Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


einen vitriolisirten Weinstein, der nach dem Krystallisiren Glasers Polychrestsalz heißt.

Stahl erklärte die Verpuffung aus dem im Salpeter befindlichen Brennbaren, welche Theorie Macquer noch mehr ausgebildet hat, indem er annahm, die Salpetersäure erzeuge mit dem Phlogiston einen sogenannten Salpeterschwefel, der sich bey seiner Entstehung im Glühfeuer sogleich entzünde und abbrenne. Die meisten Neuern hingegen schreiben das Verpuffen mit Priestley der dephlogististrten Luft zu, die sich aus dem glühenden Salpeter in Menge entwickelt, und in der bekanntermaßen alle brennbare Körper sehr schnell und heftig, mit Glanz und Knistern, verbrennen. Herr Gren erinnert doch, man setze hiebey die Ursache nicht ein, warum die brennbaren Körper nur in der unmittelbaren Berührung mit dem glühenden Salpeter, und nicht eben sowohl nahe über demselben, verpuffen, und warum andere Stoffe, welche eben so viel dephlogistisirte Luft geben, z. B. Braunstein, nicht auch verpuffen. Er nimmt daher an, daß auch die Salpetersäure am Verpuffen Antheil habe, indem sie das Phlogiston anziehe, und damit ein verbrennliches Gemisch bilde, das man sehr wohl Salpeterschwefel nennen könne.

Die Salpetersäure soll nach der Behauptung der Meisten hiebey in Salpeterluft verwandelt werden. Es hat aber Herr Achard (in Crells chem. Annalen, I. 1784. B. II. S. 483 u. f.) bey der Verpuffung des Salpeters mit Kohlen in verschloßnen Gefäßen, durch genaue Untersuchung keine Salpeterluft, sondern blos phlogistisirte und fixe, gefunden. Daher scheint vielmehr die Salpetersäure durch die Verpuffung gänzlich zerstört zu werden. Das antiphlogistische System erklärt diese Erscheinung sehr leicht. Nach demselben besteht die Salpetersäure aus dem Oxygen und Azote (der Basis der phlogistisirten Luft). Durchs Verpuffen wird sie in diese Bestandtheile zerlegt, welche in neue Verbindungen treten, so daß das Oxygen mit Feuer und Kohlenstof zu Luftsäure, das Azote mit Feuer zu azotischem Gas (phlogistisirter Luft) gebunden wird.


einen vitrioliſirten Weinſtein, der nach dem Kryſtalliſiren Glaſers Polychreſtſalz heißt.

Stahl erklaͤrte die Verpuffung aus dem im Salpeter befindlichen Brennbaren, welche Theorie Macquer noch mehr ausgebildet hat, indem er annahm, die Salpeterſaͤure erzeuge mit dem Phlogiſton einen ſogenannten Salpeterſchwefel, der ſich bey ſeiner Entſtehung im Gluͤhfeuer ſogleich entzuͤnde und abbrenne. Die meiſten Neuern hingegen ſchreiben das Verpuffen mit Prieſtley der dephlogiſtiſtrten Luft zu, die ſich aus dem gluͤhenden Salpeter in Menge entwickelt, und in der bekanntermaßen alle brennbare Koͤrper ſehr ſchnell und heftig, mit Glanz und Kniſtern, verbrennen. Herr Gren erinnert doch, man ſetze hiebey die Urſache nicht ein, warum die brennbaren Koͤrper nur in der unmittelbaren Beruͤhrung mit dem gluͤhenden Salpeter, und nicht eben ſowohl nahe uͤber demſelben, verpuffen, und warum andere Stoffe, welche eben ſo viel dephlogiſtiſirte Luft geben, z. B. Braunſtein, nicht auch verpuffen. Er nimmt daher an, daß auch die Salpeterſaͤure am Verpuffen Antheil habe, indem ſie das Phlogiſton anziehe, und damit ein verbrennliches Gemiſch bilde, das man ſehr wohl Salpeterſchwefel nennen koͤnne.

