Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


der Elasticität hat Herr Mayer schon bey mehrern ältern Naturlehrern, unter andern beym de Lanis (Magisterium naturae et artis. Brixiae, 1684. To. II. p. 222.) gefunden.

Das elektrische Abstoßen insbesondere läßt sich ebenfalls ganz leicht aus Anziehungen erklären. Herr Mayer erinnert hier vorläufig, daß allerdings die Luft Antheil daran habe, weil im luftleeren Raume, wie die genausten Versuche lehren, gar keine Repulsionen statt finden. Im luftleeren Raume verlieren die Korkkügelchen und der Drath sogleich ihre Elektricität, welche sich in großen und schönen Stralen mit der entgegengesetzten des Tellers der Luftpumpe vereiniget; die Luft aber läßt die Stoffe der elektrischen Materie schwer durch, und verstattet also, daß sie sich in Gestalt einer Atmosphäre um die Körper herum anhäufen können. Sind nun zwey Körper mit Atmosphären von einerley Flüßigkeit umgeben, so können sich die Atmosphären nicht mit einander vereinigen, weil sie ihre Gestalt ändern müßten, dieses aber wegen ihrer Anziehung zu den Substanzen, welche sie umgeben, nicht geschehen kan. Diese Anziehung widersteht einer jeden Aenderung in der regelmäßigen Gestalt dieser Atmosphären, also einer jeden Annäherung der Körper, welche mit ihnen umgeben sind. Bringt man diese mit Gewalt zusammen, so müssen sie sich nothwendig wieder von einander entfernen, und also sich abzustoßen scheinen. Dieses Abstoßen kan durch die Luft begünstiget werden; denn zwey Körper von einerley Elektricität müssen um so mehr einander zu fliehen genöthiget werden, als sich ihre Elektricität mit der entgegengesetzten der umgebenden Luft zu vereinigen strebt, weil dieses Bestreben am stärksten auf denjenigen Seiten beyder Körper statt finden muß, welche von einander abgekehrt sind.

Diese Betrachtungen werden hinreichen, die Unzulänglichkeit der bisherigen Beweise für die Existenz einer wirklich zurückstoßenden Kraft in der Natur zu erweisen. Es muß daher alles, was von solchen repellirenden oder ursprünglich expandirenden Kräften gesagt wird, blos als allgemeiner Ausdruck der Phänomene betrachtet werden. Herr Gren (Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 336.) nimmt zwar die


der Elaſticitaͤt hat Herr Mayer ſchon bey mehrern aͤltern Naturlehrern, unter andern beym de Lanis (Magiſterium naturae et artis. Brixiae, 1684. To. II. p. 222.) gefunden.

Das elektriſche Abſtoßen insbeſondere laͤßt ſich ebenfalls ganz leicht aus Anziehungen erklaͤren. Herr Mayer erinnert hier vorlaͤufig, daß allerdings die Luft Antheil daran habe, weil im luftleeren Raume, wie die genauſten Verſuche lehren, gar keine Repulſionen ſtatt finden. Im luftleeren Raume verlieren die Korkkuͤgelchen und der Drath ſogleich ihre Elektricitaͤt, welche ſich in großen und ſchoͤnen Stralen mit der entgegengeſetzten des Tellers der Luftpumpe vereiniget; die Luft aber laͤßt die Stoffe der elektriſchen Materie ſchwer durch, und verſtattet alſo, daß ſie ſich in Geſtalt einer Atmoſphaͤre um die Koͤrper herum anhaͤufen koͤnnen. Sind nun zwey Koͤrper mit Atmoſphaͤren von einerley Fluͤßigkeit umgeben, ſo koͤnnen ſich die Atmoſphaͤren nicht mit einander vereinigen, weil ſie ihre Geſtalt aͤndern muͤßten, dieſes aber wegen ihrer Anziehung zu den Subſtanzen, welche ſie umgeben, nicht geſchehen kan. Dieſe Anziehung widerſteht einer jeden Aenderung in der regelmaͤßigen Geſtalt dieſer Atmoſphaͤren, alſo einer jeden Annaͤherung der Koͤrper, welche mit ihnen umgeben ſind. Bringt man dieſe mit Gewalt zuſammen, ſo muͤſſen ſie ſich nothwendig wieder von einander entfernen, und alſo ſich abzuſtoßen ſcheinen. Dieſes Abſtoßen kan durch die Luft beguͤnſtiget werden; denn zwey Koͤrper von einerley Elektricitaͤt muͤſſen um ſo mehr einander zu fliehen genoͤthiget werden, als ſich ihre Elektricitaͤt mit der entgegengeſetzten der umgebenden Luft zu vereinigen ſtrebt, weil dieſes Beſtreben am ſtaͤrkſten auf denjenigen Seiten beyder Koͤrper ſtatt finden muß, welche von einander abgekehrt ſind.

