Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Boden, in welchem in zwo verschiedenen Höhen Leinwand ausgespannt war, zog zur Zeit des Thaues die obere Leinwand viel Wasser ein, indem die untere nur wenig annahm. Ward hingegen zu gleicher Zeit ein Theil des Rasens mit Glasscheiben bedeckt, so ward das bedeckte Gras dennoch eben so feucht, als das unbedeckte, und die Scheiben waren alsdann oben und unten naß, da sie horizontal einen Fuß hoch über der Erde gehalten, sich nur von oben beseuchteten. Daher scheint ihm das Bethauen der Körper in der Luft von einem wahren Niederfallen des Wassers herzurühren, die Befeuchtung der Pflanzen aber nur den Zustand der Luft, der das Fallen des Thaues hervorbringt, zu begleiten, aber noch eine andere Ursache zu haben, die vielleicht vom Mechanismus der Vegetation abhängen möge. Die untere Befeuchtung aufgehangner Glasscheiben beweise, daß selbst während des Thaues die Ausdünstung noch reichlich fortfahre.

Bey Tage ist die Feuchtheit der untern Luftschichten geringer, weil sie wärmer sind, und also mehr Wasser enthalten können, oder nach Herrn de Lüc Ausdrucke (Neue Ideen, §. 558.), weil sie durch die Wärme mehr von ihrem Maximum entfernt werden. Bey Sonnenuntergang und in der Nacht nimmt die Wärme in der Luft ab, in der Erde aber und im Wasser bleibt sie, daher die Ausdünstung fortdauert. Durch die Abnahme der Wärme nähern sich die Dünste ihrem Maximum, durch die Fortdauer der Ausdünstung überschreiten sie dasselbe; daher durch ihr Anhängen und Niederfallen der Thau entsteht. Daß die positive Luftelektricität beym Thaue stärker wird, erklärt Herr de Luc (§. 830.) mit de Saussure dadurch, daß der Thau einen Leiter bilde, der die Elektricität der obern Schichten in die untern überführe, welche letztern sonst wegen der Mittheilung an die Erdfläche allezeit eine etwas schwächere Elektricität zeigten.

Herr Hube (Ueber die Ausdünstung und ihre Wirkungen in der Atmosphäre. Leipzig, 1790. gr. 8. Cap. 35 und 36.), welcher neuerlich das Auflösungssystem wiederum sehr scharfsinnig vertheidiget hat, giebt nach demselben eine


Boden, in welchem in zwo verſchiedenen Hoͤhen Leinwand ausgeſpannt war, zog zur Zeit des Thaues die obere Leinwand viel Waſſer ein, indem die untere nur wenig annahm. Ward hingegen zu gleicher Zeit ein Theil des Raſens mit Glasſcheiben bedeckt, ſo ward das bedeckte Gras dennoch eben ſo feucht, als das unbedeckte, und die Scheiben waren alsdann oben und unten naß, da ſie horizontal einen Fuß hoch uͤber der Erde gehalten, ſich nur von oben beſeuchteten. Daher ſcheint ihm das Bethauen der Koͤrper in der Luft von einem wahren Niederfallen des Waſſers herzuruͤhren, die Befeuchtung der Pflanzen aber nur den Zuſtand der Luft, der das Fallen des Thaues hervorbringt, zu begleiten, aber noch eine andere Urſache zu haben, die vielleicht vom Mechanismus der Vegetation abhaͤngen moͤge. Die untere Befeuchtung aufgehangner Glasſcheiben beweiſe, daß ſelbſt waͤhrend des Thaues die Ausduͤnſtung noch reichlich fortfahre.

