Grens Journ. der Phys. B. I. S. 87 u. f. S. 393 u. f.) über die Erkältung des Wassers unter den Gefrierpunkt und das Vermögen verschiedener Substanzen, diesen Punkt tiefer herabzubringen, Versuche angestellt. Destillirtes Wasser ließ sich bis 24 und 23, wenn es eine Zeitlang gekocht hatte, bis 21 (nach Fahrenh.) erkälten; ein hartes Brunnenwasser nur bis 25 oder 24; trübes Wasser vom New River gar nicht unter den Gefrierpunkt. Mangel an Durchsichtigkeit schien allemal die Fähigkeit zur Erkältung unter den Eispunkt zu schwächen; dagegen Säuren und Auflösungen von Salzen sie verstärkten. Die Ruhe ist zwar dieser Erkältung günstig; aber nicht jede Bewegung bringt das plötzliche Gefrieren hervor, wie schon Wilke (Schwed. Abhdl. B. XXX.) bemerkt hat. Wasser, bis 21 Grad erkältet, ertrug Rütteln des Bechers, Umrühren mit einem Federkiel, Anblasen der Oberfläche, ohne zu gefrieren. Eine schütternde Bewegung, z. B. Aufstoßen des Bechers mit dem Boden, Reiben mit dem Federkiel oder mit Wachs an der Seite des Bechers unter dem Wasser u. dergl. bringen das Gefrieren am ersten zuwege. Das sicherste Mittel ist die Berührung mit einem Stückchen Eis, das, so klein es auch sey, das Wasser augenblicklich zum Gestehen bringt. Dies ist einer der artigsten Versuche im Kleinen:


Waſſer, von Luft gereinigt, weit unter den Eispunkt erkaͤlten kan, ohne zu gefrieren. Er erhielt ſolches Waſſer in einem Kolben, worinn ein Thermometer ſtand, bey 14 Grad Temperatur nach Fahrenheit, mehrere Tage fluͤßig. Durch Beruͤhrung mit einem kleinen Stuͤckchen Eis gefror ein Theil davon ploͤtzlich; die daraus frey gewordene Waͤrme brachte das uͤbrige ſogleich auf den Eispunkt (32 Grad): auf dieſem Punkte blieb die Maſſe, bis ſie ganz gefroren war, und richtete ſich ſodann nach der aͤußern Temperatur. De Luc erklaͤrt hieraus (To. II. §. 610), wie im Luftkreiſe Blaͤschen von fluͤßigem Waſſer entſtehen koͤnnen, wenn gleich die Temperatur beym Gefrieren iſt, weil zur Bildung des Eiſes außer dem Erkalten noch irgend ein beſtimmender Umſtand noͤthig ſey.

Vorzuͤglich hat Blagden (Philoſ. Trans. Vol. LXXVIII. P. I. p. 125 ſq. p. 277. ſq. uͤberſ. in Grens Journ. der Phyſ. B. I. S. 87 u. f. S. 393 u. f.) uͤber die Erkaͤltung des Waſſers unter den Gefrierpunkt und das Vermoͤgen verſchiedener Subſtanzen, dieſen Punkt tiefer herabzubringen, Verſuche angeſtellt. Deſtillirtes Waſſer ließ ſich bis 24 und 23, wenn es eine Zeitlang gekocht hatte, bis 21 (nach Fahrenh.) erkaͤlten; ein hartes Brunnenwaſſer nur bis 25 oder 24; truͤbes Waſſer vom New River gar nicht unter den Gefrierpunkt. Mangel an Durchſichtigkeit ſchien allemal die Faͤhigkeit zur Erkaͤltung unter den Eispunkt zu ſchwaͤchen; dagegen Saͤuren und Aufloͤſungen von Salzen ſie verſtaͤrkten. Die Ruhe iſt zwar dieſer Erkaͤltung guͤnſtig; aber nicht jede Bewegung bringt das ploͤtzliche Gefrieren hervor, wie ſchon Wilke (Schwed. Abhdl. B. XXX.) bemerkt hat. Waſſer, bis 21 Grad erkaͤltet, ertrug Ruͤtteln des Bechers, Umruͤhren mit einem Federkiel, Anblaſen der Oberflaͤche, ohne zu gefrieren. Eine