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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Mem. de l' acad. de Paris, 1700.) gab diesem Gedanken ein unerwartetes Licht, indem er folgenden in der Physik sehr berühmt gewordenen Versuch bekannt machte. Er mischte gepülverten Schwefel mit Eisenfeile zu gleichen Theilen, und knetete die Masse mit eben so viel Wasser zu einem Teige. Es stieg sogleich ein hepatischer Geruch auf, und wenn man warmes Wasser genommen hatte, so erhitzte sich das Gemisch augenblicklich (mit kaltem erst nach 4 Stunden), ward schwarz, schwoll auf, erhärtete an der Oberfläche, sprang endlich auf, und verbreitete durch die Risse brennende Dämpfe, die sogleich bey Berührung der Luft in Flammen ausbrachen. Dieser Brand dauerte 10 Stunden, und das Feuer ließ sich durch Anblasen wieder erneuern. Fünf und zwanzig Pfund von jener Materie zur Sommerszeit in einem mit Leinwand bedeckten Topfe in die Erde vergraben, und einen Fuß hoch mit Erde bedeckt, hoben nach 3--4 Tagen die darüber liegende Erde, gaben heiße Schwefeldämpfe, und endlich eine Flamme, welche schwarz und gelbes Pulver umher warf. Dieser Versuch stellte gleichsam einen Vulkan im Kleinen dar. Er ist nachher mehreremale, unter andern noch von Baume, mit gleichem Erfolge wiederholt worden.

Nun ist in den Schwefelkiesen die sich in großer Menge unter der Erde befinden, Schwefel und Eisen chymisch vereiniget. Beym Zugange der Luft und Feuchtigkeit erleiden diese Kiese eine Zersetzung, welche man ihr Verwittern (fermentatio fossilis) nennt. Sie verlieren ihren metallischen Glanz und zerfallen in ein Pulver, welches nun einen herben salzigen Geschmack hat. Sie sind in beträchtlicher Menge beysammen, und können Luft und Feuchtigkeit gemeinschaftlich wirken, so entsteht dabey eine beträchtliche Hitze, die unter günstigen Umständen in wirkliche Entzündung ausbricht. Was hiebey vorgeht, läßt sich anjetzt deutlicher, als zu Lemery's Zeiten, aus einander setzen. Die Luft nimmt das Phlogiston des Schwesels in sich, dessen Säure frey wird, und mit dem Eisen einen Vitriol, mit den erdigten Theilen der Kiese Mittelsalze bildet; das Wasser befördert die Auflösungskraft dieser Stoffe; Hitze


Mém. de l' acad. de Paris, 1700.) gab dieſem Gedanken ein unerwartetes Licht, indem er folgenden in der Phyſik ſehr beruͤhmt gewordenen Verſuch bekannt machte. Er miſchte gepuͤlverten Schwefel mit Eiſenfeile zu gleichen Theilen, und knetete die Maſſe mit eben ſo viel Waſſer zu einem Teige. Es ſtieg ſogleich ein hepatiſcher Geruch auf, und wenn man warmes Waſſer genommen hatte, ſo erhitzte ſich das Gemiſch augenblicklich (mit kaltem erſt nach 4 Stunden), ward ſchwarz, ſchwoll auf, erhaͤrtete an der Oberflaͤche, ſprang endlich auf, und verbreitete durch die Riſſe brennende Daͤmpfe, die ſogleich bey Beruͤhrung der Luft in Flammen ausbrachen. Dieſer Brand dauerte 10 Stunden, und das Feuer ließ ſich durch Anblaſen wieder erneuern. Fuͤnf und zwanzig Pfund von jener Materie zur Sommerszeit in einem mit Leinwand bedeckten Topfe in die Erde vergraben, und einen Fuß hoch mit Erde bedeckt, hoben nach 3—4 Tagen die daruͤber liegende Erde, gaben heiße Schwefeldaͤmpfe, und endlich eine Flamme, welche ſchwarz und gelbes Pulver umher warf. Dieſer Verſuch ſtellte gleichſam einen Vulkan im Kleinen dar. Er iſt nachher mehreremale, unter andern noch von Baumé, mit gleichem Erfolge wiederholt worden.

