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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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den hier zu erklärenden Hauptpunkt eigentlich gar nichts angehe.

Franklin (Briefe von der Elektr. durch Wilke, S. 81. u. f.) leitet die Kraft der Spitzen, seinem System gemäß, von der Anziehung der Körper gegen die elektrische Materie her. Diese, sagt er, ist desto stärker, je größer die Oberfläche ist, welche einem Theile der elektrischen Atmosphäre zur Basis dient. Bey einer Spitze ist diese Basis in allen Fällen sehr klein, und der Körper, der elektrische Materie zu verlieren hat, wirkt hier durch seine Anziehung nur wenig entgegen, so wie etwa die Kraft, die eine Handvoll Haare auf einmal auszuziehen zu schwach wäre, eben dieselben leichtlich Haar für Haar ausreißt. Daher zerstreut sich die elektrische Materie leichter durch Ecken und Spitzen, als durch Seitenflächen. Franklin gesteht aber selbst, daß ihm diese Erklärung nicht Gnüge leiste (S. 82. §. 18.), und in der That liegt dabey, wenigstens den Ausdrücken nach, ein falscher Begrif von elektrischen Atmosphären zum Grunde, indem angenommen wird, die Elektricität des Körpers selbst umgebe ihn in Gestalt eines Dunstkreises.

Die neuern Franklinisten, z. B. Cavallo, nehmen die umgebende Luft zu Hülfe, welche stets mit leitenden Theilchen erfüllt ist. Eine Fläche von bestimmter Größe, sagen sie, verliert ihre Elektricität desto schneller, je mehr Luft sie berührt. Nun ist die Spitze einer Nadel fast gänzlich mit Luft umringt, dagegen ein gleich großer Fleck auf der Fläche eines Leiters weit weniger von Luft berührt wird. Auch erneuert sich die Luft an der Spitze öfter, und es gehen von Zeit zu Zeit neue noch unelektrisirte Theilchen vorüber. Daher muß sich die mitgetheilte Elektricität durch die Spitzen leichter, als durch andere Theile der Leiter, zerstreuen: auch müssen negative Spitzen die Elektricität am leichtesten annehmen, weil sie mit der kleinsten Fläche die gröste Menge Lufttheilchen berühren, aus denen sie einsaugen können. Hiebey wird aber die Luft nicht recht schicklich für das Medium der elektrischen Mittheilung angenommen, und die angegebne Ursache ist viel zu schwach, die ungemein große Stärke der Wirkungen zu erklären.


den hier zu erklaͤrenden Hauptpunkt eigentlich gar nichts angehe.

Franklin (Briefe von der Elektr. durch Wilke, S. 81. u. f.) leitet die Kraft der Spitzen, ſeinem Syſtem gemaͤß, von der Anziehung der Koͤrper gegen die elektriſche Materie her. Dieſe, ſagt er, iſt deſto ſtaͤrker, je groͤßer die Oberflaͤche iſt, welche einem Theile der elektriſchen Atmoſphaͤre zur Baſis dient. Bey einer Spitze iſt dieſe Baſis in allen Faͤllen ſehr klein, und der Koͤrper, der elektriſche Materie zu verlieren hat, wirkt hier durch ſeine Anziehung nur wenig entgegen, ſo wie etwa die Kraft, die eine Handvoll Haare auf einmal auszuziehen zu ſchwach waͤre, eben dieſelben leichtlich Haar fuͤr Haar ausreißt. Daher zerſtreut ſich die elektriſche Materie leichter durch Ecken und Spitzen, als durch Seitenflaͤchen. Franklin geſteht aber ſelbſt, daß ihm dieſe Erklaͤrung nicht Gnuͤge leiſte (S. 82. §. 18.), und in der That liegt dabey, wenigſtens den Ausdruͤcken nach, ein falſcher Begrif von elektriſchen Atmoſphaͤren zum Grunde, indem angenommen wird, die Elektricitaͤt des Koͤrpers ſelbſt umgebe ihn in Geſtalt eines Dunſtkreiſes.