ſchuͤtternde Bewegung, z. B. Aufſtoßen des Bechers mit dem Boden, Reiben mit dem Federkiel oder mit Wachs an der Seite des Bechers unter dem Waſſer u. dergl. bringen das Gefrieren am erſten zuwege. Das ſicherſte Mittel iſt die Beruͤhrung mit einem Stuͤckchen Eis, das, ſo klein es auch ſey, das Waſſer augenblicklich zum Geſtehen bringt. Dies iſt einer der artigſten Verſuche im Kleinen:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0250" xml:id="P.5.238" n="238"/><lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, von Luft gereinigt, weit unter den Eispunkt erka&#x0364;lten kan, ohne zu gefrieren. Er erhielt &#x017F;olches Wa&#x017F;&#x017F;er in einem Kolben, worinn ein Thermometer &#x017F;tand, bey 14 Grad Temperatur nach Fahrenheit, mehrere Tage flu&#x0364;ßig. Durch Beru&#x0364;hrung mit einem kleinen Stu&#x0364;ckchen Eis gefror ein Theil davon plo&#x0364;tzlich; die daraus frey gewordene Wa&#x0364;rme brachte das u&#x0364;brige &#x017F;ogleich auf den Eispunkt (32 Grad): auf die&#x017F;em Punkte blieb die Ma&#x017F;&#x017F;e, bis &#x017F;ie ganz gefroren war, und richtete &#x017F;ich &#x017F;odann nach der a&#x0364;ußern Temperatur. <hi rendition="#b">De Luc</hi> erkla&#x0364;rt hieraus <hi rendition="#aq">(To. II. §. 610),</hi> wie im Luftkrei&#x017F;e Bla&#x0364;schen von flu&#x0364;ßigem Wa&#x017F;&#x017F;er ent&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, wenn gleich die Temperatur beym Gefrieren i&#x017F;t, weil zur Bildung des Ei&#x017F;es außer dem Erkalten noch irgend ein be&#x017F;timmender Um&#x017F;tand no&#x0364;thig &#x017F;ey.</p>
              <p>Vorzu&#x0364;glich hat <hi rendition="#b">Blagden</hi> <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;. Trans. Vol. LXXVIII. P. I. p. 125 &#x017F;q. p. 277. &#x017F;q.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;. in <hi rendition="#b">Grens</hi> Journ. der Phy&#x017F;. B. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 87 u. f. S. 393 u. f.) u&#x0364;ber die Erka&#x0364;ltung des Wa&#x017F;&#x017F;ers unter den Gefrierpunkt und das Vermo&#x0364;gen ver&#x017F;chiedener Sub&#x017F;tanzen, die&#x017F;en Punkt tiefer herabzubringen, Ver&#x017F;uche ange&#x017F;tellt. De&#x017F;tillirtes Wa&#x017F;&#x017F;er ließ &#x017F;ich bis 24 und 23, wenn es eine Zeitlang gekocht hatte, bis 21 (nach Fahrenh.) erka&#x0364;lten; ein hartes Brunnenwa&#x017F;&#x017F;er nur bis 25 oder 24; tru&#x0364;bes Wa&#x017F;&#x017F;er vom New River gar nicht unter den Gefrierpunkt. Mangel an Durch&#x017F;ichtigkeit &#x017F;chien allemal die Fa&#x0364;higkeit zur Erka&#x0364;ltung unter den Eispunkt zu &#x017F;chwa&#x0364;chen; dagegen Sa&#x0364;uren und Auflo&#x0364;&#x017F;ungen von Salzen &#x017F;ie ver&#x017F;ta&#x0364;rkten. Die Ruhe i&#x017F;t zwar die&#x017F;er Erka&#x0364;ltung gu&#x0364;n&#x017F;tig; aber nicht jede Bewegung bringt das plo&#x0364;tzliche Gefrieren hervor, wie &#x017F;chon <hi rendition="#b">Wilke</hi> (Schwed. Abhdl. B. <hi rendition="#aq">XXX.