Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Bewegung der Muskeln in der ganzen Masse der flüßigen Theile hervorzubringen strebt. Die Bestrebung des Steigens muß daher den Umlauf des Bluts weit mehr, als in der Tiefe, beschleunigen, und dieses ist wohl die wahrscheinlichste Ursache des schnellen Pulsschlags, des Herzklopfens und der Anwandlungen von Ohnmacht bey allzuschneller Bewegung auf hohen Bergen. Weil aber die Gefäße so schwach auf das Blut wirken, so hört auch die Beschleunigung sogleich auf, wenn die Bewegung unterbrochen wird, anstatt, daß sie sonst durch die Elasticität der Gefäße würde unterhalten werden. Auch die Schläfrigkeit erklärt er aus der Erschlaffung der Gefäße, besonders derer des Gehirns, und bemerkt noch, daß die Bergluft auch die Haut röthe und angreife.

Bey der Reise auf den Montblanc im Jahre 1787 zeigten sich die vorerwähnten Wirkungen in höhern Graden. Die Gesellschaft mußte über Nacht auf einer Schneefläche bleiben, welche 1995 Toisen über dem Meere lag, und wo das Barometer auf 17 Zoll 10 (29/32) Lin. stand. Die Führer, ungemein starke und abgehärtete Männer, hatten kaum 5--6 Schaufeln Schnee auf die Seite geworfen, als sie schon trotz aller Anstrengung genöthiget waren, inne zu halten. Einem von ihnen, der nach Wasser gegangen war, ward schlimm; er kam ohne Wasser zurück, und brachte den Abend unter den heftigsten Beängstigungen zu. Hr. v. S. selbst fühlte sich ganz ermattet, so gewohnt er der Bergluft war, und so wohl er sich sonst auf Bergen der niedrigen Gegend befand. Auch erweckte dieses Uebelbefinden bey allen einen brennenden Durst.

Der letzte Abhang, den man zu ersteigen hatte, war nur unter 28--29 Grad geneigt, und gar nicht gefährlich; allein die Kräfte waren fast augenblicklich erschöpft, und nahe am Gipfel konnte Hr. v. S. nicht mehr als 15 bis 16 Schritte machen, ohne wieder Athem zu schöpfen, ja er bemerkte sogar von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Ohnmacht, welche ihn nöthigten, sich niederzusetzen; so wie indessen das Athmen wieder in Gang kam, sammelten sich auch die Kräfte wieder.


Bewegung der Muskeln in der ganzen Maſſe der fluͤßigen Theile hervorzubringen ſtrebt. Die Beſtrebung des Steigens muß daher den Umlauf des Bluts weit mehr, als in der Tiefe, beſchleunigen, und dieſes iſt wohl die wahrſcheinlichſte Urſache des ſchnellen Pulsſchlags, des Herzklopfens und der Anwandlungen von Ohnmacht bey allzuſchneller Bewegung auf hohen Bergen. Weil aber die Gefaͤße ſo ſchwach auf das Blut wirken, ſo hoͤrt auch die Beſchleunigung ſogleich auf, wenn die Bewegung unterbrochen wird, anſtatt, daß ſie ſonſt durch die Elaſticitaͤt der Gefaͤße wuͤrde unterhalten werden. Auch die Schlaͤfrigkeit erklaͤrt er aus der Erſchlaffung der Gefaͤße, beſonders derer des Gehirns, und bemerkt noch, daß die Bergluft auch die Haut roͤthe und angreife.

