Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


die Abnahme der Wärme aus. Die Ursache dieser Ausdehnung, worinn sie auch immer bestehen mag, bewirkt schon in den nächsten Graden über dem Eispunkte eine merkliche Ausdehnung bey abnehmender Wärme. Wenn man z. B. ein Quecksilberthermometer und ein Wasserthermometer, beyde von 80 Graden, welche zugleich auf Null stehen, mit einander vergleicht, so wird das Wasser bis auf -- 1/2 herabfallen, indem das Quecksilber von Null durch die vier ersten Grade der Scale steigt; alsdann aber wird es wieder bis 0 steigen, indem das Quecksilber von + 4 bis + 8 steigt. Das Wasser hat also bey der Temperatur + 4 das kleinste mögliche Volumen; und bey den Temperaturen 0 und + 8 gleiche etwas größere Volumina. Von + 8 bis zum Siedpunkte sind die Ausdehnungen des Wassers anfänglich ganz gering, werden aber nachmals bey den letztern Graden der Hitze desto stärker. Wenn das Quecksilber auf 40 Grad kömmt, hat das Wasser erst 19,2 Grad erreicht: nachher aber werden seine Ausdehnungen so stark, daß in der Siedhitze beyde Thermometer zugleich 80 Grad erreichen. Diese schönen Entdeckungen sind von Herrn de Lüc (Unters. über die Atmosphäre, Th. I. §. 419. d. e.), der auch eine interessante teleologische Bemerkung darüber gemacht hat, s. Teleologie.

Im Ganzen genommen, ist die Ausdehnung des Wassers fast 10 mal geringer, als die des Weingeists, indem sie vom Eispunkte bis zum Siedpunkte nicht mehr, als 0,012 des Volumens beträgt.

Die Hitze von 80 Graden der reaumürischen (oder 212 der fahrenheitischen) Scale verwandelt beym gewöhnlichen Drucke der freyen Luft das Wasser in einen elastischen Dampf, und verursacht dadurch sein Sieden, s. Dämpfe, Windkugel, Sieden. Bey stärkerm Drucke, z. B. in verschloßnen Gefäßen, nimmt das Wasser, ohne zu sieden, weit höhere Grade der Hitze an; hingegen wird es bey geringem Drucke, z. B. in sehr verdünnter Luft, durch geringe Wärme, oft schon durch die Berührung der Hand, verdampft und zum Sieden gebracht. Es besitzt also einen


die Abnahme der Waͤrme aus. Die Urſache dieſer Ausdehnung, worinn ſie auch immer beſtehen mag, bewirkt ſchon in den naͤchſten Graden uͤber dem Eispunkte eine merkliche Ausdehnung bey abnehmender Waͤrme. Wenn man z. B. ein Queckſilberthermometer und ein Waſſerthermometer, beyde von 80 Graden, welche zugleich auf Null ſtehen, mit einander vergleicht, ſo wird das Waſſer bis auf — 1/2 herabfallen, indem das Queckſilber von Null durch die vier erſten Grade der Scale ſteigt; alsdann aber wird es wieder bis 0 ſteigen, indem das Queckſilber von + 4 bis + 8 ſteigt. Das Waſſer hat alſo bey der Temperatur + 4 das kleinſte moͤgliche Volumen; und bey den Temperaturen 0 und + 8 gleiche etwas groͤßere Volumina. Von + 8 bis zum Siedpunkte ſind die Ausdehnungen des Waſſers anfaͤnglich ganz gering, werden aber nachmals bey den letztern Graden der Hitze deſto ſtaͤrker. Wenn das Queckſilber auf 40 Grad koͤmmt, hat das Waſſer erſt 19,2 Grad erreicht: nachher aber werden ſeine Ausdehnungen ſo ſtark, daß in der Siedhitze beyde Thermometer zugleich 80 Grad erreichen. Dieſe ſchoͤnen Entdeckungen ſind von Herrn de Luͤc (Unterſ. uͤber die Atmoſphaͤre, Th. I. §. 419. d. e.), der auch eine intereſſante teleologiſche Bemerkung daruͤber gemacht hat, ſ. Teleologie.

