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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Winde. Die kalte Luft der Pole fließt nach den wärmern Gegenden, und erhält durch die Umdrehung der Erde eine Abweichung von Osten nach Westen. Daher sind auf dem Eismeere die Ostwinde gewöhnlich. Unsere Ostwinde im Frühjahre kommen von den nach Osten zu liegenden gebirgigen kalten Ländern, die sich spät von der Sonne erwärmen, und im Frühjahre noch kältere Luft, als wir, haben. So herrschen auf dem mittelländischen Meere die Ostwinde wegen der hohen Gebirge der syrischen Küste, und die südlichen Winde auf dem rothen Meere im Winter entspringen wahrscheinlich auf den kalten Gebirgen von Abyssinien.

So brechen des Sommers wegen der Verschiedenheit der Sonnenwärme Winde aus beschatteten Thälern zwischen hohen Bergen, oder aus Oefnungen tiefer Berghöhlen, die desto heftiger werden, je mehr die Hitze des Tages zunimmt, gegen die Nacht aber aufhören. So verursacht die Erkältung der Luft unter den Wolken Winde, und wenn ein Land mehr von Gewölken beschattet, oder durch häufigere Regen erkältet wird, als ein anderes, so erheben sich vorzüglich im Sommer, zwischen beyden Winde, die sich gegen Abend legen und am folgenden Tage wieder anfangen.

Eine andere Art der Winde leitet Herr Hube seinem System gemäß aus starken und schnellen Auflösungen der Dünste von der ersten Art her (s. den Zus. des Art. Ausdünstung, oben S. 102.), wobey die Luft ihre eigenthümliche Schwere behält, oder wohl gar wegen der Erkältung durch die Auflösung noch schwerer wird, also von unten dahin fließt, wo sie den wenigsten Widerstand findet. So entstehen die Schneewinde, auch Winde aus regnenden Wolken, die über eine heiße, trockne und stille Luft wegziehen, ingleichen nach stillem und starkem Regen, wenn die Wolken sich zertheilen, nicht weniger Winde bey starken und hohen Wasserfällen.

Der merkwürdigste Wind dieser Art ist der schwache Ostwind, welcher sich bey stillem und heiterm Wetter kurz vor Sonnenaufgang zu erheben, und ein oder zwey Stunden


Winde. Die kalte Luft der Pole fließt nach den waͤrmern Gegenden, und erhaͤlt durch die Umdrehung der Erde eine Abweichung von Oſten nach Weſten. Daher ſind auf dem Eismeere die Oſtwinde gewoͤhnlich. Unſere Oſtwinde im Fruͤhjahre kommen von den nach Oſten zu liegenden gebirgigen kalten Laͤndern, die ſich ſpaͤt von der Sonne erwaͤrmen, und im Fruͤhjahre noch kaͤltere Luft, als wir, haben. So herrſchen auf dem mittellaͤndiſchen Meere die Oſtwinde wegen der hohen Gebirge der ſyriſchen Kuͤſte, und die ſuͤdlichen Winde auf dem rothen Meere im Winter entſpringen wahrſcheinlich auf den kalten Gebirgen von Abyſſinien.

So brechen des Sommers wegen der Verſchiedenheit der Sonnenwaͤrme Winde aus beſchatteten Thaͤlern zwiſchen hohen Bergen, oder aus Oefnungen tiefer Berghoͤhlen, die deſto heftiger werden, je mehr die Hitze des Tages zunimmt, gegen die Nacht aber aufhoͤren. So verurſacht die Erkaͤltung der Luft unter den Wolken Winde, und wenn ein Land mehr von Gewoͤlken beſchattet, oder durch haͤufigere Regen erkaͤltet wird, als ein anderes, ſo erheben ſich vorzuͤglich im Sommer, zwiſchen beyden Winde, die ſich gegen Abend legen und am folgenden Tage wieder anfangen.