Nun iſt in den Schwefelkieſen die ſich in großer Menge unter der Erde befinden, Schwefel und Eiſen chymiſch vereiniget. Beym Zugange der Luft und Feuchtigkeit erleiden dieſe Kieſe eine Zerſetzung, welche man ihr Verwittern (fermentatio foſſilis) nennt. Sie verlieren ihren metalliſchen Glanz und zerfallen in ein Pulver, welches nun einen herben ſalzigen Geſchmack hat. Sie ſind in betraͤchtlicher Menge beyſammen, und koͤnnen Luft und Feuchtigkeit gemeinſchaftlich wirken, ſo entſteht dabey eine betraͤchtliche Hitze, die unter guͤnſtigen Umſtaͤnden in wirkliche Entzuͤndung ausbricht. Was hiebey vorgeht, laͤßt ſich anjetzt deutlicher, als zu Lemery's Zeiten, aus einander ſetzen. Die Luft nimmt das Phlogiſton des Schweſels in ſich, deſſen Saͤure frey wird, und mit dem Eiſen einen Vitriol, mit den erdigten Theilen der Kieſe Mittelſalze bildet; das Waſſer befoͤrdert die Aufloͤſungskraft dieſer Stoffe; Hitze

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[516/0526] Mém. de l' acad. de Paris, 1700.) gab dieſem Gedanken ein unerwartetes Licht, indem er folgenden in der Phyſik ſehr beruͤhmt gewordenen Verſuch bekannt machte. Er miſchte gepuͤlverten Schwefel mit Eiſenfeile zu gleichen Theilen, und knetete die Maſſe mit eben ſo viel Waſſer zu einem Teige. Es ſtieg ſogleich ein hepatiſcher Geruch auf, und wenn man warmes Waſſer genommen hatte, ſo erhitzte ſich das Gemiſch augenblicklich (mit kaltem erſt nach 4 Stunden), ward ſchwarz, ſchwoll auf, erhaͤrtete an der Oberflaͤche, ſprang endlich auf, und verbreitete durch die Riſſe brennende Daͤmpfe, die ſogleich bey Beruͤhrung der Luft in Flammen ausbrachen. Dieſer Brand dauerte 10 Stunden, und das Feuer ließ ſich durch Anblaſen wieder erneuern. Fuͤnf und zwanzig Pfund von jener Materie zur Sommerszeit in einem mit Leinwand bedeckten Topfe in die Erde vergraben, und einen Fuß hoch mit Erde bedeckt, hoben nach 3—4 Tagen die daruͤber liegende Erde, gaben heiße Schwefeldaͤmpfe, und endlich eine Flamme, welche ſchwarz und gelbes Pulver umher warf. Dieſer Verſuch ſtellte gleichſam einen Vulkan im Kleinen dar. Er iſt nachher mehreremale, unter andern noch von Baumé, mit gleichem Erfolge wiederholt worden. Nun iſt in den Schwefelkieſen die ſich in großer Menge unter der Erde befinden, Schwefel und Eiſen chymiſch vereiniget. Beym Zugange der Luft und Feuchtigkeit erleiden dieſe Kieſe eine Zerſetzung, welche man ihr Verwittern (fermentatio foſſilis) nennt. Sie verlieren ihren metalliſchen Glanz und zerfallen in ein Pulver, welches nun einen herben ſalzigen Geſchmack hat. Sie ſind in betraͤchtlicher Menge beyſammen, und koͤnnen Luft und Feuchtigkeit gemeinſchaftlich wirken, ſo entſteht dabey eine betraͤchtliche Hitze, die unter guͤnſtigen Umſtaͤnden in wirkliche Entzuͤndung ausbricht. Was hiebey vorgeht, laͤßt ſich anjetzt deutlicher, als zu Lemery's Zeiten, aus einander ſetzen. Die Luft nimmt das Phlogiſton des Schweſels in ſich, deſſen Saͤure frey wird, und mit dem Eiſen einen Vitriol, mit den erdigten Theilen der Kieſe Mittelſalze bildet; das Waſſer befoͤrdert die Aufloͤſungskraft dieſer Stoffe; Hitze

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/526>, abgerufen am 22.11.2024.