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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Mariotte und Leibnitz haben in dieser Theorie einige Abänderungen gemacht. Sie würde richtig seyn, wenn die Fibern plötzlich zerbrächen, und sich nicht vorher verlängerten. Sieht man aber auf diesen letztern Umstand, so muß in der Theorie statt des Schwerpunkts G ein anderer angenommen werden, weil sich alsdann der Widerstand jeder Fiber nicht, wie ihr Abstand von der Linie Aa, sondern, wie das Quadrat desselben, verhält. Varignon (Mem. de l'acad. des sc. 1702, 1705, 1709.) hat diesen Gegenstand mit hinreichender Allgemeinheit sehr schön behandelt; und Musschenbroek (Introd. ad cohaerentiam corporum firmorum, in ej. Diss. physicis, Lugd. Bat. 1729. 4 maj.) handelt von demselben ausführlich, und mit Anführung vieler Versuche.

Vom Widerstande flüßiger Materien s. den nächstfolgenden Artikel.

Montucla hist des Mathem. T. II. p. 269.

Widerstand der Mittel, Resistentia mediorum s. fludiorum, Resistance des milieux.

Feste Körper, die sich in einer flüßigen Materie, z. B. Wasser oder Luft, bewegen, müssen in jedem Augenblicke einen Theil ihrer Geschwindigkeit verlieren, weil sie nicht fortgehen können, ohne die in ihrem Wege liegenden trägen Theilchen des flüssigen Mittels aus der Stelle zu treiben. Es wiederfährt ihnen also eben das, was geschehen würde, wenn eine Kraft nach entgegengesetzter Richtung ihre Bewegung hinderte. Daher stellt man sich eine solche hindernde Kraft vor, und nennt dieselbe den Widerstand der Mittel.

Dieser rührt blos von der Trägheit her, da der im vorigen Artikel betrachtete Widerstand fester Körper vom Zusammenhange herkömmt. Flüßige Materien haben aber auch einigen, wiewohl geringen Zusammenhang, oder eine Zähigkeit, aus welcher gleichfalls ein Widerstand entstehen muß; daher schon im Voraus vermuthet werden kan, daß die blos auf Trägheit gebaute Theorie mit der Erfahrung nicht genau übereinstimmen werde.

Newton, dessen unerschöpflichem Erfindungsgeiste wir diese Theorie zu verdanken haben, hat dieselbe im zweyten


Mariotte und Leibnitz haben in dieſer Theorie einige Abaͤnderungen gemacht. Sie wuͤrde richtig ſeyn, wenn die Fibern ploͤtzlich zerbraͤchen, und ſich nicht vorher verlaͤngerten. Sieht man aber auf dieſen letztern Umſtand, ſo muß in der Theorie ſtatt des Schwerpunkts G ein anderer angenommen werden, weil ſich alsdann der Widerſtand jeder Fiber nicht, wie ihr Abſtand von der Linie Aa, ſondern, wie das Quadrat deſſelben, verhaͤlt. Varignon (Mém. de l'acad. des ſc. 1702, 1705, 1709.) hat dieſen Gegenſtand mit hinreichender Allgemeinheit ſehr ſchoͤn behandelt; und Muſſchenbroek (Introd. ad cohaerentiam corporum firmorum, in ej. Diſſ. phyſicis, Lugd. Bat. 1729. 4 maj.) handelt von demſelben ausfuͤhrlich, und mit Anfuͤhrung vieler Verſuche.

Vom Widerſtande fluͤßiger Materien ſ. den naͤchſtfolgenden Artikel.

Montucla hiſt des Mathem. T. II. p. 269.

Widerſtand der Mittel, Reſiſtentia mediorum ſ. fludiorum, Réſiſtance des milieux.