Eine andere Art der Winde leitet Herr Hube ſeinem Syſtem gemaͤß aus ſtarken und ſchnellen Aufloͤſungen der Duͤnſte von der erſten Art her (ſ. den Zuſ. des Art. Ausduͤnſtung, oben S. 102.), wobey die Luft ihre eigenthuͤmliche Schwere behaͤlt, oder wohl gar wegen der Erkaͤltung durch die Aufloͤſung noch ſchwerer wird, alſo von unten dahin fließt, wo ſie den wenigſten Widerſtand findet. So entſtehen die Schneewinde, auch Winde aus regnenden Wolken, die uͤber eine heiße, trockne und ſtille Luft wegziehen, ingleichen nach ſtillem und ſtarkem Regen, wenn die Wolken ſich zertheilen, nicht weniger Winde bey ſtarken und hohen Waſſerfaͤllen.

Der merkwuͤrdigſte Wind dieſer Art iſt der ſchwache Oſtwind, welcher ſich bey ſtillem und heiterm Wetter kurz vor Sonnenaufgang zu erheben, und ein oder zwey Stunden

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[1020/1032] Winde. Die kalte Luft der Pole fließt nach den waͤrmern Gegenden, und erhaͤlt durch die Umdrehung der Erde eine Abweichung von Oſten nach Weſten. Daher ſind auf dem Eismeere die Oſtwinde gewoͤhnlich. Unſere Oſtwinde im Fruͤhjahre kommen von den nach Oſten zu liegenden gebirgigen kalten Laͤndern, die ſich ſpaͤt von der Sonne erwaͤrmen, und im Fruͤhjahre noch kaͤltere Luft, als wir, haben. So herrſchen auf dem mittellaͤndiſchen Meere die Oſtwinde wegen der hohen Gebirge der ſyriſchen Kuͤſte, und die ſuͤdlichen Winde auf dem rothen Meere im Winter entſpringen wahrſcheinlich auf den kalten Gebirgen von Abyſſinien. So brechen des Sommers wegen der Verſchiedenheit der Sonnenwaͤrme Winde aus beſchatteten Thaͤlern zwiſchen hohen Bergen, oder aus Oefnungen tiefer Berghoͤhlen, die deſto heftiger werden, je mehr die Hitze des Tages zunimmt, gegen die Nacht aber aufhoͤren. So verurſacht die Erkaͤltung der Luft unter den Wolken Winde, und wenn ein Land mehr von Gewoͤlken beſchattet, oder durch haͤufigere Regen erkaͤltet wird, als ein anderes, ſo erheben ſich vorzuͤglich im Sommer, zwiſchen beyden Winde, die ſich gegen Abend legen und am folgenden Tage wieder anfangen. Eine andere Art der Winde leitet Herr Hube ſeinem Syſtem gemaͤß aus ſtarken und ſchnellen Aufloͤſungen der Duͤnſte von der erſten Art her (ſ. den Zuſ. des Art. Ausduͤnſtung, oben S. 102.), wobey die Luft ihre eigenthuͤmliche Schwere behaͤlt, oder wohl gar wegen der Erkaͤltung durch die Aufloͤſung noch ſchwerer wird, alſo von unten dahin fließt, wo ſie den wenigſten Widerſtand findet. So entſtehen die Schneewinde, auch Winde aus regnenden Wolken, die uͤber eine heiße, trockne und ſtille Luft wegziehen, ingleichen nach ſtillem und ſtarkem Regen, wenn die Wolken ſich zertheilen, nicht weniger Winde bey ſtarken und hohen Waſſerfaͤllen. Der merkwuͤrdigſte Wind dieſer Art iſt der ſchwache Oſtwind, welcher ſich bey ſtillem und heiterm Wetter kurz vor Sonnenaufgang zu erheben, und ein oder zwey Stunden

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 1020. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1032>, abgerufen am 23.11.2024.