Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Hiedurch ward die allgemeine Aufmerksamkeit rege, und man fand nun Spuren von Vulkanen an Orten, wo man sonst dergleichen kaum vermuthet hätte. Wenn auch hiebey Mancher der Einbildungskraft zu viel verstattet, und überall erloschene Vulkane gesehen hat, wo nur kegelförmige Berge, Basalte und andere zu den vulkanischen Produkten gezählte Materien vorkamen (von welchem Vorwurfe Herr de Lüc selbst nicht ganz frey blieb); so ist doch soviel durch unläugbar richtige Beobachtungen erwiesen, daß die Vulkane in den ältesten Zeiten sehr häufig gewesen sind, und an der Bildung und jetzigen Gestalt der Erdfläche einen überaus großen Antheil genommen haben.

Um die Ursache einer so wichtigen und furchtbaren Naturbegebenheit zu erklären, nahmen die ältern Physiker ein immerwährendes mitten im Kerne der Erdkugel brennendes Feuer an, s. Centralfeuer. Man sahe sich aber in neuern Zeiten bald genöthiget, diesen groben Begrif zu verwerfen, das unterirdische Feuer, welches die offenbare nächste Ursache der vulkanischen Ausbrüche ist, näher an die Oberfläche zu versetzen, und von seiner Entstehung und Erhaltung weitere Ursachen aufzusuchen. Hiebey war es nun natürlich, auf Erklärungen aus irgend einer Selbstentzündung zu verfallen. Man kannte aber damals noch wenig Erscheinungen dieser Art.

D. Martin Lister (The cause of the Earth-quakes and Volcano's in Philos. Trans. Num. 157. p. 512.), der sonst durch viele seltsame Erklärungen bekannt ist, fiel zuerst darauf, Vulkane, Erdbeben und Gewitter aus entzündeten Dämpfen der Schwefelkiese herzuleiten, von welchen Dämpfen er behauptet, daß sie aus einem wahren Schwefel bestünden, und die Fähigkeit hätten, sich durch Reiben oder Vermischung mit andern Substanzen von selbst zu entzünden. Doch hielt er die freywillige Entzündung nicht einmal für nöthig zur Erklärung der Vulkane, weil er glaubte, daß diese noch von der Schöpfung her unaufhörlich fortbrennten.

Der ältere Lemery (Explication phys. et chymique des feux souterrains, des tremblemens de terre etc. in


Hiedurch ward die allgemeine Aufmerkſamkeit rege, und man fand nun Spuren von Vulkanen an Orten, wo man ſonſt dergleichen kaum vermuthet haͤtte. Wenn auch hiebey Mancher der Einbildungskraft zu viel verſtattet, und uͤberall erloſchene Vulkane geſehen hat, wo nur kegelfoͤrmige Berge, Baſalte und andere zu den vulkaniſchen Produkten gezaͤhlte Materien vorkamen (von welchem Vorwurfe Herr de Luͤc ſelbſt nicht ganz frey blieb); ſo iſt doch ſoviel durch unlaͤugbar richtige Beobachtungen erwieſen, daß die Vulkane in den aͤlteſten Zeiten ſehr haͤufig geweſen ſind, und an der Bildung und jetzigen Geſtalt der Erdflaͤche einen uͤberaus großen Antheil genommen haben.

Um die Urſache einer ſo wichtigen und furchtbaren Naturbegebenheit zu erklaͤren, nahmen die aͤltern Phyſiker ein immerwaͤhrendes mitten im Kerne der Erdkugel brennendes Feuer an, ſ. Centralfeuer. Man ſahe ſich aber in neuern Zeiten bald genoͤthiget, dieſen groben Begrif zu verwerfen, das unterirdiſche Feuer, welches die offenbare naͤchſte Urſache der vulkaniſchen Ausbruͤche iſt, naͤher an die Oberflaͤche zu verſetzen, und von ſeiner Entſtehung und Erhaltung weitere Urſachen aufzuſuchen. Hiebey war es nun natuͤrlich, auf Erklaͤrungen aus irgend einer Selbſtentzuͤndung zu verfallen. Man kannte aber damals noch wenig Erſcheinungen dieſer Art.

