Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


angewandte Kraft vermindert. Dieses scheint mit der im Wörterbuche gegebnen Erklärung sehr wohl übereinzustimmen: denn eine solche Verminderung der Kraft kan geschehen 1) durch Verwendung der Kraft selbst auf Hervorbringung von Wirkungen, 2) durch Hinzukommen einer neuen entgegengesetzten Kraft. In beyden Fällen wird die Kraft vermindert; in beyden wird sie auch so verwendet, daß sie andere Wirkungen ganz oder zum Theil nicht mehr äussern kan: beydemal scheint also, sowohl nach Herrn Gren, als nach der gewöhnlichen Erklärung, Widerstand vorhanden zu seyn.

Man pflegt sogar, wie ich S. 745. erinnert habe, dasjenige vorzüglich Widerstand zu nennen, was an sich keine Bewegung hervorbringt, sondern nur andere Bewegungen hindert, was also eigentlich nicht Kraft ist, sondern nur zum Behuf der Rechnung als Kraft betrachtet, und von Herrn Kästner so schicklich ein Wiederhall anderer Kräfte genannt wird. Eine entgegenwirkende Kraft, die selbst Bewegung hervorzubringen strebt, verhält sich ganz anders als dieser Widerstand; sie wirkt immer soviel, als ihrer Größe gemäß ist, da hingegen der Widerstand nur das thut, wozu er aufgefordert wird. In diesem Sinne redet man vom Widerstand träger Mittel, und schreibt der Trägheit Widerstand zu, nicht als ob man ihr damit eine Kraft beylegt, sondern eben darum, weil man sie von Kraft unterscheidet.

Herr Gren hingegen will gerade umgekehrt nur da Widerstand zugeben, wo eine Kraft durch Hinzukommen neuer entgegengesetzter Kräfte vermindert wird. In den angeführten Fällen hingegen, wo die bisherige Mechanik den Namen Widerstand vorzüglich brauchte, z. B. bey blos trägen Massen, will er die Idee von Widerstand gänzlich verbannen. Es ist nöthig, hierüber seine eignen Worte anzuführen.

"Aus dem Begriff der Trägheit fließt nicht, daß der "Körper, um aus Ruhe in Bewegung, oder aus Bewe"gung in Ruhe gebracht zu werden, Widerstand leiste. "Widerstand setzt Kraft voraus; die bloß trägen Kör"per müßten also, um bey Ruhe oder Bewegung zu wider"stehen,


angewandte Kraft vermindert. Dieſes ſcheint mit der im Woͤrterbuche gegebnen Erklaͤrung ſehr wohl uͤbereinzuſtimmen: denn eine ſolche Verminderung der Kraft kan geſchehen 1) durch Verwendung der Kraft ſelbſt auf Hervorbringung von Wirkungen, 2) durch Hinzukommen einer neuen entgegengeſetzten Kraft. In beyden Faͤllen wird die Kraft vermindert; in beyden wird ſie auch ſo verwendet, daß ſie andere Wirkungen ganz oder zum Theil nicht mehr aͤuſſern kan: beydemal ſcheint alſo, ſowohl nach Herrn Gren, als nach der gewoͤhnlichen Erklaͤrung, Widerſtand vorhanden zu ſeyn.

Man pflegt ſogar, wie ich S. 745. erinnert habe, dasjenige vorzuͤglich Widerſtand zu nennen, was an ſich keine Bewegung hervorbringt, ſondern nur andere Bewegungen hindert, was alſo eigentlich nicht Kraft iſt, ſondern nur zum Behuf der Rechnung als Kraft betrachtet, und von Herrn Kaͤſtner ſo ſchicklich ein Wiederhall anderer Kraͤfte genannt wird. Eine entgegenwirkende Kraft, die ſelbſt Bewegung hervorzubringen ſtrebt, verhaͤlt ſich ganz anders als dieſer Widerſtand; ſie wirkt immer ſoviel, als ihrer Groͤße gemaͤß iſt, da hingegen der Widerſtand nur das thut, wozu er aufgefordert wird. In dieſem Sinne redet man vom Widerſtand traͤger Mittel, und ſchreibt der Traͤgheit Widerſtand zu, nicht als ob man ihr damit eine Kraft beylegt, ſondern eben darum, weil man ſie von Kraft unterſcheidet.

