Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Vocalis nymphe, quae nec reticere loquenti, Nec prior ipsa loqui didicit, resonabilis Echo. s. Gegenwirkung. Zum Behuf der Rechnung aber wird es als eine entgegengesetzte Kraft betrachtet, und dles mit Recht, weil es doch in der That Bewegung hindert.

Man kan solchergestalt den Widerstand fester oder flüßiger Körper betrachten. Ueber den ersten, in sofern er aus der Festigkeit der Fibern entsteht, hat Galilei (Discorsi e dimostraz. matematiche intorno a due nuove scienze attenenti alla Mecanica. Leid. 1638.) Untersuchungen angestellt, welche sich vornehmlich auf das beziehen, was Musschenbroek in der Folge den respectiven Zusammenhang nannte, s. Cohäsion (Th. I. S. 518.). Wenn nach selner Theorie der Balken AL, Taf. XXVII. Fig. 82. an der Grundfläche A a b C fest, und G der Schwerpunkt dleser Grundfläche ist, so wird sich das Gewicht, welches bey P müßte angehangen werden, um den Balken zu zerbrechen, zu dem Gewichte, welches nöthig ist, ihn der Länge AP nach zu zerreißen, wie GD : AP verhalten. Galilei schließt hieraus, der Widerstand ähnlicher Körper gegen das Zerbrechen wachse in geringerm Verhältnisse, als ihre Massen oder Gewichte. Denn jener Widerstand wächst nur, wie die Quadratzahl, die Masse aber wie der Würfel ähnlich liegender Linien. Hieraus zieht er den merkwürdigen Schluß, daß man die Festigkeit der Theile in Maschinen nicht nach Modellen im Kleinen beurtheilen dürfe, indem die Maschine durch ihr eignes Gewicht zerbrechen kan, wenn gleich das Modell fest hält. Auch würde die Natur beym Bau der thierischen Körper eine gewisse Länge nicht überschreiten können, ohne die Knochen der Gefahr zu brechen auszusetzen; und es liegt hierinn der Grund, warum kleine Insekten oft von so beträchtlichen Höhen fallen, ohne ihre Glieder zu beschädigen. Eine andere merkwürdige Folge ist, daß ein hohler Cylinder dem Bruche stärker widersteht, als ein massiver von gleicher Grundfläche; daher die Natur die Knochen der Thiere, die Federn der Vögel, die Stengel der Pflanzen u. s. w. hohl gebildet hat.


Vocalis nymphe, quae nec reticere loquenti, Nec prior ipſa loqui didicit, reſonabilis Echo. ſ. Gegenwirkung. Zum Behuf der Rechnung aber wird es als eine entgegengeſetzte Kraft betrachtet, und dles mit Recht, weil es doch in der That Bewegung hindert.

Man kan ſolchergeſtalt den Widerſtand feſter oder fluͤßiger Koͤrper betrachten. Ueber den erſten, in ſofern er aus der Feſtigkeit der Fibern entſteht, hat Galilei (Diſcorſi e dimoſtraz. matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica. Leid. 1638.) Unterſuchungen angeſtellt, welche ſich vornehmlich auf das beziehen, was Muſſchenbroek in der Folge den reſpectiven Zuſammenhang nannte, ſ. Cohaͤſion (Th. I. S. 518.). Wenn nach ſelner Theorie der Balken AL, Taf. XXVII. Fig. 82. an der Grundflaͤche A a b C feſt, und G der Schwerpunkt dleſer Grundflaͤche iſt, ſo wird ſich das Gewicht, welches bey P muͤßte angehangen werden, um den Balken zu zerbrechen, zu dem Gewichte, welches noͤthig iſt, ihn der Laͤnge AP nach zu zerreißen, wie GD : AP verhalten. Galilei ſchließt hieraus, der Widerſtand aͤhnlicher Koͤrper gegen das Zerbrechen wachſe in geringerm Verhaͤltniſſe, als ihre Maſſen