Alchymie. Ich begnüge mich hier die Stelle mitzutheilen, in welcher schon Herr von Fontenelle (Hist. de l'acad. des Sc. de Paris, ann. 1722. bey Gelegenheit einer von Geoffroy eingereichten Abhandlung diese alchymistischen Thorheiten schildert.
"Wäre nicht die Gewinnsucht eine so äußerst mächtige und blinde Leidenschaft, so wäre nichts unbegreiflicher, als daß vorgebliche Goldmacher für ihr Geheimniß Geld sordern. Was für Geldbedürfnisse können denn so glückliche Sterbliche haben? Dennoch fallen noch täglich betrogne Menschen in die Netze sogenannter Adepten, hermetischer Philosophen, Kosmopoliten, Rosenkreuzer u. s. w., welche Leute durch ihre geheimnißvolle Sprache, ihr satanisches Betragen und ihre ausschweifenden Versprechungen Jedermann verdächtig werden sollten, leider aber in den Augen der meisten nur desto wichtiger werden."
"Gold aus Stoffen zu machen, die nicht Gold sind, wie die Natur im Schooße der Erde thut, möchte wohl der Kunst unmöglich seyn. Die Kunst hat noch nie einen Gran unedles Metall (welches nach den Alchymisten ein der Natur mißlungenes Gold seyn soll), ja nicht einmal einen Kiesel hervorbringen können. Allem Ansehen nach hat die Natur die Erzeugungen der Dinge sich allein vorbehalten. Inzwischen muß man keinen Beweis der Unmöglichkeit verlangen. Man fordert ja dergleichen von mehrern Dingen nicht, die doch Niemand erwartet. Unmöglichkeiten, die geometrischen ausgenommen, lassen sich nicht demonstriren; aber der äußerste Grad von Schwierigkeit, wenn ihn die Erfahrung bestätigt, muß, wenn auch nicht in der Theorie, doch in der Ausübung, als Unmöglichkeit behandelt werden."
"Die Alchymisten geben vor, das Gold in seine Grundtheile zersetzen, und eine Materie, einen Schwefel, daraus ziehen zu können, der z. B. mit Quecksilber oder Silber vermischt, das letztere in Gold verwandle, und dadurch die Menge des Goldes vermehre. Man hat aber noch nie ein Metall in seine Grundstoffe zersetzt. Nur verändern kan man diese Stoffe und unkenntlich machen;
Alchymie. Ich begnuͤge mich hier die Stelle mitzutheilen, in welcher ſchon Herr von Fontenelle (Hiſt. de l'acad. des Sc. de Paris, ann. 1722. bey Gelegenheit einer von Geoffroy eingereichten Abhandlung dieſe alchymiſtiſchen Thorheiten ſchildert.
”Waͤre nicht die Gewinnſucht eine ſo aͤußerſt maͤchtige und blinde Leidenſchaft, ſo waͤre nichts unbegreiflicher, als daß vorgebliche Goldmacher fuͤr ihr Geheimniß Geld ſordern. Was fuͤr Geldbeduͤrfniſſe koͤnnen denn ſo gluͤckliche Sterbliche haben? Dennoch fallen noch taͤglich betrogne Menſchen in die Netze ſogenannter Adepten, hermetiſcher Philoſophen, Kosmopoliten, Roſenkreuzer u. ſ. w., welche Leute durch ihre geheimnißvolle Sprache, ihr ſataniſches Betragen und ihre ausſchweifenden Verſprechungen Jedermann verdaͤchtig werden ſollten, leider aber in den Augen der meiſten nur deſto wichtiger werden.“
