Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


den dunkeln Theil, und eben so ist es hier mit allen übrigen Parallelkreisen. Daher haben nun alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Nächte.

Rückt die Erde nach einem Vierteljahre bis [Abbildung] , und sieht die Sonne in [Abbildung] , wie zur Zeit der Wintersonnenwende, so fällt nun vom Parallelkreise Ll nur ein kleiner Theil in die erleuchtete Helfte, und L hat kürzere Tage mit längern Nächten; dagegen ist der Fall für die Parallelkreise gegen den Südpol Q gerade umgekehrt. Jetzt geht auch die Linie nach der Sonne [Abbildung] S weit bey L vorbey, d. i. der Ort L sieht im Mittage die Sonne weit von seinem Scheitel in geringer Mittagshöhe. Daß endlich im Stande [Abbildung] , wo die Sonne in [Abbildung] oder im Frühlingspunkte gesehen wird, wiederum alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Nächte haben, fällt wie bey [Abbildung] , in die Augen.

Es würde sehr weitläuftig fallen, alle Phänomene dieses Wechsels auf gleiche Art durchzugehen, obgleich eine solche Beschäftigung, wenn man sie für sich selbst vornehmen will, sehr lehrreich seyn wird, um die wahre Bewandniß dessen einzusehen, was von Verbindung des Umlaufs mit der Umdrehung der Erde abhängt. Hier will ich nur noch bemerken, daß der Aequator AR in allen Stellen gerade zur Helfte im erleuchteten Theile liegt, also immer gleiche Tage und Nächte hat, daß der Nordpol P von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Hellen, von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Dunkeln bleibt, mithin sein Tag und seine Nacht ein halbes Jahr dauern, daß es sich mit dem Südpol Q auf die entgegengesetzte Art, übrigens eben so verhält, und daß aus der Figur auch sehr deutlich wird, warum die Orte um P und Q in der Nähe der Stellen [Abbildung] und [Abbildung] perpetuelle ganze Wochen und Monate dauernde Tage und Nächte haben. Diese Erklärung ist eben so vollständig, als einfach, und trägt gleich an der Stirn das unverkennbare Gepräge der Wahrheit, zumal wenn man dagegen die Erde ruhend annimmt, und nun auf Möglichkeit sinnt, sich alles dieses in eben dem Grade begreiflich zu machen.

Inzwischen hat Copernikus hiebey den Fehler be gangen, daß er zu Bewirkung der beständig parallelen


den dunkeln Theil, und eben ſo iſt es hier mit allen uͤbrigen Parallelkreiſen. Daher haben nun alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Naͤchte.

Ruͤckt die Erde nach einem Vierteljahre bis [Abbildung] , und ſieht die Sonne in [Abbildung] , wie zur Zeit der Winterſonnenwende, ſo faͤllt nun vom Parallelkreiſe Ll nur ein kleiner Theil in die erleuchtete Helfte, und L hat kuͤrzere Tage mit laͤngern Naͤchten; dagegen iſt der Fall fuͤr die Parallelkreiſe gegen den Suͤdpol Q gerade umgekehrt. Jetzt geht auch die Linie nach der Sonne [Abbildung] S weit bey L vorbey, d. i. der Ort L ſieht im Mittage die Sonne weit von ſeinem Scheitel in geringer Mittagshoͤhe. Daß endlich im Stande [Abbildung] , wo die Sonne in [Abbildung] oder im Fruͤhlingspunkte geſehen wird, wiederum alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Naͤchte haben, faͤllt wie bey [Abbildung] , in die Augen.

