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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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da sie sich denn, wie MC, verhalten müßten. So etwas gilt auch von der Totalsumme aller der Drückungen, die beym Stoße elastischer Massen während der ganzen Zeit desselben statt gefunden haben; und wenn man unter dem Worte Kraft des Stoßes diese Totalsumme versteht, so läßt sie sich eben so wenig mit Gewichten vergleichen, weil sie eigentlich ein Integral ausmacht, von welchem jedes Element einem Drucke oder Gewichte gleich ist. Unter sich aber lassen sich solche Totalsummen wieder vergleichen, ohne Rücksicht auf die Zeit, binnen welcher sie erwachsen sind, und dabey kan man behaupten, daß sie sich wie MC verhalten würden. Dies wird noch einiges Licht über die vermeinten Maaße der Kräfte geben, s. Kraft (Th. I. S. 803. u. f.).

Einige, sonst nicht schlechte, Schriftsteller geben zu Messung der Kraft des Stoßes sehr unschickliche Vorschriften. Camus (Traite des forces mouvantes. P. I. ch. 3. prop. 5.) schlägt eine Bleykugel mit einem Hammer, der 1 Pfund wiegt, ohne Gewalt platt, und schließt, weil eine gleiche Kugel eben so platt zu drücken, 220 Pfund Gewicht erfordert werde, so sey der Schlag des Hammers einem Gewichte von 200 Pfund gleich. Die Worte: ohne Gewalt, sind unbestimmt, und sagen eigentlich gar nichts. Um sich bestimmter auszudrücken, hätte Camus die Höhe angeben können, aus welcher der Hammer frey herabfallen mußte, wenn er diese Wirkung thun sollte. Aber selbst dann hätte man noch keinen Begrif davon, wie viel der Schlag gethan habe; denn ein Schlag, der die Kugel in kürzerer oder längerer Zeit eben so platt gedrückt hätte, wäre ohne Zweifel stärker oder schwächer gewesen. Man hat überhaupt nicht nöthig, viel von Kräften oder Gewalt des Stoßes zu reden. So gebräuchlich diese Redensarten im gemeinen Leben sind, so lassen sich doch Wirkungen, die man hiebey einer Gewalt zuschreibt, ganz einfach aus Masse und Geschwindigkeit allein herleiten.

Kästner Anfangsgründe der höhern Mechanik. Göttingen, 1766. 8. S. 289. u. f.

Karsten Lehrbegrif der ges. Mathematik; Mechanik. IV. Th. Greifsw. 1769. 8. XV. XVII. XVIII. Abschnitt.


da ſie ſich denn, wie MC, verhalten muͤßten. So etwas gilt auch von der Totalſumme aller der Druͤckungen, die beym Stoße elaſtiſcher Maſſen waͤhrend der ganzen Zeit deſſelben ſtatt gefunden haben; und wenn man unter dem Worte Kraft des Stoßes dieſe Totalſumme verſteht, ſo laͤßt ſie ſich eben ſo wenig mit Gewichten vergleichen, weil ſie eigentlich ein Integral ausmacht, von welchem jedes Element einem Drucke oder Gewichte gleich iſt. Unter ſich aber laſſen ſich ſolche Totalſummen wieder vergleichen, ohne Ruͤckſicht auf die Zeit, binnen welcher ſie erwachſen ſind, und dabey kan man behaupten, daß ſie ſich wie MC verhalten wuͤrden. Dies wird noch einiges Licht uͤber die vermeinten Maaße der Kraͤfte geben, ſ. Kraft (Th. I. S. 803. u. f.).

