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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Zinn, Stannum, Etain.

Ein im Feuer nicht beständiges, ziemlich dehnbares Metall, von einer stark glänzenden weißen Farbe, die aber doch dunkler, als die des Silbers ist. Es ist nach dem Bleye das weichste und am wenigsten elastische unter allen Metallen, hat auch keine beträchtliche Zähigkeit, indem ein Zinnfaden von (1/10) Zoll Durchmesser nach Musschenbroek schon von 49 1/2 Pfund Gewicht zerreißt. Wenn man es beugt, oder zwischen den Zähnen drückt, so hört man ein ihm eignes Knirschen (stridor stanni, cri de l'etain); auch hat es gerieben oder erhitzt einen eigenthümlichen Geruch und widrigen Geschmack.

Seine specifische Schwere ist gering, und geht in den verschiedenen Sorten desselben von 7,180 bis 7,264, die des Wassers = 1 gesetzt. Das verkäufliche Zinn ist selten rein, und mit andern Metallen, am gewöhnlichsten mit Bley, vermischt, daher etwas schwerer.

Es ist sehr leichtflüßig, und schmelzt schon bey 420 Grad nach Fahrenheit lange vor dem Glühen. Beym Zutritte der Luft überzieht es sich im Flusse mit einem Häutchen von grauem Kalk, der Zinnkrätze (crasse de l'etain), in welche sich nach und nach das ganze Zinn mit 10 Procent Gewichtszunahme verwandelt. Diese kan sehr leicht wiederhergestellt werden, giebt aber durch fortgesetztes Ausglühen die weißere und strengflüßigere Zinnasche (cineres stanni, cendres de l'etain), welche zur Basis der weißen Email dienet, weil sie sich nicht bis zur Durchsichtigkeit verglaset. Diese ist weit schwerer zu reduciren, und wird zum Poliren der Gläser und Metallspiegel gebraucht. In ofnen Gefäßen bis zum Glühen erhitzt brennt das Zinn endlich mit einer kleinen hellweißen Flamme, und giebt einen weißen Dampf, der sich als ein glänzender nadelförmiger Kalk anlegt. Die Dämpfe, welche bey den Verkalkungen des Zinns aufsteigen, haben einen knoblauchartigen Geruch.

Luft und Wasser benehmen zwar der Oberfläche dieses Metalls nach und nach ihren Glanz; aber der leichte Rost, welcher sich daran erzeugt, bleibt doch immer nur dünn, und greift nie tief in die eigentliche Masse.


Zinn, Stannum, Etain.

Ein im Feuer nicht beſtaͤndiges, ziemlich dehnbares Metall, von einer ſtark glaͤnzenden weißen Farbe, die aber doch dunkler, als die des Silbers iſt. Es iſt nach dem Bleye das weichſte und am wenigſten elaſtiſche unter allen Metallen, hat auch keine betraͤchtliche Zaͤhigkeit, indem ein Zinnfaden von (1/10) Zoll Durchmeſſer nach Muſſchenbroek ſchon von 49 1/2 Pfund Gewicht zerreißt. Wenn man es beugt, oder zwiſchen den Zaͤhnen druͤckt, ſo hoͤrt man ein ihm eignes Knirſchen (ſtridor ſtanni, cri de l'étain); auch hat es gerieben oder erhitzt einen eigenthuͤmlichen Geruch und widrigen Geſchmack.

Seine ſpecifiſche Schwere iſt gering, und geht in den verſchiedenen Sorten deſſelben von 7,180 bis 7,264, die des Waſſers = 1 geſetzt. Das verkaͤufliche Zinn iſt ſelten rein, und mit andern Metallen, am gewoͤhnlichſten mit Bley, vermiſcht, daher etwas ſchwerer.

