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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Auf flüßige Körper läßt sich der Begrif vom Weichen nicht anwenden; denn man kan zwar die Lage ihrer Theile ohne Mühe ändern, aber sie behalten wegen der Flüßigkeik nicht die gegebne Gestalt. Unter den festen Körpern giebt es gar keinen vollkommen harten; man nennt aber schon die hart, welche viel Kraft zu Aenderung ihrer Gestalt erfordern, s. Hart. Daher drückt auch das Wort Weich nur einen relativen Begrif aus, und bedeutet das, was sich ohne sonderlich große Kraft, oder leichter, als andere Körper, formen läßt. Auch sind vielleicht alle Körper in einigem Grade elastisch, s. Elastisch; und man würde gar keinen weich nennen können, wenn man sich nicht verstattete, sehr geringe Grade der Elasticität ganz zu vernachlässigen.

Demnach sind die Grenzen zwischen dem Weichen, Harten und Elastischen sehr willkührlich und unbestimmt. Wir nennen das weich, was sich durch den gewöhnlichen Druck unserer Hand formen läßt, und diese Form behält, wie feuchter Thon, feuchte Erde, warmes Wachs, Butter u. dgl. Für ein Insekt können diese Körper hart seyn. Oft heißt auch weich, was weniger hart ist, als etwas anders, z. B. weiches Holz, weicher Stein. Viele sonst harte Körper werden durch die Wärme erweicht, ehe sie schmelzen; viele auch durch die Feuchtigkeit, die den Zusammenhang ihrer Theile schwächt, und die Aenderungen ihrer Gestalt erleichtert.

Wein, Vinum, Vin.

Im allgemeinern Sinne führen diesen Namen alle schleimig-zuckerartige Stoffe des Pflanzenreichs, welche durch den ersten Grad der Gährung geistig geworden sind, z. B. Bier, Meth, Cider, s. Gährung. In engerer Bedeutung aber heißt unter diesen Liquoren nur derjenige Wein, welcher aus dem Traubensafte oder Moste erhalten wird.

Wenn man den aus den Trauben gekelterten Most in nicht allzukleinen Massen einer Wärme von 55--70 fahrenheitischen Graden und dem Zugange der Luft aussetzt, so entsteht darinn eine innere Bewegung, die auch das Ohr


Auf fluͤßige Koͤrper laͤßt ſich der Begrif vom Weichen nicht anwenden; denn man kan zwar die Lage ihrer Theile ohne Muͤhe aͤndern, aber ſie behalten wegen der Fluͤßigkeik nicht die gegebne Geſtalt. Unter den feſten Koͤrpern giebt es gar keinen vollkommen harten; man nennt aber ſchon die hart, welche viel Kraft zu Aenderung ihrer Geſtalt erfordern, ſ. Hart. Daher druͤckt auch das Wort Weich nur einen relativen Begrif aus, und bedeutet das, was ſich ohne ſonderlich große Kraft, oder leichter, als andere Koͤrper, formen laͤßt. Auch ſind vielleicht alle Koͤrper in einigem Grade elaſtiſch, ſ. Elaſtiſch; und man wuͤrde gar keinen weich nennen koͤnnen, wenn man ſich nicht verſtattete, ſehr geringe Grade der Elaſticitaͤt ganz zu vernachlaͤſſigen.

Demnach ſind die Grenzen zwiſchen dem Weichen, Harten und Elaſtiſchen ſehr willkuͤhrlich und unbeſtimmt. Wir nennen das weich, was ſich durch den gewoͤhnlichen Druck unſerer Hand formen laͤßt, und dieſe Form behaͤlt, wie feuchter Thon, feuchte Erde, warmes Wachs, Butter u. dgl. Fuͤr ein Inſekt koͤnnen dieſe Koͤrper hart ſeyn. Oft heißt auch weich, was weniger hart iſt, als etwas anders, z. B. weiches Holz, weicher Stein. Viele ſonſt harte Koͤrper werden durch die Waͤrme erweicht, ehe ſie ſchmelzen; viele auch durch die Feuchtigkeit, die den Zuſammenhang ihrer Theile ſchwaͤcht, und die Aenderungen ihrer Geſtalt erleichtert.

Wein, Vinum, Vin.

Im allgemeinern Sinne fuͤhren dieſen Namen alle ſchleimig-zuckerartige Stoffe des Pflanzenreichs, welche durch den erſten Grad der Gaͤhrung geiſtig geworden ſind, z. B. Bier, Meth, Cider, ſ. Gaͤhrung. In engerer Bedeutung aber heißt unter dieſen Liquoren nur derjenige Wein, welcher aus dem Traubenſafte oder Moſte erhalten wird.

Wenn man den aus den Trauben gekelterten Moſt in nicht allzukleinen Maſſen einer Waͤrme von 55—70 fahrenheitiſchen Graden und dem Zugange der Luft ausſetzt, ſo entſteht darinn eine innere Bewegung, die auch das Ohr

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[672/0682] Auf fluͤßige Koͤrper laͤßt ſich der Begrif vom Weichen nicht anwenden; denn man kan zwar die Lage ihrer Theile ohne Muͤhe aͤndern, aber ſie behalten wegen der Fluͤßigkeik nicht die gegebne Geſtalt. Unter den feſten Koͤrpern giebt es gar keinen vollkommen harten; man nennt aber ſchon die hart, welche viel Kraft zu Aenderung ihrer Geſtalt erfordern, ſ. Hart. Daher druͤckt auch das Wort Weich nur einen relativen Begrif aus, und bedeutet das, was ſich ohne ſonderlich große Kraft, oder leichter, als andere Koͤrper, formen laͤßt. Auch ſind vielleicht alle Koͤrper in einigem Grade elaſtiſch, ſ. Elaſtiſch; und man wuͤrde gar keinen weich nennen koͤnnen, wenn man ſich nicht verſtattete, ſehr geringe Grade der Elaſticitaͤt ganz zu vernachlaͤſſigen. Demnach ſind die Grenzen zwiſchen dem Weichen, Harten und Elaſtiſchen ſehr willkuͤhrlich und unbeſtimmt. Wir nennen das weich, was ſich durch den gewoͤhnlichen Druck unſerer Hand formen laͤßt, und dieſe Form behaͤlt, wie feuchter Thon, feuchte Erde, warmes Wachs, Butter u. dgl. Fuͤr ein Inſekt koͤnnen dieſe Koͤrper hart ſeyn. Oft heißt auch weich, was weniger hart iſt, als etwas anders, z. B. weiches Holz, weicher Stein. Viele ſonſt harte Koͤrper werden durch die Waͤrme erweicht, ehe ſie ſchmelzen; viele auch durch die Feuchtigkeit, die den Zuſammenhang ihrer Theile ſchwaͤcht, und die Aenderungen ihrer Geſtalt erleichtert. Wein, Vinum, Vin. Im allgemeinern Sinne fuͤhren dieſen Namen alle ſchleimig-zuckerartige Stoffe des Pflanzenreichs, welche durch den erſten Grad der Gaͤhrung geiſtig geworden ſind, z. B. Bier, Meth, Cider, ſ. Gaͤhrung. In engerer Bedeutung aber heißt unter dieſen Liquoren nur derjenige Wein, welcher aus dem Traubenſafte oder Moſte erhalten wird. Wenn man den aus den Trauben gekelterten Moſt in nicht allzukleinen Maſſen einer Waͤrme von 55—70 fahrenheitiſchen Graden und dem Zugange der Luft ausſetzt, ſo entſteht darinn eine innere Bewegung, die auch das Ohr

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/682>, abgerufen am 11.06.2024.