Einige, ſonſt nicht ſchlechte, Schriftſteller geben zu Meſſung der Kraft des Stoßes ſehr unſchickliche Vorſchriften. Camus (Traité des forces mouvantes. P. I. ch. 3. prop. 5.) ſchlaͤgt eine Bleykugel mit einem Hammer, der 1 Pfund wiegt, ohne Gewalt platt, und ſchließt, weil eine gleiche Kugel eben ſo platt zu druͤcken, 220 Pfund Gewicht erfordert werde, ſo ſey der Schlag des Hammers einem Gewichte von 200 Pfund gleich. Die Worte: ohne Gewalt, ſind unbeſtimmt, und ſagen eigentlich gar nichts. Um ſich beſtimmter auszudruͤcken, haͤtte Camus die Hoͤhe angeben koͤnnen, aus welcher der Hammer frey herabfallen mußte, wenn er dieſe Wirkung thun ſollte. Aber ſelbſt dann haͤtte man noch keinen Begrif davon, wie viel der Schlag gethan habe; denn ein Schlag, der die Kugel in kuͤrzerer oder laͤngerer Zeit eben ſo platt gedruͤckt haͤtte, waͤre ohne Zweifel ſtaͤrker oder ſchwaͤcher geweſen. Man hat uͤberhaupt nicht noͤthig, viel von Kraͤften oder Gewalt des Stoßes zu reden. So gebraͤuchlich dieſe Redensarten im gemeinen Leben ſind, ſo laſſen ſich doch Wirkungen, die man hiebey einer Gewalt zuſchreibt, ganz einfach aus Maſſe und Geſchwindigkeit allein herleiten.

Kaͤſtner Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik. Goͤttingen, 1766. 8. S. 289. u. f.

Karſten Lehrbegrif der geſ. Mathematik; Mechanik. IV. Th. Greifsw. 1769. 8. XV. XVII. XVIII. Abſchnitt.

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[242/0252] da ſie ſich denn, wie MC, verhalten muͤßten. So etwas gilt auch von der Totalſumme aller der Druͤckungen, die beym Stoße elaſtiſcher Maſſen waͤhrend der ganzen Zeit deſſelben ſtatt gefunden haben; und wenn man unter dem Worte Kraft des Stoßes dieſe Totalſumme verſteht, ſo laͤßt ſie ſich eben ſo wenig mit Gewichten vergleichen, weil ſie eigentlich ein Integral ausmacht, von welchem jedes Element einem Drucke oder Gewichte gleich iſt. Unter ſich aber laſſen ſich ſolche Totalſummen wieder vergleichen, ohne Ruͤckſicht auf die Zeit, binnen welcher ſie erwachſen ſind, und dabey kan man behaupten, daß ſie ſich wie MC verhalten wuͤrden. Dies wird noch einiges Licht uͤber die vermeinten Maaße der Kraͤfte geben, ſ. Kraft (Th. I. S. 803. u. f.). Einige, ſonſt nicht ſchlechte, Schriftſteller geben zu Meſſung der Kraft des Stoßes ſehr unſchickliche Vorſchriften. Camus (Traité des forces mouvantes. P. I. ch. 3. prop. 5.) ſchlaͤgt eine Bleykugel mit einem Hammer, der 1 Pfund wiegt, ohne Gewalt platt, und ſchließt, weil eine gleiche Kugel eben ſo platt zu druͤcken, 220 Pfund Gewicht erfordert werde, ſo ſey der Schlag des Hammers einem Gewichte von 200 Pfund gleich. Die Worte: ohne Gewalt, ſind unbeſtimmt, und ſagen eigentlich gar nichts. Um ſich beſtimmter auszudruͤcken, haͤtte Camus die Hoͤhe angeben koͤnnen, aus welcher der Hammer frey herabfallen mußte, wenn er dieſe Wirkung thun ſollte. Aber ſelbſt dann haͤtte man noch keinen Begrif davon, wie viel der Schlag gethan habe; denn ein Schlag, der die Kugel in kuͤrzerer oder laͤngerer Zeit eben ſo platt gedruͤckt haͤtte, waͤre ohne Zweifel ſtaͤrker oder ſchwaͤcher geweſen. Man hat uͤberhaupt nicht noͤthig, viel von Kraͤften oder Gewalt des Stoßes zu reden. So gebraͤuchlich dieſe Redensarten im gemeinen Leben ſind, ſo laſſen ſich doch Wirkungen, die man hiebey einer Gewalt zuſchreibt, ganz einfach aus Maſſe und Geſchwindigkeit allein herleiten. Kaͤſtner Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik. Goͤttingen, 1766. 8. S. 289. u. f. Karſten Lehrbegrif der geſ. Mathematik; Mechanik. IV. Th. Greifsw. 1769. 8. XV. XVII. XVIII. Abſchnitt.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/252>, abgerufen am 11.05.2024.