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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Diese Erklärung scheint nun ganz ungezwungen aus den Phänomenen selbst zu folgen. Das verkalkte Metall nimmt an Umfang und Gewicht zugleich zu; die Luft, in der die Verkalkung geschieht, nimmt an beyden zugleich ab, und zwar am Gewichte so viel, als das Metall zunimmt. Was läßt sich natürlicher hieraus folgern, als daß eben das dem Metalle beytrete, was der Luft abgeht, oder entzogen wird, nemlich ihr reiner auf die Verkalkung verwendeter Theil? Wenn dieser mehr wiegt, als das dem Metalle entzogne und nun mit der Luft verbundne Phlogiston, so ist durch diese Verwechselung der Stoffe die Gewichtszunahme der Kalke sowohl, als die Verminderung und das Leichterwerden der Luft, erklärt.

Dennoch setzt Herr D. Gren dieser Erklärung entgegen, es sey widersprechend, daß in der Glühhitze, welche alles expandire und den Stoffen vielmehr die Luftgestalt zu geben geschickt sey, irgend eine Luftart figirt werden und ihre elastische Form verlieren solle. Er führet ferner an, man erhalte nur aus solchen Metallkalken fixe oder dephlogistisirte Luft, welche schon lange dem Zugange der Luft ausgesetzt gewesen wären, und aus ihr Luftsäure und Wasser eingesogen hätten; es lasse sich beym Verglasen der ganz frisch bereiteten und noch heißen Metallkalke keine Abnahme des Gewichts bemerken, und überhaupt aus denselben nichts Gasartiges austreiben (Gren Diss. de genesi aeris sixi Exp. XXIV. XXV. p. 55); und das Aufbrausen bey der Reduction rühre blos von der Luftsäure der Reducirmittel her.

Ich maße mir nicht an, über diese scharfsinnig ausgedachten Gründe entscheidend zu urtheilen. Doch darfich bemerken, daß wir wohl die Verwandtschaften des Wärmestofs noch zu wenig kennen, um zu behaupten, es sey ganz unmöglich und widersinnig, daß bey der Hitze des Verbrennens und Verkalkens, wobey doch die Luft wirklich zersetzt wird, ein Theil dieser zersetzten Luft vom Rückstande des verbrannten Körpers stärker, als vom Wärmestof, angezogen werde, und sich also in figirter Gestalt mit diesem Rückstande verbinde. Auch kan ich noch hinzusetzen, daß man fast bey allen hieher gehörigen Versuchen die Abwägungen erst angestellt


Dieſe Erklaͤrung ſcheint nun ganz ungezwungen aus den Phaͤnomenen ſelbſt zu folgen. Das verkalkte Metall nimmt an Umfang und Gewicht zugleich zu; die Luft, in der die Verkalkung geſchieht, nimmt an beyden zugleich ab, und zwar am Gewichte ſo viel, als das Metall zunimmt. Was laͤßt ſich natuͤrlicher hieraus folgern, als daß eben das dem Metalle beytrete, was der Luft abgeht, oder entzogen wird, nemlich ihr reiner auf die Verkalkung verwendeter Theil? Wenn dieſer mehr wiegt, als das dem Metalle entzogne und nun mit der Luft verbundne Phlogiſton, ſo iſt durch dieſe Verwechſelung der Stoffe die Gewichtszunahme der Kalke ſowohl, als die Verminderung und das Leichterwerden der Luft, erklaͤrt.

Dennoch ſetzt Herr D. Gren dieſer Erklaͤrung entgegen, es ſey widerſprechend, daß in der Gluͤhhitze, welche alles expandire und den Stoffen vielmehr die Luftgeſtalt zu geben geſchickt ſey, irgend eine Luftart figirt werden und ihre elaſtiſche Form verlieren ſolle. Er fuͤhret ferner an, man erhalte nur aus ſolchen Metallkalken fixe oder dephlogiſtiſirte Luft, welche ſchon lange dem Zugange der Luft ausgeſetzt geweſen waͤren, und aus ihr Luftſaͤure und Waſſer eingeſogen haͤtten; es laſſe ſich beym Verglaſen der ganz friſch bereiteten und noch heißen Metallkalke keine Abnahme des Gewichts bemerken, und uͤberhaupt aus denſelben nichts Gasartiges austreiben (Gren Diſſ. de geneſi aëris ſixi Exp. XXIV. XXV. p. 55); und das Aufbrauſen bey der Reduction ruͤhre blos von der Luftſaͤure der Reducirmittel her.

