Eben dieses führt Copernikus in einem eignen Capitel (cap. 6.) aus. Der Einwurf ist freylich nicht unwichtig, und läuft eigentlich auf den gänzlichen Mangel aller Parallaxe der Fixsterne hinaus: denn, was die Planeten betrift, so ist allerdings der scheinbare Horizont über den wahren um die Horizontalparallaxe erhoben, und theilt den Himmel in der That in ungleiche Helften, s. Parallaxe. Man hat diese Einwendung unter mehrern Gestalten vorgebracht; die Antwort ist aber immer dieselbe, daß der Abstand der Fixsterne unermeßlich und die ganze Erdkugel dagegen nur als ein Punkt zu betrachten sey. Diese unermeßliche Weite der Fixsterne ist ein wesentlicher Theil der copernikanischen Weltordnung, und aller Erklärungen in derselben. Ohne sie würde die parallel bleibende Weltaxe nicht immer einerley Stelle am Himmel treffen, sondern jährlich einen kleinen Kreis beschreiben, welches man an den Stellungen der Sterne gegen den Pol bemerken müßte. Horrebow glaubte zwar, so etwas wirklich zu finden, und dadurch den Copernikus auf eine andere Art zu vertheidigen: dies hielt nun zwar die Prüfung nicht aus, gab aber doch Anlaß zu einer andern weit siegreichern Bestätigung dieses Systems, s. Parallaxe der Erdbahn, Abirrung des Lichts.
Tycho fragt nun zwar, wozu die Verschwendung so ungeheurer Räume dienen solle? Allein erstens füllen die Kometenbahnen einen Theil davon aus, s. Kometen, und dann muß man nur nicht das zum Maaßstabe nehmen, was wir auf Erden groß nennen. Was ist denn der Mensch, der mit seinem Fünkchen Vernunft auf einem Punkte des Ganzen kriecht, und seine Maaße aus Anschauung eines Fußes zusammensetzt? Wie darf ein solcher Staub dem Schöpfer vorschreiben, was zu groß sey, weil es für ihn unermeßlich ist? Wie mag er sich unterwinden, dem Unendlichen und Unbeschränkten irgend eine Grenze für seine Schöpfung zu ziehen? Vielleicht mußten wegen der allgemeinen Schwere die Entfernungen so groß seyn, wenn die Planeten nicht merklich nach den Fixsternen gravitiren, und die Systeme einander nicht stören sollten.
Eben dieſes fuͤhrt Copernikus in einem eignen Capitel (cap. 6.) aus. Der Einwurf iſt freylich nicht unwichtig, und laͤuft eigentlich auf den gaͤnzlichen Mangel aller Parallaxe der Fixſterne hinaus: denn, was die Planeten betrift, ſo iſt allerdings der ſcheinbare Horizont uͤber den wahren um die Horizontalparallaxe erhoben, und theilt den Himmel in der That in ungleiche Helften, ſ. Parallaxe. Man hat dieſe Einwendung unter mehrern Geſtalten vorgebracht; die Antwort iſt aber immer dieſelbe, daß der Abſtand der Fixſterne unermeßlich und die ganze Erdkugel dagegen nur als ein Punkt zu betrachten ſey. Dieſe unermeßliche Weite der Fixſterne iſt ein weſentlicher Theil der copernikaniſchen Weltordnung, und aller Erklaͤrungen in derſelben. Ohne ſie wuͤrde die parallel bleibende Weltaxe nicht immer einerley Stelle am Himmel treffen, ſondern jaͤhrlich einen kleinen Kreis beſchreiben, welches man an den Stellungen der Sterne gegen den Pol bemerken muͤßte. Horrebow glaubte zwar, ſo etwas wirklich zu finden, und dadurch den Copernikus auf eine andere Art zu vertheidigen: dies hielt nun zwar die Pruͤfung nicht aus, gab aber doch Anlaß zu einer andern weit ſiegreichern Beſtaͤtigung dieſes Syſtems, ſ. Parallaxe der Erdbahn, Abirrung des Lichts.
