Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Herr Pictet, dem es nicht an Stärke, Gewandtheit und Uebung im Bergsteigen fehlte, empfand doch allezeit, sobald er in die Höhe von 1400 Toisen über das Meer kam, Beklemmung und Eckel. Herr von Saussure selbst blieb davon befreyt, und mußte nur auf steilen Abhängen sehr oft ausruhen. Als beyde auf den Gipfel des Buet über einen mit weichem Schnee bedeckten Abhang stiegen, mußte Hr. v. S. nach 50, und Hr. P. nach 40 Schritten allemal ruhen. Man könnte die Ursache hievon in dem durch die Dünne der Luft erschwerten Athmen suchen, und sich entweder vorstellen, daß durch die leichtere Bergluft die Lungen nicht genug ausgedehnt, und die Werkzeuge der Respiration zu Ersetzung dieses Mangels zu stark angestrengt würden, oder daß nach der Theorie des D. Priestley das Blut von seinem Phlogiston nicht hinlänglich befreyt, und dadurch die ganze Oekonomie des Körpers in Unordnung gebracht werde. Allein Herr de Saussure ist nicht dieser Meynung. Man fühlt sich erschöpft, sagt er, aber nicht außer Athem. Der Mangel des Athems, der vom Steigen herrührt, zeigt sich auf niedrigen Bergen eben so, wie auf hohen, und bringt gar nicht die Wirkungen hervor, die man auf den letztern bemerkt; vielmehr athmet man auf diesen mit der größten Leichtigkeit, wenn man in Ruhe bleibt. Und endlich, wenn diese Ermattung von der gehemmten Respiration herkäme, wie wäre es möglich, daß eine Ruhe von wenig Augenblicken, bey der man doch dieselbe Luft athmet, die Kräfte so vollkommen wieder ersetzen könnte? Herr von Saussure will daher diese Wirkungen lieber von dem verminderten Drucke der Luft auf die Gefäße, und von ihrer dadurch veranlaßten Erschlaffung, herleiten. Der Druck der Atmosphäre, sagt er, preßt die Gefäße, verstärkt die Elasticität der Pulsadern, verdichtet die Wände der Gefäße, widersteht der Ausdünstung der feinern Säfte, und unterstützt aus allen diesen Ursachen die Kraft der Muskeln. Wird nun dieser Druck in der Höhe von 1250 Toisen um ein Viertel vermindert, so werden diese Wirkungen schwächer, die Gefäße drücken weniger auf die Flüßigkeiten, und leisten weniger Widerstand gegen die Beschleunigung, welche die Herr Pictet, dem es nicht an Staͤrke, Gewandtheit und Uebung im Bergſteigen fehlte, empfand doch allezeit, ſobald er in die Hoͤhe von 1400 Toiſen uͤber das Meer kam, Beklemmung und Eckel. Herr von Sauſſure ſelbſt blieb davon befreyt, und mußte nur auf ſteilen Abhaͤngen ſehr oft ausruhen. Als beyde auf den Gipfel des Buet uͤber einen mit weichem Schnee bedeckten Abhang ſtiegen, mußte Hr. v. S. nach 50, und Hr. P. nach 40 Schritten allemal ruhen. Man koͤnnte die Urſache hievon in dem durch die Duͤnne der Luft erſchwerten Athmen ſuchen, und ſich entweder vorſtellen, daß durch die leichtere Bergluft die Lungen nicht genug ausgedehnt, und die Werkzeuge der Reſpiration zu Erſetzung dieſes Mangels zu ſtark angeſtrengt wuͤrden, oder daß nach der Theorie des D. Prieſtley das Blut von ſeinem Phlogiſton nicht hinlaͤnglich befreyt, und dadurch die ganze Oekonomie des Koͤrpers in Unordnung gebracht werde. Allein Herr de Sauſſure iſt nicht dieſer Meynung. Man fuͤhlt ſich erſchoͤpft, ſagt er, aber nicht außer Athem. Der Mangel des Athems, der vom Steigen herruͤhrt, zeigt ſich auf niedrigen Bergen eben ſo, wie auf hohen, und bringt gar nicht die Wirkungen hervor, die man auf