</hi>) bemerkt hat. Wa&#x017F;&#x017F;er, bis 21 Grad erka&#x0364;ltet, ertrug Ru&#x0364;tteln des Bechers, Umru&#x0364;hren mit einem Federkiel, Anbla&#x017F;en der Oberfla&#x0364;che, ohne zu gefrieren. Eine &#x017F;chu&#x0364;tternde Bewegung, z. B. Auf&#x017F;toßen des Bechers mit dem Boden, Reiben mit dem Federkiel oder mit Wachs an der Seite des Bechers unter dem Wa&#x017F;&#x017F;er u. dergl. bringen das Gefrieren am er&#x017F;ten zuwege. Das &#x017F;icher&#x017F;te Mittel i&#x017F;t die Beru&#x0364;hrung mit einem Stu&#x0364;ckchen Eis, das, &#x017F;o klein es auch &#x017F;ey, das Wa&#x017F;&#x017F;er augenblicklich zum Ge&#x017F;tehen bringt. Dies i&#x017F;t einer der artig&#x017F;ten Ver&#x017F;uche im Kleinen:<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0250] Waſſer, von Luft gereinigt, weit unter den Eispunkt erkaͤlten kan, ohne zu gefrieren. Er erhielt ſolches Waſſer in einem Kolben, worinn ein Thermometer ſtand, bey 14 Grad Temperatur nach Fahrenheit, mehrere Tage fluͤßig. Durch Beruͤhrung mit einem kleinen Stuͤckchen Eis gefror ein Theil davon ploͤtzlich; die daraus frey gewordene Waͤrme brachte das uͤbrige ſogleich auf den Eispunkt (32 Grad): auf dieſem Punkte blieb die Maſſe, bis ſie ganz gefroren war, und richtete ſich ſodann nach der aͤußern Temperatur. De Luc erklaͤrt hieraus (To. II. §. 610), wie im Luftkreiſe Blaͤschen von fluͤßigem Waſſer entſtehen koͤnnen, wenn gleich die Temperatur beym Gefrieren iſt, weil zur Bildung des Eiſes außer dem Erkalten noch irgend ein beſtimmender Umſtand noͤthig ſey. Vorzuͤglich hat Blagden (Philoſ. Trans. Vol. LXXVIII. P. I. p. 125 ſq. p. 277. ſq. uͤberſ. in Grens Journ. der Phyſ. B. I. S. 87 u. f. S. 393 u. f.) uͤber die Erkaͤltung des Waſſers unter den Gefrierpunkt und das Vermoͤgen verſchiedener Subſtanzen, dieſen Punkt tiefer herabzubringen, Verſuche angeſtellt. Deſtillirtes Waſſer ließ ſich bis 24 und 23, wenn es eine Zeitlang gekocht hatte, bis 21 (nach Fahrenh.) erkaͤlten; ein hartes Brunnenwaſſer nur bis 25 oder 24; truͤbes Waſſer vom New River gar nicht unter den Gefrierpunkt. Mangel an Durchſichtigkeit ſchien allemal die Faͤhigkeit zur Erkaͤltung unter den Eispunkt zu ſchwaͤchen; dagegen Saͤuren und Aufloͤſungen von Salzen ſie verſtaͤrkten. Die Ruhe iſt zwar dieſer Erkaͤltung guͤnſtig; aber nicht jede Bewegung bringt das ploͤtzliche Gefrieren hervor, wie ſchon Wilke (Schwed. Abhdl. B. XXX.) bemerkt hat. Waſſer, bis 21 Grad erkaͤltet, ertrug Ruͤtteln des Bechers, Umruͤhren mit einem Federkiel, Anblaſen der Oberflaͤche, ohne zu gefrieren. Eine ſchuͤtternde Bewegung, z. B. Aufſtoßen des Bechers mit dem Boden, Reiben mit dem Federkiel oder mit Wachs an der Seite des Bechers unter dem Waſſer u. dergl. bringen das Gefrieren am erſten zuwege. Das ſicherſte Mittel iſt die Beruͤhrung mit einem Stuͤckchen Eis, das, ſo klein es auch ſey, das Waſſer augenblicklich zum Geſtehen bringt. Dies iſt einer der artigſten Verſuche im Kleinen:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/250
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/250>, abgerufen am 07.05.2024.