Tycho fragt nun zwar, wozu die Verſchwendung ſo ungeheurer Raͤume dienen ſolle? Allein erſtens fuͤllen die Kometenbahnen einen Theil davon aus, ſ. Kometen, und dann muß man nur nicht das zum Maaßſtabe nehmen, was wir auf Erden groß nennen. Was iſt denn der Menſch, der mit ſeinem Fuͤnkchen Vernunft auf einem Punkte des Ganzen kriecht, und ſeine Maaße aus Anſchauung eines Fußes zuſammenſetzt? Wie darf ein ſolcher Staub dem Schoͤpfer vorſchreiben, was zu groß ſey, weil es fuͤr ihn unermeßlich iſt? Wie mag er ſich unterwinden, dem Unendlichen und Unbeſchraͤnkten irgend eine Grenze fuͤr ſeine Schoͤpfung zu ziehen? Vielleicht mußten wegen der allgemeinen Schwere die Entfernungen ſo groß ſeyn, wenn die Planeten nicht merklich nach den Fixſternen gravitiren, und die Syſteme einander nicht ſtoͤren ſollten.
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Eben dieſes fuͤhrt Copernikus in einem eignen Capitel (cap. 6.) aus. Der Einwurf iſt freylich nicht unwichtig, und laͤuft eigentlich auf den gaͤnzlichen Mangel aller Parallaxe der Fixſterne hinaus: denn, was die Planeten betrift, ſo iſt allerdings der ſcheinbare Horizont uͤber den wahren um die Horizontalparallaxe erhoben, und theilt den Himmel in der That in ungleiche Helften, ſ. Parallaxe. Man hat dieſe Einwendung unter mehrern Geſtalten vorgebracht; die Antwort iſt aber immer dieſelbe, daß der Abſtand der Fixſterne unermeßlich und die ganze Erdkugel dagegen nur als ein Punkt zu betrachten ſey. Dieſe unermeßliche Weite der Fixſterne iſt ein weſentlicher Theil der copernikaniſchen Weltordnung, und aller Erklaͤrungen in derſelben. Ohne ſie wuͤrde die parallel bleibende Weltaxe nicht immer einerley Stelle am Himmel treffen, ſondern jaͤhrlich einen kleinen Kreis beſchreiben, welches man an den Stellungen der Sterne gegen den Pol bemerken muͤßte. Horrebow glaubte zwar, ſo etwas wirklich zu finden, und dadurch den Copernikus auf eine andere Art zu vertheidigen: dies hielt nun zwar die Pruͤfung nicht aus, gab aber doch Anlaß zu einer andern weit ſiegreichern Beſtaͤtigung dieſes Syſtems, ſ. Parallaxe der Erdbahn, Abirrung des Lichts.
Tycho fragt nun zwar, wozu die Verſchwendung ſo ungeheurer Raͤume dienen ſolle? Allein erſtens fuͤllen die Kometenbahnen einen Theil davon aus, ſ. Kometen, und dann muß man nur nicht das zum Maaßſtabe nehmen, was wir auf Erden groß nennen. Was iſt denn der Menſch, der mit ſeinem Fuͤnkchen Vernunft auf einem Punkte des Ganzen kriecht, und ſeine Maaße aus Anſchauung eines Fußes zuſammenſetzt? Wie darf ein ſolcher Staub dem Schoͤpfer vorſchreiben, was zu groß ſey, weil es fuͤr ihn unermeßlich iſt? Wie mag er ſich unterwinden, dem Unendlichen und Unbeſchraͤnkten irgend eine Grenze fuͤr ſeine Schoͤpfung zu ziehen? Vielleicht mußten wegen der allgemeinen Schwere die Entfernungen ſo groß ſeyn, wenn die Planeten nicht merklich nach den Fixſternen gravitiren, und die Syſteme einander nicht ſtoͤren ſollten.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/737>, abgerufen am 22.11.2024.
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