Die Salpeterſaͤure ſoll nach der Behauptung der Meiſten hiebey in Salpeterluft verwandelt werden. Es hat aber Herr Achard (in Crells chem. Annalen, I. 1784. B. II. S. 483 u. f.) bey der Verpuffung des Salpeters mit Kohlen in verſchloßnen Gefaͤßen, durch genaue Unterſuchung keine Salpeterluft, ſondern blos phlogiſtiſirte und fixe, gefunden. Daher ſcheint vielmehr die Salpeterſaͤure durch die Verpuffung gaͤnzlich zerſtoͤrt zu werden. Das antiphlogiſtiſche Syſtem erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr leicht. Nach demſelben beſteht die Salpeterſaͤure aus dem Oxygen und Azote (der Baſis der phlogiſtiſirten Luft). Durchs Verpuffen wird ſie in dieſe Beſtandtheile zerlegt, welche in neue Verbindungen treten, ſo daß das Oxygen mit Feuer und Kohlenſtof zu Luftſaͤure, das Azote mit Feuer zu azotiſchem Gas (phlogiſtiſirter Luft) gebunden wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0475" xml:id="P.4.465" n="465"/><lb/>
einen vitrioli&#x017F;irten Wein&#x017F;tein, der nach dem Kry&#x017F;talli&#x017F;iren <hi rendition="#b">Gla&#x017F;ers Polychre&#x017F;t&#x017F;alz</hi> heißt.</p>
            <p><hi rendition="#b">Stahl</hi> erkla&#x0364;rte die Verpuffung aus dem im Salpeter befindlichen Brennbaren, welche Theorie <hi rendition="#b">Macquer</hi> noch mehr ausgebildet hat, indem er annahm, die Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure erzeuge mit dem Phlogi&#x017F;ton einen &#x017F;ogenannten <hi rendition="#b">Salpeter&#x017F;chwefel,</hi> der &#x017F;ich bey &#x017F;einer Ent&#x017F;tehung im Glu&#x0364;hfeuer &#x017F;ogleich entzu&#x0364;nde und abbrenne. Die mei&#x017F;ten Neuern hingegen &#x017F;chreiben das Verpuffen mit <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> der dephlogi&#x017F;ti&#x017F;trten Luft zu, die &#x017F;ich aus dem glu&#x0364;henden Salpeter in Menge entwickelt, und in der bekanntermaßen alle brennbare Ko&#x0364;rper &#x017F;ehr &#x017F;chnell und heftig, mit Glanz und Kni&#x017F;tern, verbrennen. Herr <hi rendition="#b">Gren</hi> erinnert doch, man &#x017F;etze hiebey die Ur&#x017F;ache nicht ein, warum die brennbaren Ko&#x0364;rper nur in der unmittelbaren Beru&#x0364;hrung mit dem glu&#x0364;henden Salpeter, und nicht eben &#x017F;owohl nahe u&#x0364;ber dem&#x017F;elben, verpuffen, und warum andere Stoffe, welche eben &#x017F;o viel dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irte Luft geben, z. B. Braun&#x017F;tein, nicht auch verpuffen. Er nimmt daher an, daß auch die Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure am Verpuffen Antheil habe, indem &#x017F;ie das Phlogi&#x017F;ton anziehe, und damit ein verbrennliches Gemi&#x017F;ch bilde, das man &#x017F;ehr wohl Salpeter&#x017F;chwefel nennen ko&#x0364;nne.</p>