Ich maße mir nicht an, uͤber dieſe ſcharfſinnig ausgedachten Gruͤnde entſcheidend zu urtheilen. Doch darfich bemerken, daß wir wohl die Verwandtſchaften des Waͤrmeſtofs noch zu wenig kennen, um zu behaupten, es ſey ganz unmoͤglich und widerſinnig, daß bey der Hitze des Verbrennens und Verkalkens, wobey doch die Luft wirklich zerſetzt wird, ein Theil dieſer zerſetzten Luft vom Ruͤckſtande des verbrannten Koͤrpers ſtaͤrker, als vom Waͤrmeſtof, angezogen werde, und ſich alſo in figirter Geſtalt mit dieſem Ruͤckſtande verbinde. Auch kan ich noch hinzuſetzen, daß man faſt bey allen hieher gehoͤrigen Verſuchen die Abwaͤgungen erſt angeſtellt

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[459/0469] Dieſe Erklaͤrung ſcheint nun ganz ungezwungen aus den Phaͤnomenen ſelbſt zu folgen. Das verkalkte Metall nimmt an Umfang und Gewicht zugleich zu; die Luft, in der die Verkalkung geſchieht, nimmt an beyden zugleich ab, und zwar am Gewichte ſo viel, als das Metall zunimmt. Was laͤßt ſich natuͤrlicher hieraus folgern, als daß eben das dem Metalle beytrete, was der Luft abgeht, oder entzogen wird, nemlich ihr reiner auf die Verkalkung verwendeter Theil? Wenn dieſer mehr wiegt, als das dem Metalle entzogne und nun mit der Luft verbundne Phlogiſton, ſo iſt durch dieſe Verwechſelung der Stoffe die Gewichtszunahme der Kalke ſowohl, als die Verminderung und das Leichterwerden der Luft, erklaͤrt. Dennoch ſetzt Herr D. Gren dieſer Erklaͤrung entgegen, es ſey widerſprechend, daß in der Gluͤhhitze, welche alles expandire und den Stoffen vielmehr die Luftgeſtalt zu geben geſchickt ſey, irgend eine Luftart figirt werden und ihre elaſtiſche Form verlieren ſolle. Er fuͤhret ferner an, man erhalte nur aus ſolchen Metallkalken fixe oder dephlogiſtiſirte Luft, welche ſchon lange dem Zugange der Luft ausgeſetzt geweſen waͤren, und aus ihr Luftſaͤure und Waſſer eingeſogen haͤtten; es laſſe ſich beym Verglaſen der ganz friſch bereiteten und noch heißen Metallkalke keine Abnahme des Gewichts bemerken, und uͤberhaupt aus denſelben nichts Gasartiges austreiben (Gren Diſſ. de geneſi aëris ſixi Exp. XXIV. XXV. p. 55); und das Aufbrauſen bey der Reduction ruͤhre blos von der Luftſaͤure der Reducirmittel her. Ich maße mir nicht an, uͤber dieſe ſcharfſinnig ausgedachten Gruͤnde entſcheidend zu urtheilen. Doch darfich bemerken, daß wir wohl die Verwandtſchaften des Waͤrmeſtofs noch zu wenig kennen, um zu behaupten, es ſey ganz unmoͤglich und widerſinnig, daß bey der Hitze des Verbrennens und Verkalkens, wobey doch die Luft wirklich zerſetzt wird, ein Theil dieſer zerſetzten Luft vom Ruͤckſtande des verbrannten Koͤrpers ſtaͤrker, als vom Waͤrmeſtof, angezogen werde, und ſich alſo in figirter Geſtalt mit dieſem Ruͤckſtande verbinde. Auch kan ich noch hinzuſetzen, daß man faſt bey allen hieher gehoͤrigen Verſuchen die Abwaͤgungen erſt angeſtellt

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/469>, abgerufen am 26.06.2024.