Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


sehr groß, so nennt man sie strengflüßig oder schwerflüßig. Das Quecksilber ist so leichtflüßig, daß es bey der gewöhnlichen Temperatur des Luftkreises, selbst wenn diese am kältsten ist, nicht fest wird. Wasser und gewisse Oele, die bey der Temperatur des Eispunkts fest sind, schmelzen sogleich in einer etwas größern Wärme. Das Schmelzen der leichtflüßigsten Materien nennt man auch das Zergehen, Zerlassen (liquefactio). Gewisse Metalle, z. B. Bley, Zinn, Wismuth, sind bey der größten natürlichen Wärme immer fest, schmelzen aber leicht, und bey einer geringern Hitze, als zu ihrem Glühen nöthig ist. Andere Körper, z. B. Silber, Gold, Kupfer, Eisen, Glas erfordern zum Schmelzen größere Grade der Hitze, bey denen sie roth, ja sogar weißglühen. Viele Körper werden durch die Hitze an freyer Luft zersetzt oder verbrennen, ehe ihre Stoffe zur Schmelzung gelangen: einige aber, die man unschmelzbar (refractaria, refractaires) nennt, können durch keinen bekannten Grad der Hitze zum Schmelzen gebracht werden. Dahin gehören vorzüglich die reinen Erden.

Merkwürdig ist es, daß Körper, die an sich strengflüßig oder unschmelzbar sind, durch Vermengung mit einander leichter in Fluß gebracht werden können. So ist ein Gemenge von Thon und Kalk schmelzbar, und es beruht hierauf der Gebrauch der Schmelzungsmittel oder Flüsse, Zuschläge (Fondans), s. Fluß. Die Mischungen verschiedner Metalle schmelzen fast alle leichter, als die reinen Metalle. Zinn, Bley und Wismuth geben sehr leichtflüßige Mischungen, aus denen auch die Schnelllothe der Orgelbauer und Zinngießer bestehen. Ein Gemisch, das schon im siedenden Wasser so flüßig, als Quecksilber, wird, kan man nach Rose (Stralsund. Magaz. B. II. S. 24.) aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Bley, 1 Theil Zinn, nach d'Arcet (Rozier Obs. sur la phys. To. IX. p. 217.) aus 8 Theilen Wismuth, 5 Theilen Bley und 3 Theilen Zinn bereiten.

Einige Körper, besonders das Eis und die meisten Metalle, schmelzen plötzlich und auf einmal; andere, wie die Fette und Harze, und unter den Metallen das Eisen, gehen erst, durch verschiedene Stufen der Consistenz, ehe sie


ſehr groß, ſo nennt man ſie ſtrengfluͤßig oder ſchwerfluͤßig. Das Queckſilber iſt ſo leichtfluͤßig, daß es bey der gewoͤhnlichen Temperatur des Luftkreiſes, ſelbſt wenn dieſe am kaͤltſten iſt, nicht feſt wird. Waſſer und gewiſſe Oele, die bey der Temperatur des Eispunkts feſt ſind, ſchmelzen ſogleich in einer etwas groͤßern Waͤrme. Das Schmelzen der leichtfluͤßigſten Materien nennt man auch das Zergehen, Zerlaſſen (liquefactio). Gewiſſe Metalle, z. B. Bley, Zinn, Wismuth, ſind bey der groͤßten natuͤrlichen Waͤrme immer feſt, ſchmelzen aber leicht, und bey einer geringern Hitze, als zu ihrem Gluͤhen noͤthig iſt. Andere Koͤrper, z. B. Silber, Gold, Kupfer, Eiſen, Glas erfordern zum Schmelzen groͤßere Grade der Hitze, bey denen ſie roth, ja ſogar weißgluͤhen. Viele Koͤrper werden durch die Hitze an freyer Luft zerſetzt oder verbrennen, ehe ihre Stoffe zur Schmelzung gelangen: einige aber, die man unſchmelzbar (refractaria, refractaires) nennt, koͤnnen durch keinen bekannten Grad der Hitze zum Schmelzen gebracht werden. Dahin gehoͤren vorzuͤglich die reinen Erden.

