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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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In dieser flüßigen Gestalt fällt das Wasser bey den gewöhnlichen Temperaturen als Regen aus dem Luftkreise herab, sammelt sich unter der Erdfläche in den Brunnen an, dringt aus der Erde in Quellen hervor, bildet die Bäche, Flüsse, Seen und endlich das Meer, als eine allgemeine den größten Theil der Erdfläche bedeckende Wassersammlung. In eben dieser Gestalt durchdringt es als Feuchtigkeit eine Menge anderer Körper, wird von den Thieren als Trank genossen, von den Pflanzen durch ihre Wurzeln eingesogen, und überhaupt in den meisten natürlichen Körpern angetroffen. Aber da es ein Auflösungsmittel vieler andern Stoffe, und besonders aller Salze ist, so wird es in der Natur selten ganz rein und ohne fremde Beymischung gefunden: nur das Regenwasser, mit gehöriger Sorgfalt aufgefangen, hat den Vorzug einer größern Reinigkeit, s. Regen (Th. III. S. 649.).

Dieser flüßige Zustand ist jedoch, wie alle Flüßigkeit, auch beym Wasser nur zufällig, und eine bloße Wirkung der Wärme. Sobald die fühlbare Wärme unter den 32sten Grad des fahrenheitischen Thermometers hinabfällt, wird das Wasser eben so fest, wie alle andere Körper, wenn ihnen der zur Schmelzung nöthige Grad der Wärme entzogen wird. In diesem festen Zustande heißt es Eis, und ist als solches bereits unter einem eignen Artikel betrachtet worden, s. auch Gefrierung. So gewöhnlich es seyn mag, sich das Wasser seiner Natur nach als flüßig zu denken, so richtig läßt sich doch sagen, daß es nichts anders, als ein Eis sey, welches blos seiner Leichtflüßigkeit halber schon bey der geringern zum Wachsthume der Pflanzen nöthigen Wärme geschmolzen ist. Dem Sprachgebrauche und den Vorstellungen des gemeinen Lebens mag es angemessener seyn, das Eis ein gefrornes Wasser zu nennen: der Physiker aber kan mit eben so vielem Rechte alles Wasser als ein geschmolzenes Eis betrachten.

Im flüßigen Zustande wird das Wasser, wie alle bekannte Körper, durch größere Wärme mehr ausgedehnt; aber der Gang dieser Ausdehnungen ist sehr ungleich, und beym Gefrieren selbst dehnt sich das Wasser vielmehr durch


In dieſer fluͤßigen Geſtalt faͤllt das Waſſer bey den gewoͤhnlichen Temperaturen als Regen aus dem Luftkreiſe herab, ſammelt ſich unter der Erdflaͤche in den Brunnen an, dringt aus der Erde in Quellen hervor, bildet die Baͤche, Fluͤſſe, Seen und endlich das Meer, als eine allgemeine den groͤßten Theil der Erdflaͤche bedeckende Waſſerſammlung. In eben dieſer Geſtalt durchdringt es als Feuchtigkeit eine Menge anderer Koͤrper, wird von den Thieren als Trank genoſſen, von den Pflanzen durch ihre Wurzeln eingeſogen, und uͤberhaupt in den meiſten natuͤrlichen Koͤrpern angetroffen. Aber da es ein Aufloͤſungsmittel vieler andern Stoffe, und beſonders aller Salze iſt, ſo wird es in der Natur ſelten ganz rein und ohne fremde Beymiſchung gefunden: nur das Regenwaſſer, mit gehoͤriger Sorgfalt aufgefangen, hat den Vorzug einer groͤßern Reinigkeit, ſ. Regen (Th. III. S. 649.).