Bey der Reiſe auf den Montblanc im Jahre 1787 zeigten ſich die vorerwaͤhnten Wirkungen in hoͤhern Graden. Die Geſellſchaft mußte uͤber Nacht auf einer Schneeflaͤche bleiben, welche 1995 Toiſen uͤber dem Meere lag, und wo das Barometer auf 17 Zoll 10 (29/32) Lin. ſtand. Die Fuͤhrer, ungemein ſtarke und abgehaͤrtete Maͤnner, hatten kaum 5—6 Schaufeln Schnee auf die Seite geworfen, als ſie ſchon trotz aller Anſtrengung genoͤthiget waren, inne zu halten. Einem von ihnen, der nach Waſſer gegangen war, ward ſchlimm; er kam ohne Waſſer zuruͤck, und brachte den Abend unter den heftigſten Beaͤngſtigungen zu. Hr. v. S. ſelbſt fuͤhlte ſich ganz ermattet, ſo gewohnt er der Bergluft war, und ſo wohl er ſich ſonſt auf Bergen der niedrigen Gegend befand. Auch erweckte dieſes Uebelbefinden bey allen einen brennenden Durſt.

Der letzte Abhang, den man zu erſteigen hatte, war nur unter 28—29 Grad geneigt, und gar nicht gefaͤhrlich; allein die Kraͤfte waren faſt augenblicklich erſchoͤpft, und nahe am Gipfel konnte Hr. v. S. nicht mehr als 15 bis 16 Schritte machen, ohne wieder Athem zu ſchoͤpfen, ja er bemerkte ſogar von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Ohnmacht, welche ihn noͤthigten, ſich niederzuſetzen; ſo wie indeſſen das Athmen wieder in Gang kam, ſammelten ſich auch die Kraͤfte wieder.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0160" xml:id="P.5.148" n="148"/><lb/>
Bewegung der Muskeln in der ganzen Ma&#x017F;&#x017F;e der flu&#x0364;ßigen Theile hervorzubringen &#x017F;trebt. Die Be&#x017F;trebung des Steigens muß daher den Umlauf des Bluts weit mehr, als in der Tiefe, be&#x017F;chleunigen, und die&#x017F;es i&#x017F;t wohl die wahr&#x017F;cheinlich&#x017F;te Ur&#x017F;ache des &#x017F;chnellen Puls&#x017F;chlags, des Herzklopfens und der Anwandlungen von Ohnmacht bey allzu&#x017F;chneller Bewegung auf hohen Bergen. Weil aber die Gefa&#x0364;ße &#x017F;o &#x017F;chwach auf das Blut wirken, &#x017F;o ho&#x0364;rt auch die Be&#x017F;chleunigung &#x017F;ogleich auf, wenn die Bewegung unterbrochen wird, an&#x017F;tatt, daß &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t durch die Ela&#x017F;ticita&#x0364;t der Gefa&#x0364;ße wu&#x0364;rde unterhalten werden. Auch die Schla&#x0364;frigkeit erkla&#x0364;rt er aus der Er&#x017F;chlaffung der Gefa&#x0364;ße, be&#x017F;onders derer des Gehirns, und bemerkt noch, daß die Bergluft auch die Haut ro&#x0364;the und angreife.</p>
              <p>Bey der Rei&#x017F;e auf den Montblanc im Jahre 1787 zeigten &#x017F;ich die vorerwa&#x0364;hnten Wirkungen in ho&#x0364;hern Graden. Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mußte u&#x0364;ber Nacht auf einer Schneefla&#x0364;che bleiben, welche 1995 Toi&#x017F;en u&#x0364;ber dem Meere lag, und wo das Barometer auf 17 Zoll 10 (29/32) Lin. &#x017F;tand. Die Fu&#x0364;hrer, ungemein &#x017F;tarke und abgeha&#x0364;rtete Ma&#x0364;nner, hatten kaum 5&#x2014;6 Schaufeln Schnee auf die Seite geworfen, als &#x017F;ie &#x017F;chon trotz aller An&#x017F;trengung geno&#x0364;thiget waren, inne zu halten. Einem von ihnen, der nach Wa&#x017F;&#x017F;er gegangen war, ward &#x017F;chlimm; er kam ohne Wa&#x017F;&#x017F;er zuru&#x0364;ck, und brachte den Abend unter den heftig&#x017F;ten Bea&#x0364;ng&#x017F;tigungen zu. Hr. v. S. &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;hlte &#x017F;ich ganz ermattet, &#x017F;o gewohnt er der Bergluft war, und &#x017F;o wohl er &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t auf Bergen der niedrigen Gegend befand. Auch erweckte die&#x017F;es Uebelbefinden bey allen einen brennenden Dur&#x017F;t.</p>