D. Martin Liſter (The cauſe of the Earth-quakes and Volcano's in Philoſ. Trans. Num. 157. p. 512.), der ſonſt durch viele ſeltſame Erklaͤrungen bekannt iſt, fiel zuerſt darauf, Vulkane, Erdbeben und Gewitter aus entzuͤndeten Daͤmpfen der Schwefelkieſe herzuleiten, von welchen Daͤmpfen er behauptet, daß ſie aus einem wahren Schwefel beſtuͤnden, und die Faͤhigkeit haͤtten, ſich durch Reiben oder Vermiſchung mit andern Subſtanzen von ſelbſt zu entzuͤnden. Doch hielt er die freywillige Entzuͤndung nicht einmal fuͤr noͤthig zur Erklaͤrung der Vulkane, weil er glaubte, daß dieſe noch von der Schoͤpfung her unaufhoͤrlich fortbrennten.

Der aͤltere Lemery (Explication phyſ. et chymique des feux ſouterrains, des tremblemens de terre etc. in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0525" xml:id="P.4.515" n="515"/><lb/>
Hiedurch ward die allgemeine Aufmerk&#x017F;amkeit rege, und man fand nun Spuren von Vulkanen an Orten, wo man &#x017F;on&#x017F;t dergleichen kaum vermuthet ha&#x0364;tte. Wenn auch hiebey Mancher der Einbildungskraft zu viel ver&#x017F;tattet, und u&#x0364;berall erlo&#x017F;chene Vulkane ge&#x017F;ehen hat, wo nur kegelfo&#x0364;rmige Berge, Ba&#x017F;alte und andere zu den vulkani&#x017F;chen Produkten geza&#x0364;hlte Materien vorkamen (von welchem Vorwurfe Herr <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> &#x017F;elb&#x017F;t nicht ganz frey blieb); &#x017F;o i&#x017F;t doch &#x017F;oviel durch unla&#x0364;ugbar richtige Beobachtungen erwie&#x017F;en, daß die Vulkane in den a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig gewe&#x017F;en &#x017F;ind, und an der Bildung und jetzigen Ge&#x017F;talt der Erdfla&#x0364;che einen u&#x0364;beraus großen Antheil genommen haben.</p>
            <p>Um die Ur&#x017F;ache einer &#x017F;o wichtigen und furchtbaren Naturbegebenheit zu erkla&#x0364;ren, nahmen die a&#x0364;ltern Phy&#x017F;iker ein immerwa&#x0364;hrendes mitten im Kerne der Erdkugel brennendes Feuer an, <hi rendition="#b">&#x017F;. Centralfeuer.</hi> Man &#x017F;ahe &#x017F;ich aber in neuern Zeiten bald geno&#x0364;thiget, die&#x017F;en groben Begrif zu verwerfen, das <hi rendition="#b">unterirdi&#x017F;che Feuer,</hi> welches die offenbare na&#x0364;ch&#x017F;te Ur&#x017F;ache der vulkani&#x017F;chen Ausbru&#x0364;che i&#x017F;t, na&#x0364;her an die Oberfla&#x0364;che zu ver&#x017F;etzen, und von &#x017F;einer Ent&#x017F;tehung und Erhaltung weitere Ur&#x017F;achen aufzu&#x017F;uchen. Hiebey war es nun natu&#x0364;rlich, auf Erkla&#x0364;rungen aus irgend einer Selb&#x017F;tentzu&#x0364;ndung zu verfallen. Man kannte aber damals noch wenig Er&#x017F;cheinungen die&#x017F;er Art.</p>