Feſte Koͤrper, die ſich in einer fluͤßigen Materie, z. B. Waſſer oder Luft, bewegen, muͤſſen in jedem Augenblicke einen Theil ihrer Geſchwindigkeit verlieren, weil ſie nicht fortgehen koͤnnen, ohne die in ihrem Wege liegenden traͤgen Theilchen des fluͤſſigen Mittels aus der Stelle zu treiben. Es wiederfaͤhrt ihnen alſo eben das, was geſchehen wuͤrde, wenn eine Kraft nach entgegengeſetzter Richtung ihre Bewegung hinderte. Daher ſtellt man ſich eine ſolche hindernde Kraft vor, und nennt dieſelbe den Widerſtand der Mittel.

Dieſer ruͤhrt blos von der Traͤgheit her, da der im vorigen Artikel betrachtete Widerſtand feſter Koͤrper vom Zuſammenhange herkoͤmmt. Fluͤßige Materien haben aber auch einigen, wiewohl geringen Zuſammenhang, oder eine Zaͤhigkeit, aus welcher gleichfalls ein Widerſtand entſtehen muß; daher ſchon im Voraus vermuthet werden kan, daß die blos auf Traͤgheit gebaute Theorie mit der Erfahrung nicht genau uͤbereinſtimmen werde.

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[747/0757] Mariotte und Leibnitz haben in dieſer Theorie einige Abaͤnderungen gemacht. Sie wuͤrde richtig ſeyn, wenn die Fibern ploͤtzlich zerbraͤchen, und ſich nicht vorher verlaͤngerten. Sieht man aber auf dieſen letztern Umſtand, ſo muß in der Theorie ſtatt des Schwerpunkts G ein anderer angenommen werden, weil ſich alsdann der Widerſtand jeder Fiber nicht, wie ihr Abſtand von der Linie Aa, ſondern, wie das Quadrat deſſelben, verhaͤlt. Varignon (Mém. de l'acad. des ſc. 1702, 1705, 1709.) hat dieſen Gegenſtand mit hinreichender Allgemeinheit ſehr ſchoͤn behandelt; und Muſſchenbroek (Introd. ad cohaerentiam corporum firmorum, in ej. Diſſ. phyſicis, Lugd. Bat. 1729. 4 maj.) handelt von demſelben ausfuͤhrlich, und mit Anfuͤhrung vieler Verſuche. Vom Widerſtande fluͤßiger Materien ſ. den naͤchſtfolgenden Artikel. Montucla hiſt des Mathem. T. II. p. 269. Widerſtand der Mittel, Reſiſtentia mediorum ſ. fludiorum, Réſiſtance des milieux. Feſte Koͤrper, die ſich in einer fluͤßigen Materie, z. B. Waſſer oder Luft, bewegen, muͤſſen in jedem Augenblicke einen Theil ihrer Geſchwindigkeit verlieren, weil ſie nicht fortgehen koͤnnen, ohne die in ihrem Wege liegenden traͤgen Theilchen des fluͤſſigen Mittels aus der Stelle zu treiben. Es wiederfaͤhrt ihnen alſo eben das, was geſchehen wuͤrde, wenn eine Kraft nach entgegengeſetzter Richtung ihre Bewegung hinderte. Daher ſtellt man ſich eine ſolche hindernde Kraft vor, und nennt dieſelbe den Widerſtand der Mittel. Dieſer ruͤhrt blos von der Traͤgheit her, da der im vorigen Artikel betrachtete Widerſtand feſter Koͤrper vom Zuſammenhange herkoͤmmt. Fluͤßige Materien haben aber auch einigen, wiewohl geringen Zuſammenhang, oder eine Zaͤhigkeit, aus welcher gleichfalls ein Widerſtand entſtehen muß; daher ſchon im Voraus vermuthet werden kan, daß die blos auf Traͤgheit gebaute Theorie mit der Erfahrung nicht genau uͤbereinſtimmen werde. Newton, deſſen unerſchoͤpflichem Erfindungsgeiſte wir dieſe Theorie zu verdanken haben, hat dieſelbe im zweyten

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/757>, abgerufen am 17.05.2024.