Es iſt ſehr leichtfluͤßig, und ſchmelzt ſchon bey 420 Grad nach Fahrenheit lange vor dem Gluͤhen. Beym Zutritte der Luft uͤberzieht es ſich im Fluſſe mit einem Haͤutchen von grauem Kalk, der Zinnkraͤtze (craſſe de l'étain), in welche ſich nach und nach das ganze Zinn mit 10 Procent Gewichtszunahme verwandelt. Dieſe kan ſehr leicht wiederhergeſtellt werden, giebt aber durch fortgeſetztes Ausgluͤhen die weißere und ſtrengfluͤßigere Zinnaſche (cineres ſtanni, cendres de l'étain), welche zur Baſis der weißen Email dienet, weil ſie ſich nicht bis zur Durchſichtigkeit verglaſet. Dieſe iſt weit ſchwerer zu reduciren, und wird zum Poliren der Glaͤſer und Metallſpiegel gebraucht. In ofnen Gefaͤßen bis zum Gluͤhen erhitzt brennt das Zinn endlich mit einer kleinen hellweißen Flamme, und giebt einen weißen Dampf, der ſich als ein glaͤnzender nadelfoͤrmiger Kalk anlegt. Die Daͤmpfe, welche bey den Verkalkungen des Zinns aufſteigen, haben einen knoblauchartigen Geruch.

Luft und Waſſer benehmen zwar der Oberflaͤche dieſes Metalls nach und nach ihren Glanz; aber der leichte Roſt, welcher ſich daran erzeugt, bleibt doch immer nur duͤnn, und greift nie tief in die eigentliche Maſſe.

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[871/0881] Zinn, Stannum, Etain. Ein im Feuer nicht beſtaͤndiges, ziemlich dehnbares Metall, von einer ſtark glaͤnzenden weißen Farbe, die aber doch dunkler, als die des Silbers iſt. Es iſt nach dem Bleye das weichſte und am wenigſten elaſtiſche unter allen Metallen, hat auch keine betraͤchtliche Zaͤhigkeit, indem ein Zinnfaden von (1/10) Zoll Durchmeſſer nach Muſſchenbroek ſchon von 49 1/2 Pfund Gewicht zerreißt. Wenn man es beugt, oder zwiſchen den Zaͤhnen druͤckt, ſo hoͤrt man ein ihm eignes Knirſchen (ſtridor ſtanni, cri de l'étain); auch hat es gerieben oder erhitzt einen eigenthuͤmlichen Geruch und widrigen Geſchmack. Seine ſpecifiſche Schwere iſt gering, und geht in den verſchiedenen Sorten deſſelben von 7,180 bis 7,264, die des Waſſers = 1 geſetzt. Das verkaͤufliche Zinn iſt ſelten rein, und mit andern Metallen, am gewoͤhnlichſten mit Bley, vermiſcht, daher etwas ſchwerer. Es iſt ſehr leichtfluͤßig, und ſchmelzt ſchon bey 420 Grad nach Fahrenheit lange vor dem Gluͤhen. Beym Zutritte der Luft uͤberzieht es ſich im Fluſſe mit einem Haͤutchen von grauem Kalk, der Zinnkraͤtze (craſſe de l'étain), in welche ſich nach und nach das ganze Zinn mit 10 Procent Gewichtszunahme verwandelt. Dieſe kan ſehr leicht wiederhergeſtellt werden, giebt aber durch fortgeſetztes Ausgluͤhen die weißere und ſtrengfluͤßigere Zinnaſche (cineres ſtanni, cendres de l'étain), welche zur Baſis der weißen Email dienet, weil ſie ſich nicht bis zur Durchſichtigkeit verglaſet. Dieſe iſt weit ſchwerer zu reduciren, und wird zum Poliren der Glaͤſer und Metallſpiegel gebraucht. In ofnen Gefaͤßen bis zum Gluͤhen erhitzt brennt das Zinn endlich mit einer kleinen hellweißen Flamme, und giebt einen weißen Dampf, der ſich als ein glaͤnzender nadelfoͤrmiger Kalk anlegt. Die Daͤmpfe, welche bey den Verkalkungen des Zinns aufſteigen, haben einen knoblauchartigen Geruch. Luft und Waſſer benehmen zwar der Oberflaͤche dieſes Metalls nach und nach ihren Glanz; aber der leichte Roſt, welcher ſich daran erzeugt, bleibt doch immer nur duͤnn, und greift nie tief in die eigentliche Maſſe.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 871. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/881>, abgerufen am 17.05.2024.