Im Ganzen genommen, iſt die Ausdehnung des Waſſers faſt 10 mal geringer, als die des Weingeiſts, indem ſie vom Eispunkte bis zum Siedpunkte nicht mehr, als 0,012 des Volumens betraͤgt.

Die Hitze von 80 Graden der reaumuͤriſchen (oder 212 der fahrenheitiſchen) Scale verwandelt beym gewoͤhnlichen Drucke der freyen Luft das Waſſer in einen elaſtiſchen Dampf, und verurſacht dadurch ſein Sieden, ſ. Daͤmpfe, Windkugel, Sieden. Bey ſtaͤrkerm Drucke, z. B. in verſchloßnen Gefaͤßen, nimmt das Waſſer, ohne zu ſieden, weit hoͤhere Grade der Hitze an; hingegen wird es bey geringem Drucke, z. B. in ſehr verduͤnnter Luft, durch geringe Waͤrme, oft ſchon durch die Beruͤhrung der Hand, verdampft und zum Sieden gebracht. Es beſitzt alſo einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0637" xml:id="P.4.627" n="627"/><lb/>
die Abnahme der Wa&#x0364;rme aus. Die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Ausdehnung, worinn &#x017F;ie auch immer be&#x017F;tehen mag, bewirkt &#x017F;chon in den na&#x0364;ch&#x017F;ten Graden u&#x0364;ber dem Eispunkte eine merkliche Ausdehnung bey abnehmender Wa&#x0364;rme. Wenn man z. B. ein Queck&#x017F;ilberthermometer und ein Wa&#x017F;&#x017F;erthermometer, beyde von 80 Graden, welche zugleich auf Null &#x017F;tehen, mit einander vergleicht, &#x017F;o wird das Wa&#x017F;&#x017F;er bis auf &#x2014; 1/2 herabfallen, indem das Queck&#x017F;ilber von Null durch die vier er&#x017F;ten Grade der Scale &#x017F;teigt; alsdann aber wird es wieder bis 0 &#x017F;teigen, indem das Queck&#x017F;ilber von + 4 bis + 8 &#x017F;teigt. Das Wa&#x017F;&#x017F;er hat al&#x017F;o bey der Temperatur + 4 das klein&#x017F;te mo&#x0364;gliche Volumen; und bey den Temperaturen 0 und + 8 gleiche etwas gro&#x0364;ßere Volumina. Von + 8 bis zum Siedpunkte &#x017F;ind die Ausdehnungen des Wa&#x017F;&#x017F;ers anfa&#x0364;nglich ganz gering, werden aber nachmals bey den letztern Graden der Hitze de&#x017F;to &#x017F;ta&#x0364;rker. Wenn das Queck&#x017F;ilber auf 40 Grad ko&#x0364;mmt, hat das Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;t 19,2 Grad erreicht: nachher aber werden &#x017F;eine Ausdehnungen &#x017F;o &#x017F;tark, daß in der Siedhitze beyde Thermometer zugleich 80 Grad erreichen. Die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;nen Entdeckungen &#x017F;ind von Herrn <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> (Unter&#x017F;. u&#x0364;ber die Atmo&#x017F;pha&#x0364;re, Th. <hi rendition="#aq">I. §. 419. d. e.</hi>), der auch eine intere&#x017F;&#x017F;ante teleologi&#x017F;che Bemerkung daru&#x0364;ber gemacht hat, <hi rendition="#b">&#x017F;. Teleologie.</hi></p>
            <p>Im Ganzen genommen, i&#x017F;t die Ausdehnung des Wa&#x017F;&#x017F;ers fa&#x017F;t 10 mal geringer, als die des Weingei&#x017F;ts, indem &#x017F;ie vom Eispunkte bis zum Siedpunkte nicht mehr, als 0,012 des Volumens betra&#x0364;gt.</p>
