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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Smith's

vollständiger Lehrbegrif der Optik, durch Kästner, an mehrern Stellen.

Priestley Geschichte der Optik, durch Klügel. S. 69. 143 u. f. 475 u. f. 514.

Kästner Anfangsgr. der angewandten Math. Optik. §. 63. u. f.

Sehewinkel, Gesichtswinkel, optischer Winkel, Angulus opticus, Angulus visionis s. visorius, Angle optique, Angle visuel. Wenn Taf. XXII. Fig. 4. in O ein Auge steht, und von den beyden Endpunkten M, N einer Linie MN nach O gerade Linien gezogen werden, so heißt der Winkel MON der Sehewinkel, und man sagt, die Linie MN erscheine dem Auge O unter diesem Winkel. Man stellt sich hiebey das ganze Auge als einen Punkt vor, oder vielmehr: Man setzt O, den Scheitel des Sehewinkels, in den Mittelpunkt der Oefnung des Augensterns, oder auch in den Mittelpunkt der Krystallinse.

Die Linien MO und NO sind die Wege der Lichtstralen, welche von den äußersten Enden der Linie oder des Gegenstandes MN auf die Mitte der Linse kommen. Weil man von diesen Stralen annehmen kan, daß sie ungebrochen durch die Krystallinse gehen (wie Aa, Bb, Cc, Taf. III. Fig. 29.), so treffen ihre Verlängerungen Om und On auf die Grenzen des Bildes mn, welches auf der Netzhaut entworfen wird. Wenn nun der Gegenstand MN deutlich gesehen wird, so kommen alle Lichtstralen aus M in m, und alle aus N in n, zusammen, und die damit verknüpfte Empfindung stellt den Gegenstand so dar, daß seine scheinbaren Grenzen genau zwischen die Schenkel des Sehewinkels fallen.

Weil nun der Abstand der Grenzen die Größe des Gegenstands bestimmt, so ist der Sehewinkel zugleich das Maaß der scheinbaren Größe von MN, in so fern dieselbe blos von der reinen optischen Darstellung abhängt und von allen Urtheilen der Seele abgesondert betrachtet wird, s. Größe, scheinbare (Th. II. S. 537. u. f.). In diesem Sinne müssen also die scheinbaren Größen der Linien, oder die scheinbaren Durchmesser der Gegenstände, durch den Sehewinkel ausgedrückt, und wie Winkel in der Geometrie gemessen werden.


Smith's

vollſtaͤndiger Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, an mehrern Stellen.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel. S. 69. 143 u. f. 475 u. f. 514.

Kaͤſtner Anfangsgr. der angewandten Math. Optik. §. 63. u. f.

Sehewinkel, Geſichtswinkel, optiſcher Winkel, Angulus opticus, Angulus viſionis ſ. viſorius, Angle optique, Angle viſuel. Wenn Taf. XXII. Fig. 4. in O ein Auge ſteht, und von den beyden Endpunkten M, N einer Linie MN nach O gerade Linien gezogen werden, ſo heißt der Winkel MON der Sehewinkel, und man ſagt, die Linie MN erſcheine dem Auge O unter dieſem Winkel. Man ſtellt ſich hiebey das ganze Auge als einen Punkt vor, oder vielmehr: Man ſetzt O, den Scheitel des Sehewinkels, in den Mittelpunkt der Oefnung des Augenſterns, oder auch in den Mittelpunkt der Kryſtallinſe.

Die Linien MO und NO ſind die Wege der Lichtſtralen, welche von den aͤußerſten Enden der Linie oder des Gegenſtandes MN auf die Mitte der Linſe kommen. Weil man von dieſen Stralen annehmen kan, daß ſie ungebrochen durch die Kryſtallinſe gehen (wie Aa, Bb, Cc, Taf. III. Fig. 29.), ſo treffen ihre Verlaͤngerungen Om und On auf die Grenzen des Bildes mn, welches auf der Netzhaut entworfen wird. Wenn nun der Gegenſtand MN deutlich geſehen wird, ſo kommen alle Lichtſtralen aus M in m, und alle aus N in n, zuſammen, und die damit verknuͤpfte Empfindung ſtellt den Gegenſtand ſo dar, daß ſeine ſcheinbaren Grenzen genau zwiſchen die Schenkel des Sehewinkels fallen.

Weil nun der Abſtand der Grenzen die Groͤße des Gegenſtands beſtimmt, ſo iſt der Sehewinkel zugleich das Maaß der ſcheinbaren Groͤße von MN, in ſo fern dieſelbe blos von der reinen optiſchen Darſtellung abhaͤngt und von allen Urtheilen der Seele abgeſondert betrachtet wird, ſ. Groͤße, ſcheinbare (Th. II. S. 537. u. f.). In dieſem Sinne muͤſſen alſo die ſcheinbaren Groͤßen der Linien, oder die ſcheinbaren Durchmeſſer der Gegenſtaͤnde, durch den Sehewinkel ausgedruͤckt, und wie Winkel in der Geometrie gemeſſen werden.

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[29/0039] Smith's vollſtaͤndiger Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, an mehrern Stellen. Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel. S. 69. 143 u. f. 475 u. f. 514. Kaͤſtner Anfangsgr. der angewandten Math. Optik. §. 63. u. f. Sehewinkel, Geſichtswinkel, optiſcher Winkel, Angulus opticus, Angulus viſionis ſ. viſorius, Angle optique, Angle viſuel. Wenn Taf. XXII. Fig. 4. in O ein Auge ſteht, und von den beyden Endpunkten M, N einer Linie MN nach O gerade Linien gezogen werden, ſo heißt der Winkel MON der Sehewinkel, und man ſagt, die Linie MN erſcheine dem Auge O unter dieſem Winkel. Man ſtellt ſich hiebey das ganze Auge als einen Punkt vor, oder vielmehr: Man ſetzt O, den Scheitel des Sehewinkels, in den Mittelpunkt der Oefnung des Augenſterns, oder auch in den Mittelpunkt der Kryſtallinſe. Die Linien MO und NO ſind die Wege der Lichtſtralen, welche von den aͤußerſten Enden der Linie oder des Gegenſtandes MN auf die Mitte der Linſe kommen. Weil man von dieſen Stralen annehmen kan, daß ſie ungebrochen durch die Kryſtallinſe gehen (wie Aa, Bb, Cc, Taf. III. Fig. 29.), ſo treffen ihre Verlaͤngerungen Om und On auf die Grenzen des Bildes mn, welches auf der Netzhaut entworfen wird. Wenn nun der Gegenſtand MN deutlich geſehen wird, ſo kommen alle Lichtſtralen aus M in m, und alle aus N in n, zuſammen, und die damit verknuͤpfte Empfindung ſtellt den Gegenſtand ſo dar, daß ſeine ſcheinbaren Grenzen genau zwiſchen die Schenkel des Sehewinkels fallen. Weil nun der Abſtand der Grenzen die Groͤße des Gegenſtands beſtimmt, ſo iſt der Sehewinkel zugleich das Maaß der ſcheinbaren Groͤße von MN, in ſo fern dieſelbe blos von der reinen optiſchen Darſtellung abhaͤngt und von allen Urtheilen der Seele abgeſondert betrachtet wird, ſ. Groͤße, ſcheinbare (Th. II. S. 537. u. f.). In dieſem Sinne muͤſſen alſo die ſcheinbaren Groͤßen der Linien, oder die ſcheinbaren Durchmeſſer der Gegenſtaͤnde, durch den Sehewinkel ausgedruͤckt, und wie Winkel in der Geometrie gemeſſen werden.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/39>, abgerufen am 26.04.2024.