”Gold aus Stoffen zu machen, die nicht Gold ſind, wie die Natur im Schooße der Erde thut, moͤchte wohl der Kunſt unmoͤglich ſeyn. Die Kunſt hat noch nie einen Gran unedles Metall (welches nach den Alchymiſten ein der Natur mißlungenes Gold ſeyn ſoll), ja nicht einmal einen Kieſel hervorbringen koͤnnen. Allem Anſehen nach hat die Natur die Erzeugungen der Dinge ſich allein vorbehalten. Inzwiſchen muß man keinen Beweis der Unmoͤglichkeit verlangen. Man fordert ja dergleichen von mehrern Dingen nicht, die doch Niemand erwartet. Unmoͤglichkeiten, die geometriſchen ausgenommen, laſſen ſich nicht demonſtriren; aber der aͤußerſte Grad von Schwierigkeit, wenn ihn die Erfahrung beſtaͤtigt, muß, wenn auch nicht in der Theorie, doch in der Ausuͤbung, als Unmoͤglichkeit behandelt werden.“
”Die Alchymiſten geben vor, das Gold in ſeine Grundtheile zerſetzen, und eine Materie, einen Schwefel, daraus ziehen zu koͤnnen, der z. B. mit Queckſilber oder Silber vermiſcht, das letztere in Gold verwandle, und dadurch die Menge des Goldes vermehre. Man hat aber noch nie ein Metall in ſeine Grundſtoffe zerſetzt. Nur veraͤndern kan man dieſe Stoffe und unkenntlich machen;
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Alchymie. Ich begnuͤge mich hier die Stelle mitzutheilen, in welcher ſchon Herr von Fontenelle (Hiſt. de l'acad. des Sc. de Paris, ann. 1722. bey Gelegenheit einer von Geoffroy eingereichten Abhandlung dieſe alchymiſtiſchen Thorheiten ſchildert.
”Waͤre nicht die Gewinnſucht eine ſo aͤußerſt maͤchtige und blinde Leidenſchaft, ſo waͤre nichts unbegreiflicher, als daß vorgebliche Goldmacher fuͤr ihr Geheimniß Geld ſordern. Was fuͤr Geldbeduͤrfniſſe koͤnnen denn ſo gluͤckliche Sterbliche haben? Dennoch fallen noch taͤglich betrogne Menſchen in die Netze ſogenannter Adepten, hermetiſcher Philoſophen, Kosmopoliten, Roſenkreuzer u. ſ. w., welche Leute durch ihre geheimnißvolle Sprache, ihr ſataniſches Betragen und ihre ausſchweifenden Verſprechungen Jedermann verdaͤchtig werden ſollten, leider aber in den Augen der meiſten nur deſto wichtiger werden.“
”Gold aus Stoffen zu machen, die nicht Gold ſind, wie die Natur im Schooße der Erde thut, moͤchte wohl der Kunſt unmoͤglich ſeyn. Die Kunſt hat noch nie einen Gran unedles Metall (welches nach den Alchymiſten ein der Natur mißlungenes Gold ſeyn ſoll), ja nicht einmal einen Kieſel hervorbringen koͤnnen. Allem Anſehen nach hat die Natur die Erzeugungen der Dinge ſich allein vorbehalten. Inzwiſchen muß man keinen Beweis der Unmoͤglichkeit verlangen. Man fordert ja dergleichen von mehrern Dingen nicht, die doch Niemand erwartet. Unmoͤglichkeiten, die geometriſchen ausgenommen, laſſen ſich nicht demonſtriren; aber der aͤußerſte Grad von Schwierigkeit, wenn ihn die Erfahrung beſtaͤtigt, muß, wenn auch nicht in der Theorie, doch in der Ausuͤbung, als Unmoͤglichkeit behandelt werden.“
”Die Alchymiſten geben vor, das Gold in ſeine Grundtheile zerſetzen, und eine Materie, einen Schwefel, daraus ziehen zu koͤnnen, der z. B. mit Queckſilber oder Silber vermiſcht, das letztere in Gold verwandle, und dadurch die Menge des Goldes vermehre. Man hat aber noch nie ein Metall in ſeine Grundſtoffe zerſetzt. Nur veraͤndern kan man dieſe Stoffe und unkenntlich machen;
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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