Bey Tage iſt die Feuchtheit der untern Luftſchichten geringer, weil ſie waͤrmer ſind, und alſo mehr Waſſer enthalten koͤnnen, oder nach Herrn de Luͤc Ausdrucke (Neue Ideen, §. 558.), weil ſie durch die Waͤrme mehr von ihrem Maximum entfernt werden. Bey Sonnenuntergang und in der Nacht nimmt die Waͤrme in der Luft ab, in der Erde aber und im Waſſer bleibt ſie, daher die Ausduͤnſtung fortdauert. Durch die Abnahme der Waͤrme naͤhern ſich die Duͤnſte ihrem Maximum, durch die Fortdauer der Ausduͤnſtung uͤberſchreiten ſie daſſelbe; daher durch ihr Anhaͤngen und Niederfallen der Thau entſteht. Daß die poſitive Luftelektricitaͤt beym Thaue ſtaͤrker wird, erklaͤrt Herr de Luc (§. 830.) mit de Sauſſure dadurch, daß der Thau einen Leiter bilde, der die Elektricitaͤt der obern Schichten in die untern uͤberfuͤhre, welche letztern ſonſt wegen der Mittheilung an die Erdflaͤche allezeit eine etwas ſchwaͤchere Elektricitaͤt zeigten.

Herr Hube (Ueber die Ausduͤnſtung und ihre Wirkungen in der Atmoſphaͤre. Leipzig, 1790. gr. 8. Cap. 35 und 36.), welcher neuerlich das Aufloͤſungsſyſtem wiederum ſehr ſcharfſinnig vertheidiget hat, giebt nach demſelben eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0303" xml:id="P.4.293" n="293"/><lb/>
Boden, in welchem in zwo ver&#x017F;chiedenen Ho&#x0364;hen Leinwand ausge&#x017F;pannt war, zog zur Zeit des Thaues die obere Leinwand viel Wa&#x017F;&#x017F;er ein, indem die untere nur wenig annahm. Ward hingegen zu gleicher Zeit ein Theil des Ra&#x017F;ens mit Glas&#x017F;cheiben bedeckt, &#x017F;o ward das bedeckte Gras dennoch eben &#x017F;o feucht, als das unbedeckte, und die Scheiben waren alsdann oben und unten naß, da &#x017F;ie horizontal einen Fuß hoch u&#x0364;ber der Erde gehalten, &#x017F;ich nur von oben be&#x017F;euchteten. Daher &#x017F;cheint ihm das Bethauen der Ko&#x0364;rper in der Luft von einem wahren Niederfallen des Wa&#x017F;&#x017F;ers herzuru&#x0364;hren, die Befeuchtung der Pflanzen aber nur den Zu&#x017F;tand der Luft, der das Fallen des Thaues hervorbringt, zu begleiten, aber noch eine andere Ur&#x017F;ache zu haben, die vielleicht vom Mechanismus der Vegetation abha&#x0364;ngen mo&#x0364;ge. Die untere Befeuchtung aufgehangner Glas&#x017F;cheiben bewei&#x017F;e, daß &#x017F;elb&#x017F;t wa&#x0364;hrend des Thaues die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung noch reichlich fortfahre.</p>
            <p>Bey Tage i&#x017F;t die Feuchtheit der untern Luft&#x017F;chichten geringer, weil &#x017F;ie wa&#x0364;rmer &#x017F;ind, und al&#x017F;o mehr Wa&#x017F;&#x017F;er enthalten ko&#x0364;nnen, oder nach Herrn <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> Ausdrucke (Neue Ideen, §. 558.), weil &#x017F;ie durch die Wa&#x0364;rme mehr von ihrem Maximum entfernt werden. Bey Sonnenuntergang und in der Nacht nimmt die Wa&#x0364;rme in der Luft ab, in der Erde aber und im Wa&#x017F;&#x017F;er bleibt &#x017F;ie, daher die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung <hi rendition="#b">fortdauert.