Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Wenn sich nemlich ein Lichttheilchen der Spiegelfläche unter einem schiefen Winkel nähert, so wird seine Bahn durch die Wirkung der Repulsion gekrümmt, und in die Gestalt einer Curve gebracht, welche ihre erhabne Seite auf die reflectirende Fläche zu kehrt. Sobald die Krümmung so stark geworden ist, daß das Lichttheilchen nun eine der Spiegelfläche selbst parallele Richtung erhalten hat, so kan es sich dieser Fläche nicht weiter nähern; es muß vielmehr eine zwote, der ersten gleiche und ähnliche, Helfte seiner krummlinichten Bahn beschreiben, vom Spiegel zurückweichen, und endlich, wenn es dessen Wirkungskreis verläßt, geradlinicht in einer Tangente der Curve fortgehen, von der man leicht übersieht, daß sie gegen die Spiegelfläche auf der entgegengesetzten Seite unter einem eben so großen Winkel, als der Einfallswinkel war, geneigt seyn muß. Jeder Stral wird desto tiefer in den Wirkungskreis der Repulsion eindringen, je gerader er einfällt, oder je mehr sich seine Richtung dem Einfallslothe nähert; und da die Repulsion in einem weit stärkern Verhältnisse wächst, als der Abstand von der Fläche abnimmt, so wird ihr Vermögen stark genug seyn, um selbst die Bewegung des lothrecht einfallenden Strals nicht blos zu retardiren, sondern sogar aufzuheben, und den Stral geradlinicht zurückzutreiben. Vielleicht ließe sich sogar die Vorstellung von Repulsion vermeiden, und in den Begrif einer stärkern Anziehung von der entgegengesetzten Seite verwandeln, wenn man annähme, daß das Licht von allen durchsichtigen Körpern ungemein viel stärker, als von den undurchsichtigen, angezogen
Wenn ſich nemlich ein Lichttheilchen der Spiegelflaͤche unter einem ſchiefen Winkel naͤhert, ſo wird ſeine Bahn durch die Wirkung der Repulſion gekruͤmmt, und in die Geſtalt einer Curve gebracht, welche ihre erhabne Seite auf die reflectirende Flaͤche zu kehrt. Sobald die Kruͤmmung ſo ſtark geworden iſt, daß das Lichttheilchen nun eine der Spiegelflaͤche ſelbſt parallele Richtung erhalten hat, ſo kan es ſich dieſer Flaͤche nicht weiter naͤhern; es muß vielmehr eine zwote, der erſten gleiche und aͤhnliche, Helfte ſeiner krummlinichten Bahn beſchreiben, vom Spiegel zuruͤckweichen, und endlich, wenn es deſſen Wirkungskreis verlaͤßt, geradlinicht in einer Tangente der Curve fortgehen, von der man leicht uͤberſieht, daß ſie gegen die Spiegelflaͤche auf der entgegengeſetzten Seite unter einem eben ſo großen Winkel, als der Einfallswinkel war, geneigt ſeyn muß. Jeder Stral wird deſto tiefer in den Wirkungskreis der Repulſion eindringen, je gerader er einfaͤllt, oder je mehr ſich ſeine Richtung dem Einfallslothe naͤhert; und da die Repulſion in einem weit ſtaͤrkern Verhaͤltniſſe waͤchſt, als der Abſtand von der Flaͤche abnimmt, ſo wird ihr Vermoͤgen ſtark genug ſeyn, um ſelbſt die Bewegung des lothrecht einfallenden Strals nicht blos zu retardiren, ſondern ſogar aufzuheben, und den Stral geradlinicht zuruͤckzutreiben. Vielleicht ließe ſich ſogar die Vorſtellung von Repulſion vermeiden, und in den Begrif einer ſtaͤrkern Anziehung von der entgegengeſetzten Seite verwandeln, wenn man annaͤhme, daß das Licht von allen durchſichtigen Koͤrpern ungemein viel ſtaͤrker, als von den undurchſichtigen, angezogen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0923" xml:id="P.4.913" n="913"/><lb/> der Erklaͤrungen erforderte. Denkt man ſich aber unter einer ſolchen Repulſion nichts weiter, als einen bequemen Ausdruck zu Bezeichnung vieler Phaͤnomene, der ſo viel ſagen will, daß ſich alles ſo verhalte, als ob das Licht von der vereinten Kraft der ganzen Spiegelflaͤche abgeſtoßen wuͤrde, wobey man unentſchieden laͤßt, was die phyſiſche Urſache dieſes Verhaltens ſey, ſo werden die Erklaͤrungen ſehr paſſend, und mit allen Geſetzen der Mechanik vollkommen uͤbereinſtimmend.