Dieſe Betrachtungen werden hinreichen, die Unzulaͤnglichkeit der bisherigen Beweiſe fuͤr die Exiſtenz einer wirklich zuruͤckſtoßenden Kraft in der Natur zu erweiſen. Es muß daher alles, was von ſolchen repellirenden oder urſpruͤnglich expandirenden Kraͤften geſagt wird, blos als allgemeiner Ausdruck der Phaͤnomene betrachtet werden. Herr Gren (Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 336.) nimmt zwar die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1049" xml:id="P.5.1037" n="1037"/><lb/>
der Ela&#x017F;ticita&#x0364;t hat Herr <hi rendition="#b">Mayer</hi> &#x017F;chon bey mehrern a&#x0364;ltern Naturlehrern, unter andern beym <hi rendition="#b">de Lanis</hi> <hi rendition="#aq">(Magi&#x017F;terium naturae et artis. Brixiae, 1684. To. II. p. 222.)</hi> gefunden.</p>
              <p>Das <hi rendition="#b">elektri&#x017F;che Ab&#x017F;toßen</hi> insbe&#x017F;ondere la&#x0364;ßt &#x017F;ich ebenfalls ganz leicht aus Anziehungen erkla&#x0364;ren. Herr <hi rendition="#b">Mayer</hi> erinnert hier vorla&#x0364;ufig, daß allerdings die Luft Antheil daran habe, weil im luftleeren Raume, wie die genau&#x017F;ten Ver&#x017F;uche lehren, gar keine Repul&#x017F;ionen &#x017F;tatt finden. Im luftleeren Raume verlieren die Korkku&#x0364;gelchen und der Drath &#x017F;ogleich ihre Elektricita&#x0364;t, welche &#x017F;ich in großen und &#x017F;cho&#x0364;nen Stralen mit der entgegenge&#x017F;etzten des Tellers der Luftpumpe vereiniget; die Luft aber la&#x0364;ßt die Stoffe der elektri&#x017F;chen Materie &#x017F;chwer durch, und ver&#x017F;tattet al&#x017F;o, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in Ge&#x017F;talt einer Atmo&#x017F;pha&#x0364;re um die Ko&#x0364;rper herum anha&#x0364;ufen ko&#x0364;nnen. Sind nun zwey Ko&#x0364;rper mit Atmo&#x017F;pha&#x0364;ren von einerley Flu&#x0364;ßigkeit umgeben, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ich die Atmo&#x017F;pha&#x0364;ren nicht mit einander vereinigen, weil &#x017F;ie ihre Ge&#x017F;talt a&#x0364;ndern mu&#x0364;ßten, die&#x017F;es aber wegen ihrer Anziehung zu den Sub&#x017F;tanzen, welche &#x017F;ie umgeben, nicht ge&#x017F;chehen kan. Die&#x017F;e Anziehung wider&#x017F;teht einer jeden Aenderung in der regelma&#x0364;ßigen Ge&#x017F;talt die&#x017F;er Atmo&#x017F;pha&#x0364;ren, al&#x017F;o einer jeden Anna&#x0364;herung der Ko&#x0364;rper, welche mit ihnen umgeben &#x017F;ind. Bringt man die&#x017F;e mit Gewalt zu&#x017F;ammen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich nothwendig wieder von einander entfernen, und al&#x017F;o &#x017F;ich abzu&#x017F;toßen &#x017F;cheinen. Die&#x017F;es Ab&#x017F;toßen kan durch die Luft begu&#x0364;n&#x017F;tiget werden; denn zwey Ko&#x0364;rper von einerley Elektricita&#x0364;t mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en um &#x017F;o mehr einander zu fliehen geno&#x0364;thiget werden, als &#x017F;ich ihre Elektricita&#x0364;t mit der entgegenge&#x017F;etzten der umgebenden Luft zu vereinigen &#x017F;trebt, weil die&#x017F;es Be&#x017F;treben am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten auf denjenigen Seiten beyder Ko&#x0364;rper &#x017F;tatt finden muß, welche von einander abgekehrt &#x017F;ind.</p>