oder Gewichte. Denn jener Widerſtand waͤchſt nur, wie die Quadratzahl, die Maſſe aber wie der Wuͤrfel aͤhnlich liegender Linien. Hieraus zieht er den merkwuͤrdigen Schluß, daß man die Feſtigkeit der Theile in Maſchinen nicht nach Modellen im Kleinen beurtheilen duͤrfe, indem die Maſchine durch ihr eignes Gewicht zerbrechen kan, wenn gleich das Modell feſt haͤlt. Auch wuͤrde die Natur beym Bau der thieriſchen Koͤrper eine gewiſſe Laͤnge nicht uͤberſchreiten koͤnnen, ohne die Knochen der Gefahr zu brechen auszuſetzen; und es liegt hierinn der Grund, warum kleine Inſekten oft von ſo betraͤchtlichen Hoͤhen fallen, ohne ihre Glieder zu beſchaͤdigen. Eine andere merkwuͤrdige Folge iſt, daß ein hohler Cylinder dem Bruche ſtaͤrker widerſteht, als ein maſſiver von gleicher Grundflaͤche; daher die Natur die Knochen der Thiere, die Federn der Voͤgel, die Stengel der Pflanzen u. ſ. w. hohl gebildet hat.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0756" xml:id="P.4.746" n="746"/><lb/>
            </p>
            <p><hi rendition="#aq">Vocalis nymphe, quae nec reticere loquenti, Nec prior ip&#x017F;a loqui didicit, re&#x017F;onabilis Echo.</hi><hi rendition="#b">&#x017F;. Gegenwirkung.</hi> Zum Behuf der Rechnung aber wird es als eine entgegenge&#x017F;etzte Kraft betrachtet, und dles mit Recht, weil es doch in der That Bewegung hindert.</p>
            <p>Man kan &#x017F;olcherge&#x017F;talt den Wider&#x017F;tand <hi rendition="#b">fe&#x017F;ter</hi> oder <hi rendition="#b">flu&#x0364;ßiger</hi> Ko&#x0364;rper betrachten. Ueber den er&#x017F;ten, in &#x017F;ofern er aus der Fe&#x017F;tigkeit der Fibern ent&#x017F;teht, hat <hi rendition="#b">Galilei</hi> (<hi rendition="#aq">Di&#x017F;cor&#x017F;i e dimo&#x017F;traz. matematiche intorno a due nuove &#x017F;cienze attenenti alla Mecanica. Leid. 1638.</hi>) Unter&#x017F;uchungen ange&#x017F;tellt, welche &#x017F;ich vornehmlich auf das beziehen, was <hi rendition="#b">Mu&#x017F;&#x017F;chenbroek</hi> in der Folge den <hi rendition="#b">re&#x017F;pectiven Zu&#x017F;ammenhang</hi> nannte, <hi rendition="#b">&#x017F;. Coha&#x0364;&#x017F;ion</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 518.). Wenn nach &#x017F;elner Theorie der Balken <hi rendition="#aq">AL,</hi> Taf. <hi rendition="#aq">XXVII.</hi> Fig. 82. an der Grundfla&#x0364;che <hi rendition="#aq">A a b C</hi> fe&#x017F;t, und <hi rendition="#aq">G</hi> der Schwerpunkt dle&#x017F;er Grundfla&#x0364;che i&#x017F;t, &#x017F;o wird &#x017F;ich das Gewicht, welches bey <hi rendition="#aq">P</hi> mu&#x0364;ßte angehangen werden, um den Balken zu zerbrechen, zu dem Gewichte, welches no&#x0364;thig i&#x017F;t, ihn der La&#x0364;nge <hi rendition="#aq">AP</hi> nach zu zerreißen, wie <hi rendition="#aq">GD : AP</hi> verhalten. Galilei &#x017F;chließt hieraus, der Wider&#x017F;tand a&#x0364;hnlicher Ko&#x0364;rper gegen das Zerbrechen wach&#x017F;e in geringerm Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, als ihre Ma&#x017F;&#x017F;en oder Gewichte. Denn jener Wider&#x017F;tand wa&#x0364;ch&#x017F;t nur, wie die Quadratzahl, die Ma&#x017F;&#x017F;e aber wie der Wu&#x0364;rfel a&#x0364;hnlich liegender Linien. Hieraus zieht er den merkwu&#x0364;rdigen Schluß, daß