            <p>Die Hitze von 80 Graden der reaumu&#x0364;ri&#x017F;chen (oder 212 der fahrenheiti&#x017F;chen) Scale verwandelt beym gewo&#x0364;hnlichen Drucke der freyen Luft das Wa&#x017F;&#x017F;er in einen ela&#x017F;ti&#x017F;chen Dampf, und verur&#x017F;acht dadurch &#x017F;ein Sieden, <hi rendition="#b">&#x017F;. Da&#x0364;mpfe, Windkugel, Sieden.</hi> Bey &#x017F;ta&#x0364;rkerm Drucke, z. B. in ver&#x017F;chloßnen Gefa&#x0364;ßen, nimmt das Wa&#x017F;&#x017F;er, ohne zu &#x017F;ieden, weit ho&#x0364;here Grade der Hitze an; hingegen wird es bey geringem Drucke, z. B. in &#x017F;ehr verdu&#x0364;nnter Luft, durch geringe Wa&#x0364;rme, oft &#x017F;chon durch die Beru&#x0364;hrung der Hand, verdampft und zum Sieden gebracht. Es be&#x017F;itzt al&#x017F;o einen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[627/0637] die Abnahme der Waͤrme aus. Die Urſache dieſer Ausdehnung, worinn ſie auch immer beſtehen mag, bewirkt ſchon in den naͤchſten Graden uͤber dem Eispunkte eine merkliche Ausdehnung bey abnehmender Waͤrme. Wenn man z. B. ein Queckſilberthermometer und ein Waſſerthermometer, beyde von 80 Graden, welche zugleich auf Null ſtehen, mit einander vergleicht, ſo wird das Waſſer bis auf — 1/2 herabfallen, indem das Queckſilber von Null durch die vier erſten Grade der Scale ſteigt; alsdann aber wird es wieder bis 0 ſteigen, indem das Queckſilber von + 4 bis + 8 ſteigt. Das Waſſer hat alſo bey der Temperatur + 4 das kleinſte moͤgliche Volumen; und bey den Temperaturen 0 und + 8 gleiche etwas groͤßere Volumina. Von + 8 bis zum Siedpunkte ſind die Ausdehnungen des Waſſers anfaͤnglich ganz gering, werden aber nachmals bey den letztern Graden der Hitze deſto ſtaͤrker. Wenn das Queckſilber auf 40 Grad koͤmmt, hat das Waſſer erſt 19,2 Grad erreicht: nachher aber werden ſeine Ausdehnungen ſo ſtark, daß in der Siedhitze beyde Thermometer zugleich 80 Grad erreichen. Dieſe ſchoͤnen Entdeckungen ſind von Herrn de Luͤc (Unterſ. uͤber die Atmoſphaͤre, Th. I. §. 419. d. e.), der auch eine intereſſante teleologiſche Bemerkung daruͤber gemacht hat, ſ. Teleologie. Im Ganzen genommen, iſt die Ausdehnung des Waſſers faſt 10 mal geringer, als die des Weingeiſts, indem ſie vom Eispunkte bis zum Siedpunkte nicht mehr, als 0,012 des Volumens betraͤgt. Die Hitze von 80 Graden der reaumuͤriſchen (oder 212 der fahrenheitiſchen) Scale verwandelt beym gewoͤhnlichen Drucke der freyen Luft das Waſſer in einen elaſtiſchen Dampf, und verurſacht dadurch ſein Sieden, ſ. Daͤmpfe, Windkugel, Sieden. Bey ſtaͤrkerm Drucke, z. B. in verſchloßnen Gefaͤßen, nimmt das Waſſer, ohne zu ſieden, weit hoͤhere Grade der Hitze an; hingegen wird es bey geringem Drucke, z. B. in ſehr verduͤnnter Luft, durch geringe Waͤrme, oft ſchon durch die Beruͤhrung der Hand, verdampft und zum Sieden gebracht. Es beſitzt alſo einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/637
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/637>, abgerufen am 22.11.2024.