Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Zwar hat der Ritter von Soyecourt (Mem. sur les experiences donnees en preuve de la chaleur latente. a Paris. 1788. im Auszuge im Gothaischen Magazin für das Neuste aus d. Phys. VI. Band, 2. St. S. 131 u. f.) die ganze Lehre von der specifischen Wärme durch einen Versuch verdächtig machen wollen, bey dem ein blechernes Gefäß mit 1 Pfund Wasser von 58 Grad Temperatur (nach Reaumür) in eben der Zeit 30 Grad Wärme verlohr, in welcher in einem andern gleichgroßen Gefäße mit 1 Pfund Eis, wozu gleichfalls 1 Pfund Wasser von 58 Grad Temperatur gegossen war, das Eis schmolz, und die Temperatur auf 1/2 Grad herabkam. Aus diesem Versuche schließt er, das mit dem Eise vermischte Wasser habe gleichfalls 30 Grad Wärme an das Gefäß und die umgebende Luft verlohren; mithin würde man nur die übrigen 27 1/2 Grad als wirklich vom Eise verschluckt und gebunden ansehen können, wenn es verstattet wäre, einen wesentlichen wärmenden Feuerstof anzunehmen: dadurch würde die von Wilke und Black angegebne Menge der beym Schmelzen des Eises gebundenen Wärme von 130 fahrenheitischen Graden (58 Reaum.) auf 61 (27 1/2 Reaum.) herabgesetzt. Es bestehe aber vielmehr die Wärme in einer innern Bewegung einer besondern Flüssigkeit, woraus sich der Verlust der 27 1/2 Grad von selbst erkläre, indem jede Bewegung durch ihre Wirkung auf widerstehende Theile, die sie weiter aus einander treibe (wie die Theile des Eisens beym Schmelzen), nothwendig geschwächt werden müsse. Nähme man ja eine wesentlich wärmende Materie an, so erhitze sie doch nie, ohne zugleich
Zwar hat der Ritter von Soyecourt (Mém. ſur les experiences données en preuve de la chaleur latente. à Paris. 1788. im Auszuge im Gothaiſchen Magazin fuͤr das Neuſte aus d. Phyſ. VI. Band, 2. St. S. 131 u. f.) die ganze Lehre von der ſpecifiſchen Waͤrme durch einen Verſuch verdaͤchtig machen wollen, bey dem ein blechernes Gefaͤß mit 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur (nach Reaumuͤr) in eben der Zeit 30 Grad Waͤrme verlohr, in welcher in einem andern gleichgroßen Gefaͤße mit 1 Pfund Eis, wozu gleichfalls 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur gegoſſen war, das Eis ſchmolz, und die Temperatur auf 1/2 Grad herabkam. Aus dieſem Verſuche ſchließt er, das mit dem Eiſe vermiſchte Waſſer habe gleichfalls 30 Grad Waͤrme an das Gefaͤß und die umgebende Luft verlohren; mithin wuͤrde man nur die uͤbrigen 27 1/2 Grad als wirklich vom Eiſe verſchluckt und gebunden anſehen koͤnnen, wenn es verſtattet waͤre, einen weſentlichen waͤrmenden Feuerſtof anzunehmen: dadurch wuͤrde die von Wilke und Black angegebne Menge der beym Schmelzen des Eiſes gebundenen Waͤrme von 130 fahrenheitiſchen Graden (58 Reaum.) auf 61 (27 1/2 Reaum.) herabgeſetzt. Es beſtehe aber vielmehr die Waͤrme in einer innern Bewegung einer beſondern Fluͤſſigkeit, woraus ſich der Verluſt der 27 1/2 Grad von ſelbſt erklaͤre, indem jede Bewegung durch ihre Wirkung auf widerſtehende Theile, die ſie weiter aus einander treibe (wie die Theile des Eiſens beym Schmelzen), nothwendig geſchwaͤcht werden muͤſſe. Naͤhme man ja eine weſentlich waͤrmende Materie an, ſo erhitze ſie doch nie, ohne zugleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0592" xml:id="P.4.582" n="582"/><lb/> doch ohne Einwendung die beſondern Geſetze, nach welchen ſich die fuͤhlbare Waͤrme unter ungleichartige Stoffe vertheilt. Wenn man ſich des Schluſſes auf die Verhaͤltniſſe der abſoluten Waͤrmen ganz enthaͤlt, und die Zahlen der Tabelle fuͤr nichts weiter, als Exponenten der Verhaͤltniſſe anſieht, nach welchen ungleichartige Stoffe Waͤrme annehmen und mittheilen, wenn in ihnen gleich große Veraͤnderungen der Temperatur bewirkt werden; ſo lehren dieſe Verſuche, wofern ſie nur mit der gehoͤrigen Genauigkeit angeſtellt ſind, ganz unlaͤugbare phyſiſche Wahrheit.</p> <p>Zwar hat der Ritter <hi rendition="#b">von Soyecourt</hi> (<hi rendition="#aq">Mém. ſur les experiences données en preuve de la chaleur latente. à Paris. 