              <p>Der letzte Abhang, den man zu er&#x017F;teigen hatte, war nur unter 28&#x2014;29 Grad geneigt, und gar nicht gefa&#x0364;hrlich; allein die Kra&#x0364;fte waren fa&#x017F;t augenblicklich er&#x017F;cho&#x0364;pft, und nahe am Gipfel konnte Hr. v. S. nicht mehr als 15 bis 16 Schritte machen, ohne wieder Athem zu &#x017F;cho&#x0364;pfen, ja er bemerkte &#x017F;ogar von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Ohnmacht, welche ihn no&#x0364;thigten, &#x017F;ich niederzu&#x017F;etzen; &#x017F;o wie inde&#x017F;&#x017F;en das Athmen wieder in Gang kam, &#x017F;ammelten &#x017F;ich auch die Kra&#x0364;fte wieder.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0160] Bewegung der Muskeln in der ganzen Maſſe der fluͤßigen Theile hervorzubringen ſtrebt. Die Beſtrebung des Steigens muß daher den Umlauf des Bluts weit mehr, als in der Tiefe, beſchleunigen, und dieſes iſt wohl die wahrſcheinlichſte Urſache des ſchnellen Pulsſchlags, des Herzklopfens und der Anwandlungen von Ohnmacht bey allzuſchneller Bewegung auf hohen Bergen. Weil aber die Gefaͤße ſo ſchwach auf das Blut wirken, ſo hoͤrt auch die Beſchleunigung ſogleich auf, wenn die Bewegung unterbrochen wird, anſtatt, daß ſie ſonſt durch die Elaſticitaͤt der Gefaͤße wuͤrde unterhalten werden. Auch die Schlaͤfrigkeit erklaͤrt er aus der Erſchlaffung der Gefaͤße, beſonders derer des Gehirns, und bemerkt noch, daß die Bergluft auch die Haut roͤthe und angreife. Bey der Reiſe auf den Montblanc im Jahre 1787 zeigten ſich die vorerwaͤhnten Wirkungen in hoͤhern Graden. Die Geſellſchaft mußte uͤber Nacht auf einer Schneeflaͤche bleiben, welche 1995 Toiſen uͤber dem Meere lag, und wo das Barometer auf 17 Zoll 10 (29/32) Lin. ſtand. Die Fuͤhrer, ungemein ſtarke und abgehaͤrtete Maͤnner, hatten kaum 5—6 Schaufeln Schnee auf die Seite geworfen, als ſie ſchon trotz aller Anſtrengung genoͤthiget waren, inne zu halten. Einem von ihnen, der nach Waſſer gegangen war, ward ſchlimm; er kam ohne Waſſer zuruͤck, und brachte den Abend unter den heftigſten Beaͤngſtigungen zu. Hr. v. S. ſelbſt fuͤhlte ſich ganz ermattet, ſo gewohnt er der Bergluft war, und ſo wohl er ſich ſonſt auf Bergen der niedrigen Gegend befand. Auch erweckte dieſes Uebelbefinden bey allen einen brennenden Durſt. Der letzte Abhang, den man zu erſteigen hatte, war nur unter 28—29 Grad geneigt, und gar nicht gefaͤhrlich; allein die Kraͤfte waren faſt augenblicklich erſchoͤpft, und nahe am Gipfel konnte Hr. v. S. nicht mehr als 15 bis 16 Schritte machen, ohne wieder Athem zu ſchoͤpfen, ja er bemerkte ſogar von Zeit zu Zeit Anwandlungen von Ohnmacht, welche ihn noͤthigten, ſich niederzuſetzen; ſo wie indeſſen das Athmen wieder in Gang kam, ſammelten ſich auch die Kraͤfte wieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/160
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/160>, abgerufen am 30.04.2024.