Es wuͤrde ſehr weitlaͤuftig fallen, alle Phaͤnomene dieſes Wechſels auf gleiche Art durchzugehen, obgleich eine ſolche Beſchaͤftigung, wenn man ſie fuͤr ſich ſelbſt vornehmen will, ſehr lehrreich ſeyn wird, um die wahre Bewandniß deſſen einzuſehen, was von Verbindung des Umlaufs mit der Umdrehung der Erde abhaͤngt. Hier will ich nur noch bemerken, daß der Aequator AR in allen Stellen gerade zur Helfte im erleuchteten Theile liegt, alſo immer gleiche Tage und Naͤchte hat, daß der Nordpol P von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Hellen, von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Dunkeln bleibt, mithin ſein Tag und ſeine Nacht ein halbes Jahr dauern, daß es ſich mit dem Suͤdpol Q auf die entgegengeſetzte Art, uͤbrigens eben ſo verhaͤlt, und daß aus der Figur auch ſehr deutlich wird, warum die Orte um P und Q in der Naͤhe der Stellen [Abbildung] und [Abbildung] perpetuelle ganze Wochen und Monate dauernde Tage und Naͤchte haben. Dieſe Erklaͤrung iſt eben ſo vollſtaͤndig, als einfach, und traͤgt gleich an der Stirn das unverkennbare Gepraͤge der Wahrheit, zumal wenn man dagegen die Erde ruhend annimmt, und nun auf Moͤglichkeit ſinnt, ſich alles dieſes in eben dem Grade begreiflich zu machen.