1788.</hi> im Auszuge im Gothaiſchen Magazin fuͤr das Neuſte aus d. Phyſ. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Band, 2. St. S. 131 u. f.) die ganze Lehre von der ſpecifiſchen Waͤrme durch einen Verſuch verdaͤchtig machen wollen, bey dem ein blechernes Gefaͤß mit 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur (nach Reaumuͤr) in eben der Zeit 30 Grad Waͤrme verlohr, in welcher in einem andern gleichgroßen Gefaͤße mit 1 Pfund Eis, wozu gleichfalls 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur gegoſſen war, das Eis ſchmolz, und die Temperatur auf 1/2 Grad herabkam. Aus dieſem Verſuche ſchließt er, das mit dem Eiſe vermiſchte Waſſer habe gleichfalls 30 Grad Waͤrme an das Gefaͤß und die umgebende Luft verlohren; mithin wuͤrde man nur die uͤbrigen 27 1/2 Grad als wirklich vom Eiſe verſchluckt und gebunden anſehen koͤnnen, wenn es verſtattet waͤre, einen weſentlichen waͤrmenden Feuerſtof anzunehmen: dadurch wuͤrde die von <hi rendition="#b">Wilke</hi> und <hi rendition="#b">Black</hi> angegebne Menge der beym Schmelzen des Eiſes gebundenen Waͤrme von 130 fahrenheitiſchen Graden (58 Reaum.) auf 61 (27 1/2 Reaum.) herabgeſetzt. Es beſtehe aber vielmehr die Waͤrme in einer innern Bewegung einer beſondern Fluͤſſigkeit, woraus ſich der Verluſt der 27 1/2 Grad von ſelbſt erklaͤre, indem jede Bewegung durch ihre Wirkung auf widerſtehende Theile, die ſie weiter aus einander treibe (wie die Theile des Eiſens beym Schmelzen), nothwendig geſchwaͤcht werden muͤſſe. Naͤhme man ja eine weſentlich waͤrmende Materie an, ſo erhitze ſie doch nie, ohne zugleich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [582/0592]
doch ohne Einwendung die beſondern Geſetze, nach welchen ſich die fuͤhlbare Waͤrme unter ungleichartige Stoffe vertheilt. Wenn man ſich des Schluſſes auf die Verhaͤltniſſe der abſoluten Waͤrmen ganz enthaͤlt, und die Zahlen der Tabelle fuͤr nichts weiter, als Exponenten der Verhaͤltniſſe anſieht, nach welchen ungleichartige Stoffe Waͤrme annehmen und mittheilen, wenn in ihnen gleich große Veraͤnderungen der Temperatur bewirkt werden; ſo lehren dieſe Verſuche, wofern ſie nur mit der gehoͤrigen Genauigkeit angeſtellt ſind, ganz unlaͤugbare phyſiſche Wahrheit.
Zwar hat der Ritter von Soyecourt (Mém. ſur les experiences données en preuve de la chaleur latente. à Paris. 1788. im Auszuge im Gothaiſchen Magazin fuͤr das Neuſte aus d. Phyſ. VI. Band, 2. St. S. 131 u. f.) die ganze Lehre von der ſpecifiſchen Waͤrme durch einen Verſuch verdaͤchtig machen wollen, bey dem ein blechernes Gefaͤß mit 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur (nach Reaumuͤr) in eben der Zeit 30 Grad Waͤrme verlohr, in welcher in einem andern gleichgroßen Gefaͤße mit 1 Pfund Eis, wozu gleichfalls 1 Pfund Waſſer von 58 Grad Temperatur gegoſſen war, das Eis ſchmolz, und die Temperatur auf 1/2 Grad herabkam. Aus dieſem Verſuche ſchließt er, das mit dem Eiſe vermiſchte Waſſer habe gleichfalls 30 Grad Waͤrme an das Gefaͤß und die umgebende Luft verlohren; mithin wuͤrde man nur die uͤbrigen 27 1/2 Grad als wirklich vom Eiſe verſchluckt und gebunden anſehen koͤnnen, wenn es verſtattet waͤre, einen weſentlichen waͤrmenden Feuerſtof anzunehmen: dadurch wuͤrde die von Wilke und Black angegebne Menge der beym Schmelzen des Eiſes gebundenen Waͤrme von 130 fahrenheitiſchen Graden (58 Reaum.) auf 61 (27 1/2 Reaum.) herabgeſetzt. Es beſtehe aber vielmehr die Waͤrme in einer innern Bewegung einer beſondern Fluͤſſigkeit, woraus ſich der Verluſt der 27 1/2 Grad von ſelbſt erklaͤre, indem jede Bewegung durch ihre Wirkung auf widerſtehende Theile, die ſie weiter aus einander treibe (wie die Theile des Eiſens beym Schmelzen), nothwendig geſchwaͤcht werden muͤſſe. Naͤhme man ja eine weſentlich waͤrmende Materie an, ſo erhitze ſie doch nie, ohne zugleich
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