</p> <p>Wenn ſich nemlich ein Lichttheilchen der Spiegelflaͤche unter einem ſchiefen Winkel naͤhert, ſo wird ſeine Bahn durch die Wirkung der Repulſion gekruͤmmt, und in die Geſtalt einer Curve gebracht, welche ihre erhabne Seite auf die reflectirende Flaͤche zu kehrt. Sobald die Kruͤmmung ſo ſtark geworden iſt, daß das Lichttheilchen nun eine der Spiegelflaͤche ſelbſt parallele Richtung erhalten hat, ſo kan es ſich dieſer Flaͤche nicht weiter naͤhern; es muß vielmehr eine zwote, der erſten gleiche und aͤhnliche, Helfte ſeiner krummlinichten Bahn beſchreiben, vom Spiegel zuruͤckweichen, und endlich, wenn es deſſen Wirkungskreis verlaͤßt, geradlinicht in einer Tangente der Curve fortgehen, von der man leicht uͤberſieht, daß ſie gegen die Spiegelflaͤche auf der entgegengeſetzten Seite unter einem eben ſo großen Winkel, als der Einfallswinkel war, geneigt ſeyn muß. Jeder Stral wird deſto tiefer in den Wirkungskreis der Repulſion eindringen, je gerader er einfaͤllt, oder je mehr ſich ſeine Richtung dem Einfallslothe naͤhert; und da die Repulſion in einem weit ſtaͤrkern Verhaͤltniſſe waͤchſt, als der Abſtand von der Flaͤche abnimmt, ſo wird ihr Vermoͤgen ſtark genug ſeyn, um ſelbſt die Bewegung des lothrecht einfallenden Strals nicht blos zu retardiren, ſondern ſogar aufzuheben, und den Stral geradlinicht zuruͤckzutreiben.</p> <p>Vielleicht ließe ſich ſogar die Vorſtellung von Repulſion vermeiden, und in den Begrif einer ſtaͤrkern Anziehung von der entgegengeſetzten Seite verwandeln, wenn man annaͤhme, daß das Licht von allen durchſichtigen Koͤrpern ungemein viel ſtaͤrker, als von den undurchſichtigen, angezogen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [913/0923]
der Erklaͤrungen erforderte. Denkt man ſich aber unter einer ſolchen Repulſion nichts weiter, als einen bequemen Ausdruck zu Bezeichnung vieler Phaͤnomene, der ſo viel ſagen will, daß ſich alles ſo verhalte, als ob das Licht von der vereinten Kraft der ganzen Spiegelflaͤche abgeſtoßen wuͤrde, wobey man unentſchieden laͤßt, was die phyſiſche Urſache dieſes Verhaltens ſey, ſo werden die Erklaͤrungen ſehr paſſend, und mit allen Geſetzen der Mechanik vollkommen uͤbereinſtimmend.
Wenn ſich nemlich ein Lichttheilchen der Spiegelflaͤche unter einem ſchiefen Winkel naͤhert, ſo wird ſeine Bahn durch die Wirkung der Repulſion gekruͤmmt, und in die Geſtalt einer Curve gebracht, welche ihre erhabne Seite auf die reflectirende Flaͤche zu kehrt. Sobald die Kruͤmmung ſo ſtark geworden iſt, daß das Lichttheilchen nun eine der Spiegelflaͤche ſelbſt parallele Richtung erhalten hat, ſo kan es ſich dieſer Flaͤche nicht weiter naͤhern; es muß vielmehr eine zwote, der erſten gleiche und aͤhnliche, Helfte ſeiner krummlinichten Bahn beſchreiben, vom Spiegel zuruͤckweichen, und endlich, wenn es deſſen Wirkungskreis verlaͤßt, geradlinicht in einer Tangente der Curve fortgehen, von der man leicht uͤberſieht, daß ſie gegen die Spiegelflaͤche auf der entgegengeſetzten Seite unter einem eben ſo großen Winkel, als der Einfallswinkel war, geneigt ſeyn muß. Jeder Stral wird deſto tiefer in den Wirkungskreis der Repulſion eindringen, je gerader er einfaͤllt, oder je mehr ſich ſeine Richtung dem Einfallslothe naͤhert; und da die Repulſion in einem weit ſtaͤrkern Verhaͤltniſſe waͤchſt, als der Abſtand von der Flaͤche abnimmt, ſo wird ihr Vermoͤgen ſtark genug ſeyn, um ſelbſt die Bewegung des lothrecht einfallenden Strals nicht blos zu retardiren, ſondern ſogar aufzuheben, und den Stral geradlinicht zuruͤckzutreiben.
Vielleicht ließe ſich ſogar die Vorſtellung von Repulſion vermeiden, und in den Begrif einer ſtaͤrkern Anziehung von der entgegengeſetzten Seite verwandeln, wenn man annaͤhme, daß das Licht von allen durchſichtigen Koͤrpern ungemein viel ſtaͤrker, als von den undurchſichtigen, angezogen
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