den letztern bemerkt; vielmehr athmet man auf dieſen mit der groͤßten Leichtigkeit, wenn man in Ruhe bleibt. Und endlich, wenn dieſe Ermattung von der gehemmten Reſpiration herkaͤme, wie waͤre es moͤglich, daß eine Ruhe von wenig Augenblicken, bey der man doch dieſelbe Luft athmet, die Kraͤfte ſo vollkommen wieder erſetzen koͤnnte? Herr von Sauſſure will daher dieſe Wirkungen lieber von dem verminderten Drucke der Luft auf die Gefaͤße, und von ihrer dadurch veranlaßten Erſchlaffung, herleiten. Der Druck der Atmoſphaͤre, ſagt er, preßt die Gefaͤße, verſtaͤrkt die Elaſticitaͤt der Pulsadern, verdichtet die Waͤnde der Gefaͤße, widerſteht der Ausduͤnſtung der feinern Saͤfte, und unterſtuͤtzt aus allen dieſen Urſachen die Kraft der Muskeln. Wird nun dieſer Druck in der Hoͤhe von 1250 Toiſen um ein Viertel vermindert, ſo werden dieſe Wirkungen ſchwaͤcher, die Gefaͤße druͤcken weniger auf die Fluͤßigkeiten, und leiſten weniger Widerſtand gegen die Beſchleunigung, welche die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0159" xml:id="P.5.147" n="147"/><lb/> </p> <p>Herr <hi rendition="#b">Pictet,</hi> dem es nicht an Staͤrke, Gewandtheit und Uebung im Bergſteigen fehlte, empfand doch allezeit, ſobald er in die Hoͤhe von 1400 Toiſen uͤber das Meer kam, Beklemmung und Eckel. Herr <hi rendition="#b">von Sauſſure</hi> ſelbſt blieb davon befreyt, und mußte nur auf ſteilen Abhaͤngen ſehr oft ausruhen. Als beyde auf den Gipfel des Buet uͤber einen mit weichem Schnee bedeckten Abhang ſtiegen, mußte Hr. v. S. nach 50, und Hr. 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Man koͤnnte die Urſache hievon in dem durch die Duͤnne der Luft erſchwerten Athmen ſuchen, und ſich entweder vorſtellen, daß durch die leichtere Bergluft die Lungen nicht genug ausgedehnt, und die Werkzeuge der Reſpiration zu Erſetzung dieſes Mangels zu ſtark angeſtrengt wuͤrden, oder daß nach der Theorie des D. Prieſtley das Blut von ſeinem Phlogiſton nicht hinlaͤnglich befreyt, und dadurch die ganze Oekonomie des Koͤrpers in Unordnung gebracht werde. Allein Herr de Sauſſure iſt nicht dieſer Meynung. Man fuͤhlt ſich erſchoͤpft, ſagt er, aber nicht außer Athem. Der Mangel des Athems, der vom Steigen herruͤhrt, zeigt ſich auf niedrigen Bergen eben ſo, wie auf hohen, und bringt gar nicht die Wirkungen hervor, die man auf den letztern bemerkt; vielmehr athmet man auf dieſen mit der groͤßten Leichtigkeit, wenn man in Ruhe bleibt. Und endlich, wenn dieſe Ermattung von der gehemmten Reſpiration herkaͤme, wie waͤre es moͤglich, daß eine Ruhe von wenig Augenblicken, bey der man doch dieſelbe Luft athmet, die Kraͤfte ſo vollkommen wieder erſetzen koͤnnte?
Herr von Sauſſure will daher dieſe Wirkungen lieber von dem verminderten Drucke der Luft auf die Gefaͤße, und von ihrer dadurch veranlaßten Erſchlaffung, herleiten. Der Druck der Atmoſphaͤre, ſagt er, preßt die Gefaͤße, verſtaͤrkt die Elaſticitaͤt der Pulsadern, verdichtet die Waͤnde der Gefaͤße, widerſteht der Ausduͤnſtung der feinern Saͤfte, und unterſtuͤtzt aus allen dieſen Urſachen die Kraft der Muskeln. Wird nun dieſer Druck in der Hoͤhe von 1250 Toiſen um ein Viertel vermindert, ſo werden dieſe Wirkungen ſchwaͤcher, die Gefaͤße druͤcken weniger auf die Fluͤßigkeiten, und leiſten weniger Widerſtand gegen die Beſchleunigung, welche die
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