Herr Gren hingegen will gerade umgekehrt nur da Widerſtand zugeben, wo eine Kraft durch Hinzukommen neuer entgegengeſetzter Kraͤfte vermindert wird. In den angefuͤhrten Faͤllen hingegen, wo die bisherige Mechanik den Namen Widerſtand vorzuͤglich brauchte, z. B. bey blos traͤgen Maſſen, will er die Idee von Widerſtand gaͤnzlich verbannen. Es iſt noͤthig, hieruͤber ſeine eignen Worte anzufuͤhren.

”Aus dem Begriff der Traͤgheit fließt nicht, daß der ”Koͤrper, um aus Ruhe in Bewegung, oder aus Bewe”gung in Ruhe gebracht zu werden, Widerſtand leiſte. ”Widerſtand ſetzt Kraft voraus; die bloß traͤgen Koͤr”per muͤßten alſo, um bey Ruhe oder Bewegung zu wider”ſtehen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1024" xml:id="P.5.1012" n="1012"/><lb/>
angewandte Kraft vermindert. Die&#x017F;es &#x017F;cheint mit der im Wo&#x0364;rterbuche gegebnen Erkla&#x0364;rung &#x017F;ehr wohl u&#x0364;bereinzu&#x017F;timmen: denn eine &#x017F;olche Verminderung der Kraft kan ge&#x017F;chehen 1) durch Verwendung der Kraft &#x017F;elb&#x017F;t auf Hervorbringung von Wirkungen, 2) durch Hinzukommen einer neuen entgegenge&#x017F;etzten Kraft. In beyden Fa&#x0364;llen wird die Kraft vermindert; in beyden wird &#x017F;ie auch &#x017F;o verwendet, daß &#x017F;ie andere Wirkungen ganz oder zum Theil nicht mehr a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern kan: beydemal &#x017F;cheint al&#x017F;o, &#x017F;owohl nach Herrn <hi rendition="#b">Gren,</hi> als nach der gewo&#x0364;hnlichen Erkla&#x0364;rung, <hi rendition="#b">Wider&#x017F;tand</hi> vorhanden zu &#x017F;eyn.</p>
              <p>Man pflegt &#x017F;ogar, wie ich S. 745. erinnert habe, dasjenige vorzu&#x0364;glich <hi rendition="#b">Wider&#x017F;tand</hi> zu nennen, was an &#x017F;ich keine Bewegung hervorbringt, &#x017F;ondern nur andere Bewegungen hindert, was al&#x017F;o eigentlich nicht <hi rendition="#b">Kraft</hi> i&#x017F;t, &#x017F;ondern nur zum Behuf der Rechnung als Kraft betrachtet, und von Herrn <hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner</hi> &#x017F;o &#x017F;chicklich ein Wiederhall anderer Kra&#x0364;fte genannt wird. Eine entgegenwirkende Kraft, die &#x017F;elb&#x017F;t Bewegung hervorzubringen &#x017F;trebt, verha&#x0364;lt &#x017F;ich ganz anders als die&#x017F;er Wider&#x017F;tand; &#x017F;ie wirkt immer &#x017F;oviel, als ihrer Gro&#x0364;ße gema&#x0364;ß i&#x017F;t, da hingegen der Wider&#x017F;tand nur das thut, wozu er aufgefordert wird. In die&#x017F;em Sinne redet man vom Wider&#x017F;tand tra&#x0364;ger Mittel, und &#x017F;chreibt der Tra&#x0364;gheit Wider&#x017F;tand zu, nicht als ob man ihr damit eine Kraft beylegt, &#x017F;ondern eben darum, weil man &#x017F;ie von Kraft unter&#x017F;cheidet.</p>
