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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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ihn völlig zu erreichen. Die Sonnentage müssen also fast um 4 Minuten länger seyn, als die Sterntage.

Aber die Sonnentage sind selbst nicht von gleicher Länge, weil das Fortrücken der Sonne gegen Morgen nicht jeden Tag gleich viel beträgt. Diese Ungleichheit hat eine doppelte Ursache. Fürs erste ist der Lauf der Sonne in der Ekliptik selbst ungleichförmig, s. Sonne; sie rückt im Sommer täglich nur 57', im Winter 61' fort. Zweytens geschieht dieses Fortrücken in der Ekliptik, deren Richtung im Mittagskreise nur selten gerade morgenwärts gehet, daher die Sonne sich nicht um die ganze Größe ihres Fortrückens in der Ekliptik, sondern nur um einen Theil derselben morgenwärts schiebt. Dies erläutert Taf. XXII. Fig. 11., wo [Abbildung] A einen Quadranten des Aequators, [Abbildung] einen Quadranten der Ekliptik vorstellt. In der Gegend [Abbildung] rücke die Sonne in einem Tage um den Bogen [Abbildung] B fort, so wird sie dadurch nicht gerade morgenwärts, oder mit [Abbildung] A parallel verschoben: vielmehr wird sie durch diese Bewegung nur um so viel weiter gegen Morgen gebracht, als das Stück [Abbildung] b austrägt. Bey [Abbildung] hingegen rücke sie um den Bogen C [Abbildung] fort, so ist dieser ganze Bogen ziemlich genau mit cA parallel und gleich; hier wird sie also um die ganze Größe ihres Fortrückens weiter gegen Morgen verschoben. Wenn also auch die Sonne täglich um gleiche Bogen [Abbildung] B und C [Abbildung] in der Ekliptik fortgienge, so würden doch die Bogen ihres täglichen Fortrückens gegen Morgen (d. i. die Veränderungen ihrer geraden Aufsteigung) [Abbildung] b und cA nichts desto weniger ungleich seyn.

Man sieht hieraus, daß die wahren Sonnentage um die Wintersonnenwende am längsten seyn müssen, weil um diese Zeit die Sonne nicht nur am schnellsten, sondern auch ganz parallel mit dem Aequator fortzurücken scheint. In dieser Absicht kan man sehr richtig sagen, daß unsere Tage (nemlich von einem Mittage bis zum andern gerechnet) im Winter länger sind, als im Sommer und um die Nachtgleichen.

Mit der Länge der Tage ändert sich zugleich die Länge der Stunden, Minuten rc. der wahren Sonnenzeit. Daher


ihn voͤllig zu erreichen. Die Sonnentage muͤſſen alſo faſt um 4 Minuten laͤnger ſeyn, als die Sterntage.

Aber die Sonnentage ſind ſelbſt nicht von gleicher Laͤnge, weil das Fortruͤcken der Sonne gegen Morgen nicht jeden Tag gleich viel betraͤgt. Dieſe Ungleichheit hat eine doppelte Urſache. Fuͤrs erſte iſt der Lauf der Sonne in der Ekliptik ſelbſt ungleichfoͤrmig, ſ. Sonne; ſie ruͤckt im Sommer taͤglich nur 57′, im Winter 61′ fort. Zweytens geſchieht dieſes Fortruͤcken in der Ekliptik, deren Richtung im Mittagskreiſe nur ſelten gerade morgenwaͤrts gehet, daher die Sonne ſich nicht um die ganze Groͤße ihres Fortruͤckens in der Ekliptik, ſondern nur um einen Theil derſelben morgenwaͤrts ſchiebt. Dies erlaͤutert Taf. XXII. Fig. 11., wo [Abbildung] A einen Quadranten des Aequators, [Abbildung] einen Quadranten der Ekliptik vorſtellt. In der Gegend [Abbildung] ruͤcke die Sonne in einem Tage um den Bogen [Abbildung] B fort, ſo wird ſie dadurch nicht gerade morgenwaͤrts, oder mit [Abbildung] A parallel verſchoben: vielmehr wird ſie durch dieſe Bewegung nur um ſo viel weiter gegen Morgen gebracht, als das Stuͤck [Abbildung] b austraͤgt. Bey [Abbildung] hingegen ruͤcke ſie um den Bogen C [Abbildung] fort, ſo iſt dieſer ganze Bogen ziemlich genau mit cA parallel und gleich; hier wird ſie alſo um die ganze Groͤße ihres Fortruͤckens weiter gegen Morgen verſchoben. Wenn alſo auch die Sonne taͤglich um gleiche Bogen [Abbildung] B und C [Abbildung] in der Ekliptik fortgienge, ſo wuͤrden doch die Bogen ihres taͤglichen Fortruͤckens gegen Morgen (d. i. die Veraͤnderungen ihrer geraden Aufſteigung) [Abbildung] b und cA nichts deſto weniger ungleich ſeyn.