Dieſer fluͤßige Zuſtand iſt jedoch, wie alle Fluͤßigkeit, auch beym Waſſer nur zufaͤllig, und eine bloße Wirkung der Waͤrme. Sobald die fuͤhlbare Waͤrme unter den 32ſten Grad des fahrenheitiſchen Thermometers hinabfaͤllt, wird das Waſſer eben ſo feſt, wie alle andere Koͤrper, wenn ihnen der zur Schmelzung noͤthige Grad der Waͤrme entzogen wird. In dieſem feſten Zuſtande heißt es Eis, und iſt als ſolches bereits unter einem eignen Artikel betrachtet worden, ſ. auch Gefrierung. So gewoͤhnlich es ſeyn mag, ſich das Waſſer ſeiner Natur nach als fluͤßig zu denken, ſo richtig laͤßt ſich doch ſagen, daß es nichts anders, als ein Eis ſey, welches blos ſeiner Leichtfluͤßigkeit halber ſchon bey der geringern zum Wachsthume der Pflanzen noͤthigen Waͤrme geſchmolzen iſt. Dem Sprachgebrauche und den Vorſtellungen des gemeinen Lebens mag es angemeſſener ſeyn, das Eis ein gefrornes Waſſer zu nennen: der Phyſiker aber kan mit eben ſo vielem Rechte alles Waſſer als ein geſchmolzenes Eis betrachten.

Im fluͤßigen Zuſtande wird das Waſſer, wie alle bekannte Koͤrper, durch groͤßere Waͤrme mehr ausgedehnt; aber der Gang dieſer Ausdehnungen iſt ſehr ungleich, und beym Gefrieren ſelbſt dehnt ſich das Waſſer vielmehr durch

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[626/0636] In dieſer fluͤßigen Geſtalt faͤllt das Waſſer bey den gewoͤhnlichen Temperaturen als Regen aus dem Luftkreiſe herab, ſammelt ſich unter der Erdflaͤche in den Brunnen an, dringt aus der Erde in Quellen hervor, bildet die Baͤche, Fluͤſſe, Seen und endlich das Meer, als eine allgemeine den groͤßten Theil der Erdflaͤche bedeckende Waſſerſammlung. In eben dieſer Geſtalt durchdringt es als Feuchtigkeit eine Menge anderer Koͤrper, wird von den Thieren als Trank genoſſen, von den Pflanzen durch ihre Wurzeln eingeſogen, und uͤberhaupt in den meiſten natuͤrlichen Koͤrpern angetroffen. Aber da es ein Aufloͤſungsmittel vieler andern Stoffe, und beſonders aller Salze iſt, ſo wird es in der Natur ſelten ganz rein und ohne fremde Beymiſchung gefunden: nur das Regenwaſſer, mit gehoͤriger Sorgfalt aufgefangen, hat den Vorzug einer groͤßern Reinigkeit, ſ. Regen (Th. III. S. 649.). Dieſer fluͤßige Zuſtand iſt jedoch, wie alle Fluͤßigkeit, auch beym Waſſer nur zufaͤllig, und eine bloße Wirkung der Waͤrme. Sobald die fuͤhlbare Waͤrme unter den 32ſten Grad des fahrenheitiſchen Thermometers hinabfaͤllt, wird das Waſſer eben ſo feſt, wie alle andere Koͤrper, wenn ihnen der zur Schmelzung noͤthige Grad der Waͤrme entzogen wird. In dieſem feſten Zuſtande heißt es Eis, und iſt als ſolches bereits unter einem eignen Artikel betrachtet worden, ſ. auch Gefrierung. So gewoͤhnlich es ſeyn mag, ſich das Waſſer ſeiner Natur nach als fluͤßig zu denken, ſo richtig laͤßt ſich doch ſagen, daß es nichts anders, als ein Eis ſey, welches blos ſeiner Leichtfluͤßigkeit halber ſchon bey der geringern zum Wachsthume der Pflanzen noͤthigen Waͤrme geſchmolzen iſt. Dem Sprachgebrauche und den Vorſtellungen des gemeinen Lebens mag es angemeſſener ſeyn, das Eis ein gefrornes Waſſer zu nennen: der Phyſiker aber kan mit eben ſo vielem Rechte alles Waſſer als ein geſchmolzenes Eis betrachten. Im fluͤßigen Zuſtande wird das Waſſer, wie alle bekannte Koͤrper, durch groͤßere Waͤrme mehr ausgedehnt; aber der Gang dieſer Ausdehnungen iſt ſehr ungleich, und beym Gefrieren ſelbſt dehnt ſich das Waſſer vielmehr durch

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/636>, abgerufen am 22.11.2024.