              <p>Die&#x017F;e Betrachtungen werden hinreichen, die Unzula&#x0364;nglichkeit der bisherigen Bewei&#x017F;e fu&#x0364;r die Exi&#x017F;tenz einer wirklich zuru&#x0364;ck&#x017F;toßenden Kraft in der Natur zu erwei&#x017F;en. Es muß daher alles, was von &#x017F;olchen repellirenden oder ur&#x017F;pru&#x0364;nglich expandirenden Kra&#x0364;ften ge&#x017F;agt wird, blos als allgemeiner Ausdruck der Pha&#x0364;nomene betrachtet werden. Herr <hi rendition="#b">Gren</hi> (Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 336.) nimmt zwar die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1037/1049] der Elaſticitaͤt hat Herr Mayer ſchon bey mehrern aͤltern Naturlehrern, unter andern beym de Lanis (Magiſterium naturae et artis. Brixiae, 1684. To. II. p. 222.) gefunden. Das elektriſche Abſtoßen insbeſondere laͤßt ſich ebenfalls ganz leicht aus Anziehungen erklaͤren. Herr Mayer erinnert hier vorlaͤufig, daß allerdings die Luft Antheil daran habe, weil im luftleeren Raume, wie die genauſten Verſuche lehren, gar keine Repulſionen ſtatt finden. Im luftleeren Raume verlieren die Korkkuͤgelchen und der Drath ſogleich ihre Elektricitaͤt, welche ſich in großen und ſchoͤnen Stralen mit der entgegengeſetzten des Tellers der Luftpumpe vereiniget; die Luft aber laͤßt die Stoffe der elektriſchen Materie ſchwer durch, und verſtattet alſo, daß ſie ſich in Geſtalt einer Atmoſphaͤre um die Koͤrper herum anhaͤufen koͤnnen. Sind nun zwey Koͤrper mit Atmoſphaͤren von einerley Fluͤßigkeit umgeben, ſo koͤnnen ſich die Atmoſphaͤren nicht mit einander vereinigen, weil ſie ihre Geſtalt aͤndern muͤßten, dieſes aber wegen ihrer Anziehung zu den Subſtanzen, welche ſie umgeben, nicht geſchehen kan. Dieſe Anziehung widerſteht einer jeden Aenderung in der regelmaͤßigen Geſtalt dieſer Atmoſphaͤren, alſo einer jeden Annaͤherung der Koͤrper, welche mit ihnen umgeben ſind. Bringt man dieſe mit Gewalt zuſammen, ſo muͤſſen ſie ſich nothwendig wieder von einander entfernen, und alſo ſich abzuſtoßen ſcheinen. Dieſes Abſtoßen kan durch die Luft beguͤnſtiget werden; denn zwey Koͤrper von einerley Elektricitaͤt muͤſſen um ſo mehr einander zu fliehen genoͤthiget werden, als ſich ihre Elektricitaͤt mit der entgegengeſetzten der umgebenden Luft zu vereinigen ſtrebt, weil dieſes Beſtreben am ſtaͤrkſten auf denjenigen Seiten beyder Koͤrper ſtatt finden muß, welche von einander abgekehrt ſind. Dieſe Betrachtungen werden hinreichen, die Unzulaͤnglichkeit der bisherigen Beweiſe fuͤr die Exiſtenz einer wirklich zuruͤckſtoßenden Kraft in der Natur zu erweiſen. Es muß daher alles, was von ſolchen repellirenden oder urſpruͤnglich expandirenden Kraͤften geſagt wird, blos als allgemeiner Ausdruck der Phaͤnomene betrachtet werden. Herr Gren (Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 336.) nimmt zwar die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1049
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 1037. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1049>, abgerufen am 23.05.2024.