            <p><hi rendition="#b">D. Martin Li&#x017F;ter</hi> (<hi rendition="#aq">The cau&#x017F;e of the Earth-quakes and Volcano's in Philo&#x017F;. Trans. Num. 157. p. 512.</hi>), der &#x017F;on&#x017F;t durch viele &#x017F;elt&#x017F;ame Erkla&#x0364;rungen bekannt i&#x017F;t, fiel zuer&#x017F;t darauf, Vulkane, Erdbeben und Gewitter aus entzu&#x0364;ndeten Da&#x0364;mpfen der <hi rendition="#b">Schwefelkie&#x017F;e</hi> herzuleiten, von welchen Da&#x0364;mpfen er behauptet, daß &#x017F;ie aus einem wahren Schwefel be&#x017F;tu&#x0364;nden, und die Fa&#x0364;higkeit ha&#x0364;tten, &#x017F;ich durch Reiben oder Vermi&#x017F;chung mit andern Sub&#x017F;tanzen von &#x017F;elb&#x017F;t zu entzu&#x0364;nden. Doch hielt er die freywillige Entzu&#x0364;ndung nicht einmal fu&#x0364;r no&#x0364;thig zur Erkla&#x0364;rung der Vulkane, weil er glaubte, daß die&#x017F;e noch von der Scho&#x0364;pfung her unaufho&#x0364;rlich fortbrennten.</p>
            <p>Der a&#x0364;ltere <hi rendition="#b">Lemery</hi> (<hi rendition="#aq">Explication phy&#x017F;. et chymique des feux &#x017F;outerrains, des tremblemens de terre etc.</hi> in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[515/0525] Hiedurch ward die allgemeine Aufmerkſamkeit rege, und man fand nun Spuren von Vulkanen an Orten, wo man ſonſt dergleichen kaum vermuthet haͤtte. Wenn auch hiebey Mancher der Einbildungskraft zu viel verſtattet, und uͤberall erloſchene Vulkane geſehen hat, wo nur kegelfoͤrmige Berge, Baſalte und andere zu den vulkaniſchen Produkten gezaͤhlte Materien vorkamen (von welchem Vorwurfe Herr de Luͤc ſelbſt nicht ganz frey blieb); ſo iſt doch ſoviel durch unlaͤugbar richtige Beobachtungen erwieſen, daß die Vulkane in den aͤlteſten Zeiten ſehr haͤufig geweſen ſind, und an der Bildung und jetzigen Geſtalt der Erdflaͤche einen uͤberaus großen Antheil genommen haben. Um die Urſache einer ſo wichtigen und furchtbaren Naturbegebenheit zu erklaͤren, nahmen die aͤltern Phyſiker ein immerwaͤhrendes mitten im Kerne der Erdkugel brennendes Feuer an, ſ. Centralfeuer. Man ſahe ſich aber in neuern Zeiten bald genoͤthiget, dieſen groben Begrif zu verwerfen, das unterirdiſche Feuer, welches die offenbare naͤchſte Urſache der vulkaniſchen Ausbruͤche iſt, naͤher an die Oberflaͤche zu verſetzen, und von ſeiner Entſtehung und Erhaltung weitere Urſachen aufzuſuchen. Hiebey war es nun natuͤrlich, auf Erklaͤrungen aus irgend einer Selbſtentzuͤndung zu verfallen. Man kannte aber damals noch wenig Erſcheinungen dieſer Art. D. Martin Liſter (The cauſe of the Earth-quakes and Volcano's in Philoſ. Trans. Num. 157. p. 512.), der ſonſt durch viele ſeltſame Erklaͤrungen bekannt iſt, fiel zuerſt darauf, Vulkane, Erdbeben und Gewitter aus entzuͤndeten Daͤmpfen der Schwefelkieſe herzuleiten, von welchen Daͤmpfen er behauptet, daß ſie aus einem wahren Schwefel beſtuͤnden, und die Faͤhigkeit haͤtten, ſich durch Reiben oder Vermiſchung mit andern Subſtanzen von ſelbſt zu entzuͤnden. Doch hielt er die freywillige Entzuͤndung nicht einmal fuͤr noͤthig zur Erklaͤrung der Vulkane, weil er glaubte, daß dieſe noch von der Schoͤpfung her unaufhoͤrlich fortbrennten. Der aͤltere Lemery (Explication phyſ. et chymique des feux ſouterrains, des tremblemens de terre etc. in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/525
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/525>, abgerufen am 22.11.2024.