            <p>Die Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure &#x017F;oll nach der Behauptung der Mei&#x017F;ten hiebey in Salpeterluft verwandelt werden. Es hat aber Herr <hi rendition="#b">Achard</hi> (in <hi rendition="#b">Crells</hi> chem. Annalen, I. 1784. B. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 483 u. f.) bey der Verpuffung des Salpeters mit Kohlen in ver&#x017F;chloßnen Gefa&#x0364;ßen, durch genaue Unter&#x017F;uchung keine Salpeterluft, &#x017F;ondern blos phlogi&#x017F;ti&#x017F;irte und fixe, gefunden. Daher &#x017F;cheint vielmehr die Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure durch die Verpuffung ga&#x0364;nzlich zer&#x017F;to&#x0364;rt zu werden. Das antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Sy&#x017F;tem erkla&#x0364;rt die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung &#x017F;ehr leicht. Nach dem&#x017F;elben be&#x017F;teht die Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure aus dem Oxygen und Azote (der Ba&#x017F;is der phlogi&#x017F;ti&#x017F;irten Luft). Durchs Verpuffen wird &#x017F;ie in die&#x017F;e Be&#x017F;tandtheile zerlegt, welche in neue Verbindungen treten, &#x017F;o daß das Oxygen mit Feuer und Kohlen&#x017F;tof zu Luft&#x017F;a&#x0364;ure, das Azote mit Feuer zu azoti&#x017F;chem Gas (phlogi&#x017F;ti&#x017F;irter Luft) gebunden wird.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0475] einen vitrioliſirten Weinſtein, der nach dem Kryſtalliſiren Glaſers Polychreſtſalz heißt. Stahl erklaͤrte die Verpuffung aus dem im Salpeter befindlichen Brennbaren, welche Theorie Macquer noch mehr ausgebildet hat, indem er annahm, die Salpeterſaͤure erzeuge mit dem Phlogiſton einen ſogenannten Salpeterſchwefel, der ſich bey ſeiner Entſtehung im Gluͤhfeuer ſogleich entzuͤnde und abbrenne. Die meiſten Neuern hingegen ſchreiben das Verpuffen mit Prieſtley der dephlogiſtiſtrten Luft zu, die ſich aus dem gluͤhenden Salpeter in Menge entwickelt, und in der bekanntermaßen alle brennbare Koͤrper ſehr ſchnell und heftig, mit Glanz und Kniſtern, verbrennen. Herr Gren erinnert doch, man ſetze hiebey die Urſache nicht ein, warum die brennbaren Koͤrper nur in der unmittelbaren Beruͤhrung mit dem gluͤhenden Salpeter, und nicht eben ſowohl nahe uͤber demſelben, verpuffen, und warum andere Stoffe, welche eben ſo viel dephlogiſtiſirte Luft geben, z. B. Braunſtein, nicht auch verpuffen. Er nimmt daher an, daß auch die Salpeterſaͤure am Verpuffen Antheil habe, indem ſie das Phlogiſton anziehe, und damit ein verbrennliches Gemiſch bilde, das man ſehr wohl Salpeterſchwefel nennen koͤnne. Die Salpeterſaͤure ſoll nach der Behauptung der Meiſten hiebey in Salpeterluft verwandelt werden. Es hat aber Herr Achard (in Crells chem. Annalen, I. 1784. B. II. S. 483 u. f.) bey der Verpuffung des Salpeters mit Kohlen in verſchloßnen Gefaͤßen, durch genaue Unterſuchung keine Salpeterluft, ſondern blos phlogiſtiſirte und fixe, gefunden. Daher ſcheint vielmehr die Salpeterſaͤure durch die Verpuffung gaͤnzlich zerſtoͤrt zu werden. Das antiphlogiſtiſche Syſtem erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr leicht. Nach demſelben beſteht die Salpeterſaͤure aus dem Oxygen und Azote (der Baſis der phlogiſtiſirten Luft). Durchs Verpuffen wird ſie in dieſe Beſtandtheile zerlegt, welche in neue Verbindungen treten, ſo daß das Oxygen mit Feuer und Kohlenſtof zu Luftſaͤure, das Azote mit Feuer zu azotiſchem Gas (phlogiſtiſirter Luft) gebunden wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/475
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/475>, abgerufen am 22.11.2024.