Die neuern Frankliniſten, z. B. Cavallo, nehmen die umgebende Luft zu Huͤlfe, welche ſtets mit leitenden Theilchen erfuͤllt iſt. Eine Flaͤche von beſtimmter Groͤße, ſagen ſie, verliert ihre Elektricitaͤt deſto ſchneller, je mehr Luft ſie beruͤhrt. Nun iſt die Spitze einer Nadel faſt gaͤnzlich mit Luft umringt, dagegen ein gleich großer Fleck auf der Flaͤche eines Leiters weit weniger von Luft beruͤhrt wird. Auch erneuert ſich die Luft an der Spitze oͤfter, und es gehen von Zeit zu Zeit neue noch unelektriſirte Theilchen voruͤber. Daher muß ſich die mitgetheilte Elektricitaͤt durch die Spitzen leichter, als durch andere Theile der Leiter, zerſtreuen: auch muͤſſen negative Spitzen die Elektricitaͤt am leichteſten annehmen, weil ſie mit der kleinſten Flaͤche die groͤſte Menge Lufttheilchen beruͤhren, aus denen ſie einſaugen koͤnnen. Hiebey wird aber die Luft nicht recht ſchicklich fuͤr das Medium der elektriſchen Mittheilung angenommen, und die angegebne Urſache iſt viel zu ſchwach, die ungemein große Staͤrke der Wirkungen zu erklaͤren.

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[162/0172] den hier zu erklaͤrenden Hauptpunkt eigentlich gar nichts angehe. Franklin (Briefe von der Elektr. durch Wilke, S. 81. u. f.) leitet die Kraft der Spitzen, ſeinem Syſtem gemaͤß, von der Anziehung der Koͤrper gegen die elektriſche Materie her. Dieſe, ſagt er, iſt deſto ſtaͤrker, je groͤßer die Oberflaͤche iſt, welche einem Theile der elektriſchen Atmoſphaͤre zur Baſis dient. Bey einer Spitze iſt dieſe Baſis in allen Faͤllen ſehr klein, und der Koͤrper, der elektriſche Materie zu verlieren hat, wirkt hier durch ſeine Anziehung nur wenig entgegen, ſo wie etwa die Kraft, die eine Handvoll Haare auf einmal auszuziehen zu ſchwach waͤre, eben dieſelben leichtlich Haar fuͤr Haar ausreißt. Daher zerſtreut ſich die elektriſche Materie leichter durch Ecken und Spitzen, als durch Seitenflaͤchen. Franklin geſteht aber ſelbſt, daß ihm dieſe Erklaͤrung nicht Gnuͤge leiſte (S. 82. §. 18.), und in der That liegt dabey, wenigſtens den Ausdruͤcken nach, ein falſcher Begrif von elektriſchen Atmoſphaͤren zum Grunde, indem angenommen wird, die Elektricitaͤt des Koͤrpers ſelbſt umgebe ihn in Geſtalt eines Dunſtkreiſes. Die neuern Frankliniſten, z. B. Cavallo, nehmen die umgebende Luft zu Huͤlfe, welche ſtets mit leitenden Theilchen erfuͤllt iſt. Eine Flaͤche von beſtimmter Groͤße, ſagen ſie, verliert ihre Elektricitaͤt deſto ſchneller, je mehr Luft ſie beruͤhrt. Nun iſt die Spitze einer Nadel faſt gaͤnzlich mit Luft umringt, dagegen ein gleich großer Fleck auf der Flaͤche eines Leiters weit weniger von Luft beruͤhrt wird. Auch erneuert ſich die Luft an der Spitze oͤfter, und es gehen von Zeit zu Zeit neue noch unelektriſirte Theilchen voruͤber. Daher muß ſich die mitgetheilte Elektricitaͤt durch die Spitzen leichter, als durch andere Theile der Leiter, zerſtreuen: auch muͤſſen negative Spitzen die Elektricitaͤt am leichteſten annehmen, weil ſie mit der kleinſten Flaͤche die groͤſte Menge Lufttheilchen beruͤhren, aus denen ſie einſaugen koͤnnen. Hiebey wird aber die Luft nicht recht ſchicklich fuͤr das Medium der elektriſchen Mittheilung angenommen, und die angegebne Urſache iſt viel zu ſchwach, die ungemein große Staͤrke der Wirkungen zu erklaͤren.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/172>, abgerufen am 25.11.2024.