Inzwiſchen hat Copernikus hiebey den Fehler be gangen, daß er zu Bewirkung der beſtaͤndig parallelen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0732" xml:id="P.4.722" n="722"/><lb/>
den dunkeln Theil, und eben &#x017F;o i&#x017F;t es hier mit allen u&#x0364;brigen Parallelkrei&#x017F;en. Daher haben nun alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Na&#x0364;chte.</p>
            <p>Ru&#x0364;ckt die Erde nach einem Vierteljahre bis <figure/>, und &#x017F;ieht die Sonne in <figure/>, wie zur Zeit der Winter&#x017F;onnenwende, &#x017F;o fa&#x0364;llt nun vom Parallelkrei&#x017F;e <hi rendition="#aq">Ll</hi> nur ein kleiner Theil in die erleuchtete Helfte, und <hi rendition="#aq">L</hi> hat ku&#x0364;rzere Tage mit la&#x0364;ngern Na&#x0364;chten; dagegen i&#x017F;t der Fall fu&#x0364;r die Parallelkrei&#x017F;e gegen den Su&#x0364;dpol <hi rendition="#aq">Q</hi> gerade umgekehrt. Jetzt geht auch die Linie nach der Sonne <figure/> <hi rendition="#aq">S</hi> weit bey <hi rendition="#aq">L</hi> vorbey, d. i. der Ort <hi rendition="#aq">L</hi> &#x017F;ieht im Mittage die Sonne weit von &#x017F;einem Scheitel in geringer Mittagsho&#x0364;he. Daß endlich im Stande <figure/>, wo die Sonne in <figure/> oder im Fru&#x0364;hlingspunkte ge&#x017F;ehen wird, wiederum alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Na&#x0364;chte haben, fa&#x0364;llt wie bey <figure/>, in die Augen.</p>
            <p>Es wu&#x0364;rde &#x017F;ehr weitla&#x0364;uftig fallen, alle Pha&#x0364;nomene die&#x017F;es Wech&#x017F;els auf gleiche Art durchzugehen, obgleich eine &#x017F;olche Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung, wenn man &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vornehmen will, &#x017F;ehr lehrreich &#x017F;eyn wird, um die wahre Bewandniß de&#x017F;&#x017F;en einzu&#x017F;ehen, was von Verbindung des Umlaufs mit der Umdrehung der Erde abha&#x0364;ngt. Hier will ich nur noch bemerken, daß der Aequator <hi rendition="#aq">AR</hi> in allen Stellen gerade zur Helfte im erleuchteten Theile liegt, al&#x017F;o immer gleiche Tage und Na&#x0364;chte hat, daß der Nordpol <hi rendition="#aq">P</hi> von <figure/> bis <figure/> immer im Hellen, von <figure/> bis <figure/> immer im Dunkeln bleibt, mithin &#x017F;ein Tag und &#x017F;eine Nacht ein halbes Jahr dauern, daß es &#x017F;ich mit dem Su&#x0364;dpol <hi rendition="#aq">Q</hi> auf die entgegenge&#x017F;etzte Art, u&#x0364;brigens eben &#x017F;o verha&#x0364;lt, und daß aus der Figur auch &#x017F;ehr deutlich wird, warum die Orte um <hi rendition="#aq">P</hi> und <hi rendition="#aq">Q</hi> in der Na&#x0364;he der Stellen <figure/> und <figure/> perpetuelle ganze Wochen und Monate dauernde Tage und Na&#x0364;chte haben. Die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung i&#x017F;t eben &#x017F;o voll&#x017F;ta&#x0364;ndig, als einfach, und tra&#x0364;gt gleich an der Stirn das unverkennbare Gepra&#x0364;ge der Wahrheit, zumal wenn man dagegen die Erde ruhend annimmt, und nun auf Mo&#x0364;glichkeit &#x017F;innt, &#x017F;ich alles die&#x017F;es in eben dem Grade begreiflich zu machen.</p>
            <p>Inzwi&#x017F;chen hat <hi rendition="#b">Copernikus</hi> hiebey den Fehler be gangen, daß er zu Bewirkung der be&#x017F;ta&#x0364;ndig parallelen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[722/0732] den dunkeln Theil, und eben ſo iſt es hier mit allen uͤbrigen Parallelkreiſen. Daher haben nun alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Naͤchte. Ruͤckt die Erde nach einem Vierteljahre bis [Abbildung] , und ſieht die Sonne in [Abbildung] , wie zur Zeit der Winterſonnenwende, ſo faͤllt nun vom Parallelkreiſe Ll nur ein kleiner Theil in die erleuchtete Helfte, und L hat kuͤrzere Tage mit laͤngern Naͤchten; dagegen iſt der Fall fuͤr die Parallelkreiſe gegen den Suͤdpol Q gerade umgekehrt. Jetzt geht auch die Linie nach der Sonne [Abbildung] S weit bey L vorbey, d. i. der Ort L ſieht im Mittage die Sonne weit von ſeinem Scheitel in geringer Mittagshoͤhe. Daß endlich im Stande [Abbildung] , wo die Sonne in [Abbildung] oder im Fruͤhlingspunkte geſehen wird, wiederum alle Orte der Erdkugel gleiche Tage und Naͤchte haben, faͤllt wie bey [Abbildung] , in die Augen. Es wuͤrde ſehr weitlaͤuftig fallen, alle Phaͤnomene dieſes Wechſels auf gleiche Art durchzugehen, obgleich eine ſolche Beſchaͤftigung, wenn man ſie fuͤr ſich ſelbſt vornehmen will, ſehr lehrreich ſeyn wird, um die wahre Bewandniß deſſen einzuſehen, was von Verbindung des Umlaufs mit der Umdrehung der Erde abhaͤngt. Hier will ich nur noch bemerken, daß der Aequator AR in allen Stellen gerade zur Helfte im erleuchteten Theile liegt, alſo immer gleiche Tage und Naͤchte hat, daß der Nordpol P von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Hellen, von [Abbildung] bis [Abbildung] immer im Dunkeln bleibt, mithin ſein Tag und ſeine Nacht ein halbes Jahr dauern, daß es ſich mit dem Suͤdpol Q auf die entgegengeſetzte Art, uͤbrigens eben ſo verhaͤlt, und daß aus der Figur auch ſehr deutlich wird, warum die Orte um P und Q in der Naͤhe der Stellen [Abbildung] und [Abbildung] perpetuelle ganze Wochen und Monate dauernde Tage und Naͤchte haben. Dieſe Erklaͤrung iſt eben ſo vollſtaͤndig, als einfach, und traͤgt gleich an der Stirn das unverkennbare Gepraͤge der Wahrheit, zumal wenn man dagegen die Erde ruhend annimmt, und nun auf Moͤglichkeit ſinnt, ſich alles dieſes in eben dem Grade begreiflich zu machen. Inzwiſchen hat Copernikus hiebey den Fehler be gangen, daß er zu Bewirkung der beſtaͤndig parallelen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/732
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/732>, abgerufen am 12.06.2024.