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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Weil der Luftkreis selbst von K bis A nicht einerley Dichte behält, sondern weiter herabwärts immer dichter wird, so müssen zwischen K und A noch mehr Brechungen gegen das Einfallsloth zu erfolgen. Und da die Dichte der Luft von oben herabwärts nicht sprungweise, sondern nach dem Gesetze der Stetigkeit, zunimmt, so geschehen solcher Brechungen unendlich viele, oder der Stral wird von K bis A an jeder Stelle seines Weges weiter gegen CK gelenkt. Daher bildet der Weg des Strals KA eine krumme gegen CK hohle Linie.

Dennoch bleiben alle Theile dieses Weges in der ersten Brechungsebene MKC, weil sich die Atmosphäre in concentrische Kugelschichten von verschiedener Dichte eintheilen läßt, so daß alle Einfallslothe durch den Mittelpunkt C gehen; daher jeder folgende Theil des krummen Weges in eben dieselbe Ebene durch C fallen muß, in welcher der vorhergehende Theil lag, mithin der ganze Weg in eben diejenige Ebene durch C fallen muß, in welcher die erste Brechung bey K geschahe, d. i. in die Ebene MKC. Diese ist nun eine Scheitelfläche des Beobachtungsortes A. Daher kan die Stralenbrechung oder der Winkel MKN nicht anders, als in einen Scheitelkreis des Beobachters fallen, und die Wirkung muß diese seyn, daß jedes Gestirn in seinem Scheitelkreise etwas höher erscheinet, als ohne die Brechung geschehen würde.

Steht das Gestirn im Zenith Z, so geht der Stral ZE, der auf alle concentrische Schichten des Luftkreises senkrecht fällt, ungebrochen durch alle hindurch. Hingegen fallen die Stralen MK, FO desto schiefer auf, und werden also desto stärker gebrochen, je näher das Gestirn dem Horizonte erscheint. Mithin giebt es im Zenith gar keine Stralenbrechungen, von da an nach dem Horizonte nehmen dieselben immer zu, und die im Horizonte, die Horizontalrefraction, ist unter allen am größten. Ob der Stern in der Linie KM weit oder nahe steht, thut nichts zur Sache; also ist die Stralenbrechung für Fixsterne, Planeten, Sonne, Mond rc. durchgängig einerley.


Weil der Luftkreis ſelbſt von K bis A nicht einerley Dichte behaͤlt, ſondern weiter herabwaͤrts immer dichter wird, ſo muͤſſen zwiſchen K und A noch mehr Brechungen gegen das Einfallsloth zu erfolgen. Und da die Dichte der Luft von oben herabwaͤrts nicht ſprungweiſe, ſondern nach dem Geſetze der Stetigkeit, zunimmt, ſo geſchehen ſolcher Brechungen unendlich viele, oder der Stral wird von K bis A an jeder Stelle ſeines Weges weiter gegen CK gelenkt. Daher bildet der Weg des Strals KA eine krumme gegen CK hohle Linie.

Dennoch bleiben alle Theile dieſes Weges in der erſten Brechungsebene MKC, weil ſich die Atmoſphaͤre in concentriſche Kugelſchichten von verſchiedener Dichte eintheilen laͤßt, ſo daß alle Einfallslothe durch den Mittelpunkt C gehen; daher jeder folgende Theil des krummen Weges in eben dieſelbe Ebene durch C fallen muß, in welcher der vorhergehende Theil lag, mithin der ganze Weg in eben diejenige Ebene durch C fallen muß, in welcher die erſte Brechung bey K geſchahe, d. i. in die Ebene MKC. Dieſe iſt nun eine Scheitelflaͤche des Beobachtungsortes A. Daher kan die Stralenbrechung oder der Winkel MKN nicht anders, als in einen Scheitelkreis des Beobachters fallen, und die Wirkung muß dieſe ſeyn, daß jedes Geſtirn in ſeinem Scheitelkreiſe etwas hoͤher erſcheinet, als ohne die Brechung geſchehen wuͤrde.

Steht das Geſtirn im Zenith Z, ſo geht der Stral ZE, der auf alle concentriſche Schichten des Luftkreiſes ſenkrecht faͤllt, ungebrochen durch alle hindurch. Hingegen fallen die Stralen MK, FO deſto ſchiefer auf, und werden alſo deſto ſtaͤrker gebrochen, je naͤher das Geſtirn dem Horizonte erſcheint. Mithin giebt es im Zenith gar keine Stralenbrechungen, von da an nach dem Horizonte nehmen dieſelben immer zu, und die im Horizonte, die Horizontalrefraction, iſt unter allen am groͤßten. Ob der Stern in der Linie KM weit oder nahe ſteht, thut nichts zur Sache; alſo iſt die Stralenbrechung fuͤr Fixſterne, Planeten, Sonne, Mond rc. durchgaͤngig einerley.

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[244/0254] Weil der Luftkreis ſelbſt von K bis A nicht einerley Dichte behaͤlt, ſondern weiter herabwaͤrts immer dichter wird, ſo muͤſſen zwiſchen K und A noch mehr Brechungen gegen das Einfallsloth zu erfolgen. Und da die Dichte der Luft von oben herabwaͤrts nicht ſprungweiſe, ſondern nach dem Geſetze der Stetigkeit, zunimmt, ſo geſchehen ſolcher Brechungen unendlich viele, oder der Stral wird von K bis A an jeder Stelle ſeines Weges weiter gegen CK gelenkt. Daher bildet der Weg des Strals KA eine krumme gegen CK hohle Linie. Dennoch bleiben alle Theile dieſes Weges in der erſten Brechungsebene MKC, weil ſich die Atmoſphaͤre in concentriſche Kugelſchichten von verſchiedener Dichte eintheilen laͤßt, ſo daß alle Einfallslothe durch den Mittelpunkt C gehen; daher jeder folgende Theil des krummen Weges in eben dieſelbe Ebene durch C fallen muß, in welcher der vorhergehende Theil lag, mithin der ganze Weg in eben diejenige Ebene durch C fallen muß, in welcher die erſte Brechung bey K geſchahe, d. i. in die Ebene MKC. Dieſe iſt nun eine Scheitelflaͤche des Beobachtungsortes A. Daher kan die Stralenbrechung oder der Winkel MKN nicht anders, als in einen Scheitelkreis des Beobachters fallen, und die Wirkung muß dieſe ſeyn, daß jedes Geſtirn in ſeinem Scheitelkreiſe etwas hoͤher erſcheinet, als ohne die Brechung geſchehen wuͤrde. Steht das Geſtirn im Zenith Z, ſo geht der Stral ZE, der auf alle concentriſche Schichten des Luftkreiſes ſenkrecht faͤllt, ungebrochen durch alle hindurch. Hingegen fallen die Stralen MK, FO deſto ſchiefer auf, und werden alſo deſto ſtaͤrker gebrochen, je naͤher das Geſtirn dem Horizonte erſcheint. Mithin giebt es im Zenith gar keine Stralenbrechungen, von da an nach dem Horizonte nehmen dieſelben immer zu, und die im Horizonte, die Horizontalrefraction, iſt unter allen am groͤßten. Ob der Stern in der Linie KM weit oder nahe ſteht, thut nichts zur Sache; alſo iſt die Stralenbrechung fuͤr Fixſterne, Planeten, Sonne, Mond rc. durchgaͤngig einerley.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/254>, abgerufen am 11.05.2024.