man die Fe&#x017F;tigkeit der Theile in Ma&#x017F;chinen nicht nach Modellen im Kleinen beurtheilen du&#x0364;rfe, indem die Ma&#x017F;chine durch ihr eignes Gewicht zerbrechen kan, wenn gleich das Modell fe&#x017F;t ha&#x0364;lt. Auch wu&#x0364;rde die Natur beym Bau der thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rper eine gewi&#x017F;&#x017F;e La&#x0364;nge nicht u&#x0364;ber&#x017F;chreiten ko&#x0364;nnen, ohne die Knochen der Gefahr zu brechen auszu&#x017F;etzen; und es liegt hierinn der Grund, warum kleine In&#x017F;ekten oft von &#x017F;o betra&#x0364;chtlichen Ho&#x0364;hen fallen, ohne ihre Glieder zu be&#x017F;cha&#x0364;digen. Eine andere merkwu&#x0364;rdige Folge i&#x017F;t, daß ein hohler Cylinder dem Bruche &#x017F;ta&#x0364;rker wider&#x017F;teht, als ein ma&#x017F;&#x017F;iver von gleicher Grundfla&#x0364;che; daher die Natur die Knochen der Thiere, die Federn der Vo&#x0364;gel, die Stengel der Pflanzen u. &#x017F;. w. hohl gebildet hat.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[746/0756] Vocalis nymphe, quae nec reticere loquenti, Nec prior ipſa loqui didicit, reſonabilis Echo. ſ. Gegenwirkung. Zum Behuf der Rechnung aber wird es als eine entgegengeſetzte Kraft betrachtet, und dles mit Recht, weil es doch in der That Bewegung hindert. Man kan ſolchergeſtalt den Widerſtand feſter oder fluͤßiger Koͤrper betrachten. Ueber den erſten, in ſofern er aus der Feſtigkeit der Fibern entſteht, hat Galilei (Diſcorſi e dimoſtraz. matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica. Leid. 1638.) Unterſuchungen angeſtellt, welche ſich vornehmlich auf das beziehen, was Muſſchenbroek in der Folge den reſpectiven Zuſammenhang nannte, ſ. Cohaͤſion (Th. I. S. 518.). Wenn nach ſelner Theorie der Balken AL, Taf. XXVII. Fig. 82. an der Grundflaͤche A a b C feſt, und G der Schwerpunkt dleſer Grundflaͤche iſt, ſo wird ſich das Gewicht, welches bey P muͤßte angehangen werden, um den Balken zu zerbrechen, zu dem Gewichte, welches noͤthig iſt, ihn der Laͤnge AP nach zu zerreißen, wie GD : AP verhalten. Galilei ſchließt hieraus, der Widerſtand aͤhnlicher Koͤrper gegen das Zerbrechen wachſe in geringerm Verhaͤltniſſe, als ihre Maſſen oder Gewichte. Denn jener Widerſtand waͤchſt nur, wie die Quadratzahl, die Maſſe aber wie der Wuͤrfel aͤhnlich liegender Linien. Hieraus zieht er den merkwuͤrdigen Schluß, daß man die Feſtigkeit der Theile in Maſchinen nicht nach Modellen im Kleinen beurtheilen duͤrfe, indem die Maſchine durch ihr eignes Gewicht zerbrechen kan, wenn gleich das Modell feſt haͤlt. Auch wuͤrde die Natur beym Bau der thieriſchen Koͤrper eine gewiſſe Laͤnge nicht uͤberſchreiten koͤnnen, ohne die Knochen der Gefahr zu brechen auszuſetzen; und es liegt hierinn der Grund, warum kleine Inſekten oft von ſo betraͤchtlichen Hoͤhen fallen, ohne ihre Glieder zu beſchaͤdigen. Eine andere merkwuͤrdige Folge iſt, daß ein hohler Cylinder dem Bruche ſtaͤrker widerſteht, als ein maſſiver von gleicher Grundflaͤche; daher die Natur die Knochen der Thiere, die Federn der Voͤgel, die Stengel der Pflanzen u. ſ. w. hohl gebildet hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/756
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/756>, abgerufen am 20.05.2024.