</hi> Durch die Abnahme der Wa&#x0364;rme na&#x0364;hern &#x017F;ich die Du&#x0364;n&#x017F;te ihrem Maximum, durch die Fortdauer der Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung u&#x0364;ber&#x017F;chreiten &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe; daher durch ihr Anha&#x0364;ngen und Niederfallen der Thau ent&#x017F;teht. Daß die po&#x017F;itive Luftelektricita&#x0364;t beym Thaue &#x017F;ta&#x0364;rker wird, erkla&#x0364;rt Herr <hi rendition="#b">de Luc</hi> (§. 830.) mit de Sau&#x017F;&#x017F;ure dadurch, daß der Thau einen Leiter bilde, der die Elektricita&#x0364;t der obern Schichten in die untern u&#x0364;berfu&#x0364;hre, welche letztern &#x017F;on&#x017F;t wegen der Mittheilung an die Erdfla&#x0364;che allezeit eine etwas &#x017F;chwa&#x0364;chere Elektricita&#x0364;t zeigten.</p>
            <p>Herr <hi rendition="#b">Hube</hi> (Ueber die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung und ihre Wirkungen in der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re. Leipzig, 1790. gr. 8. Cap. 35 und 36.), welcher neuerlich das Auflo&#x0364;&#x017F;ungs&#x017F;y&#x017F;tem wiederum &#x017F;ehr &#x017F;charf&#x017F;innig vertheidiget hat, giebt nach dem&#x017F;elben eine<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0303] Boden, in welchem in zwo verſchiedenen Hoͤhen Leinwand ausgeſpannt war, zog zur Zeit des Thaues die obere Leinwand viel Waſſer ein, indem die untere nur wenig annahm. Ward hingegen zu gleicher Zeit ein Theil des Raſens mit Glasſcheiben bedeckt, ſo ward das bedeckte Gras dennoch eben ſo feucht, als das unbedeckte, und die Scheiben waren alsdann oben und unten naß, da ſie horizontal einen Fuß hoch uͤber der Erde gehalten, ſich nur von oben beſeuchteten. Daher ſcheint ihm das Bethauen der Koͤrper in der Luft von einem wahren Niederfallen des Waſſers herzuruͤhren, die Befeuchtung der Pflanzen aber nur den Zuſtand der Luft, der das Fallen des Thaues hervorbringt, zu begleiten, aber noch eine andere Urſache zu haben, die vielleicht vom Mechanismus der Vegetation abhaͤngen moͤge. Die untere Befeuchtung aufgehangner Glasſcheiben beweiſe, daß ſelbſt waͤhrend des Thaues die Ausduͤnſtung noch reichlich fortfahre. Bey Tage iſt die Feuchtheit der untern Luftſchichten geringer, weil ſie waͤrmer ſind, und alſo mehr Waſſer enthalten koͤnnen, oder nach Herrn de Luͤc Ausdrucke (Neue Ideen, §. 558.), weil ſie durch die Waͤrme mehr von ihrem Maximum entfernt werden. Bey Sonnenuntergang und in der Nacht nimmt die Waͤrme in der Luft ab, in der Erde aber und im Waſſer bleibt ſie, daher die Ausduͤnſtung fortdauert. Durch die Abnahme der Waͤrme naͤhern ſich die Duͤnſte ihrem Maximum, durch die Fortdauer der Ausduͤnſtung uͤberſchreiten ſie daſſelbe; daher durch ihr Anhaͤngen und Niederfallen der Thau entſteht. Daß die poſitive Luftelektricitaͤt beym Thaue ſtaͤrker wird, erklaͤrt Herr de Luc (§. 830.) mit de Sauſſure dadurch, daß der Thau einen Leiter bilde, der die Elektricitaͤt der obern Schichten in die untern uͤberfuͤhre, welche letztern ſonſt wegen der Mittheilung an die Erdflaͤche allezeit eine etwas ſchwaͤchere Elektricitaͤt zeigten. Herr Hube (Ueber die Ausduͤnſtung und ihre Wirkungen in der Atmoſphaͤre. Leipzig, 1790. gr. 8. Cap. 35 und 36.), welcher neuerlich das Aufloͤſungsſyſtem wiederum ſehr ſcharfſinnig vertheidiget hat, giebt nach demſelben eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/303
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/303>, abgerufen am 12.05.2024.