              <p>Herr <hi rendition="#b">Gren</hi> hingegen will gerade umgekehrt nur da Wider&#x017F;tand zugeben, wo eine Kraft durch Hinzukommen neuer entgegenge&#x017F;etzter Kra&#x0364;fte vermindert wird. In den angefu&#x0364;hrten Fa&#x0364;llen hingegen, wo die bisherige Mechanik den Namen Wider&#x017F;tand vorzu&#x0364;glich brauchte, z. B. bey blos tra&#x0364;gen Ma&#x017F;&#x017F;en, will er die Idee von Wider&#x017F;tand ga&#x0364;nzlich verbannen. Es i&#x017F;t no&#x0364;thig, hieru&#x0364;ber &#x017F;eine eignen Worte anzufu&#x0364;hren.</p>
              <p>&#x201D;Aus dem Begriff der Tra&#x0364;gheit fließt nicht, daß der &#x201D;Ko&#x0364;rper, um aus Ruhe in Bewegung, oder aus Bewe&#x201D;gung in Ruhe gebracht zu werden, Wider&#x017F;tand lei&#x017F;te. &#x201D;<hi rendition="#b">Wider&#x017F;tand &#x017F;etzt Kraft voraus;</hi> die bloß tra&#x0364;gen Ko&#x0364;r&#x201D;per mu&#x0364;ßten al&#x017F;o, um bey Ruhe oder Bewegung zu wider&#x201D;&#x017F;tehen,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1012/1024] angewandte Kraft vermindert. Dieſes ſcheint mit der im Woͤrterbuche gegebnen Erklaͤrung ſehr wohl uͤbereinzuſtimmen: denn eine ſolche Verminderung der Kraft kan geſchehen 1) durch Verwendung der Kraft ſelbſt auf Hervorbringung von Wirkungen, 2) durch Hinzukommen einer neuen entgegengeſetzten Kraft. In beyden Faͤllen wird die Kraft vermindert; in beyden wird ſie auch ſo verwendet, daß ſie andere Wirkungen ganz oder zum Theil nicht mehr aͤuſſern kan: beydemal ſcheint alſo, ſowohl nach Herrn Gren, als nach der gewoͤhnlichen Erklaͤrung, Widerſtand vorhanden zu ſeyn. Man pflegt ſogar, wie ich S. 745. erinnert habe, dasjenige vorzuͤglich Widerſtand zu nennen, was an ſich keine Bewegung hervorbringt, ſondern nur andere Bewegungen hindert, was alſo eigentlich nicht Kraft iſt, ſondern nur zum Behuf der Rechnung als Kraft betrachtet, und von Herrn Kaͤſtner ſo ſchicklich ein Wiederhall anderer Kraͤfte genannt wird. Eine entgegenwirkende Kraft, die ſelbſt Bewegung hervorzubringen ſtrebt, verhaͤlt ſich ganz anders als dieſer Widerſtand; ſie wirkt immer ſoviel, als ihrer Groͤße gemaͤß iſt, da hingegen der Widerſtand nur das thut, wozu er aufgefordert wird. In dieſem Sinne redet man vom Widerſtand traͤger Mittel, und ſchreibt der Traͤgheit Widerſtand zu, nicht als ob man ihr damit eine Kraft beylegt, ſondern eben darum, weil man ſie von Kraft unterſcheidet. Herr Gren hingegen will gerade umgekehrt nur da Widerſtand zugeben, wo eine Kraft durch Hinzukommen neuer entgegengeſetzter Kraͤfte vermindert wird. In den angefuͤhrten Faͤllen hingegen, wo die bisherige Mechanik den Namen Widerſtand vorzuͤglich brauchte, z. B. bey blos traͤgen Maſſen, will er die Idee von Widerſtand gaͤnzlich verbannen. Es iſt noͤthig, hieruͤber ſeine eignen Worte anzufuͤhren. ”Aus dem Begriff der Traͤgheit fließt nicht, daß der ”Koͤrper, um aus Ruhe in Bewegung, oder aus Bewe”gung in Ruhe gebracht zu werden, Widerſtand leiſte. ”Widerſtand ſetzt Kraft voraus; die bloß traͤgen Koͤr”per muͤßten alſo, um bey Ruhe oder Bewegung zu wider”ſtehen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1024
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 1012. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1024>, abgerufen am 18.05.2024.