Man ſieht hieraus, daß die wahren Sonnentage um die Winterſonnenwende am laͤngſten ſeyn muͤſſen, weil um dieſe Zeit die Sonne nicht nur am ſchnellſten, ſondern auch ganz parallel mit dem Aequator fortzuruͤcken ſcheint. In dieſer Abſicht kan man ſehr richtig ſagen, daß unſere Tage (nemlich von einem Mittage bis zum andern gerechnet) im Winter laͤnger ſind, als im Sommer und um die Nachtgleichen.

Mit der Laͤnge der Tage aͤndert ſich zugleich die Laͤnge der Stunden, Minuten rc. der wahren Sonnenzeit. Daher

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[109/0119] ihn voͤllig zu erreichen. Die Sonnentage muͤſſen alſo faſt um 4 Minuten laͤnger ſeyn, als die Sterntage. Aber die Sonnentage ſind ſelbſt nicht von gleicher Laͤnge, weil das Fortruͤcken der Sonne gegen Morgen nicht jeden Tag gleich viel betraͤgt. Dieſe Ungleichheit hat eine doppelte Urſache. Fuͤrs erſte iſt der Lauf der Sonne in der Ekliptik ſelbſt ungleichfoͤrmig, ſ. Sonne; ſie ruͤckt im Sommer taͤglich nur 57′, im Winter 61′ fort. Zweytens geſchieht dieſes Fortruͤcken in der Ekliptik, deren Richtung im Mittagskreiſe nur ſelten gerade morgenwaͤrts gehet, daher die Sonne ſich nicht um die ganze Groͤße ihres Fortruͤckens in der Ekliptik, ſondern nur um einen Theil derſelben morgenwaͤrts ſchiebt. Dies erlaͤutert Taf. XXII. Fig. 11., wo [Abbildung] A einen Quadranten des Aequators, [Abbildung] einen Quadranten der Ekliptik vorſtellt. In der Gegend [Abbildung] ruͤcke die Sonne in einem Tage um den Bogen [Abbildung] B fort, ſo wird ſie dadurch nicht gerade morgenwaͤrts, oder mit [Abbildung] A parallel verſchoben: vielmehr wird ſie durch dieſe Bewegung nur um ſo viel weiter gegen Morgen gebracht, als das Stuͤck [Abbildung] b austraͤgt. Bey [Abbildung] hingegen ruͤcke ſie um den Bogen C [Abbildung] fort, ſo iſt dieſer ganze Bogen ziemlich genau mit cA parallel und gleich; hier wird ſie alſo um die ganze Groͤße ihres Fortruͤckens weiter gegen Morgen verſchoben. Wenn alſo auch die Sonne taͤglich um gleiche Bogen [Abbildung] B und C [Abbildung] in der Ekliptik fortgienge, ſo wuͤrden doch die Bogen ihres taͤglichen Fortruͤckens gegen Morgen (d. i. die Veraͤnderungen ihrer geraden Aufſteigung) [Abbildung] b und cA nichts deſto weniger ungleich ſeyn. Man ſieht hieraus, daß die wahren Sonnentage um die Winterſonnenwende am laͤngſten ſeyn muͤſſen, weil um dieſe Zeit die Sonne nicht nur am ſchnellſten, ſondern auch ganz parallel mit dem Aequator fortzuruͤcken ſcheint. In dieſer Abſicht kan man ſehr richtig ſagen, daß unſere Tage (nemlich von einem Mittage bis zum andern gerechnet) im Winter laͤnger ſind, als im Sommer und um die Nachtgleichen. Mit der Laͤnge der Tage aͤndert ſich zugleich die Laͤnge der Stunden, Minuten rc. der wahren Sonnenzeit. Daher

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/119>, abgerufen am 24.11.2024.