Merkwuͤrdig iſt es, daß Koͤrper, die an ſich ſtrengfluͤßig oder unſchmelzbar ſind, durch Vermengung mit einander leichter in Fluß gebracht werden koͤnnen. So iſt ein Gemenge von Thon und Kalk ſchmelzbar, und es beruht hierauf der Gebrauch der Schmelzungsmittel oder Fluͤſſe, Zuſchlaͤge (Fondans), ſ. Fluß. Die Miſchungen verſchiedner Metalle ſchmelzen faſt alle leichter, als die reinen Metalle. Zinn, Bley und Wismuth geben ſehr leichtfluͤßige Miſchungen, aus denen auch die Schnelllothe der Orgelbauer und Zinngießer beſtehen. Ein Gemiſch, das ſchon im ſiedenden Waſſer ſo fluͤßig, als Queckſilber, wird, kan man nach Roſe (Stralſund. Magaz. B. II. S. 24.) aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Bley, 1 Theil Zinn, nach d'Arcet (Rozier Obſ. ſur la phyſ. To. IX. p. 217.) aus 8 Theilen Wismuth, 5 Theilen Bley und 3 Theilen Zinn bereiten.

Einige Koͤrper, beſonders das Eis und die meiſten Metalle, ſchmelzen ploͤtzlich und auf einmal; andere, wie die Fette und Harze, und unter den Metallen das Eiſen, gehen erſt, durch verſchiedene Stufen der Conſiſtenz, ehe ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0866" xml:id="P.3.860" n="860"/><lb/>
&#x017F;ehr groß, &#x017F;o nennt man &#x017F;ie <hi rendition="#b">&#x017F;trengflu&#x0364;ßig</hi> oder <hi rendition="#b">&#x017F;chwerflu&#x0364;ßig.</hi> Das Queck&#x017F;ilber i&#x017F;t &#x017F;o leichtflu&#x0364;ßig, daß es bey der gewo&#x0364;hnlichen Temperatur des Luftkrei&#x017F;es, &#x017F;elb&#x017F;t wenn die&#x017F;e am ka&#x0364;lt&#x017F;ten i&#x017F;t, nicht fe&#x017F;t wird. Wa&#x017F;&#x017F;er und gewi&#x017F;&#x017F;e Oele, die bey der Temperatur des Eispunkts fe&#x017F;t &#x017F;ind, &#x017F;chmelzen &#x017F;ogleich in einer etwas gro&#x0364;ßern Wa&#x0364;rme. Das Schmelzen der leichtflu&#x0364;ßig&#x017F;ten Materien nennt man auch das <hi rendition="#b">Zergehen, Zerla&#x017F;&#x017F;en</hi> <hi rendition="#aq">(liquefactio).</hi> Gewi&#x017F;&#x017F;e Metalle, z. B. Bley, Zinn, Wismuth, &#x017F;ind bey der gro&#x0364;ßten natu&#x0364;rlichen Wa&#x0364;rme immer fe&#x017F;t, &#x017F;chmelzen aber leicht, und bey einer geringern Hitze, als zu ihrem Glu&#x0364;hen no&#x0364;thig i&#x017F;t. Andere Ko&#x0364;rper, z. B. Silber, Gold, Kupfer, Ei&#x017F;en, Glas erfordern zum Schmelzen gro&#x0364;ßere Grade der Hitze, bey denen &#x017F;ie roth, ja &#x017F;ogar weißglu&#x0364;hen. Viele Ko&#x0364;rper werden durch die Hitze an freyer Luft zer&#x017F;etzt oder verbrennen, ehe ihre Stoffe zur Schmelzung gelangen: einige aber, die man <hi rendition="#b">un&#x017F;chmelzbar</hi> <hi rendition="#aq">(refractaria, <hi rendition="#i">refractaires</hi>)</hi> nennt, ko&#x0364;nnen durch keinen bekannten Grad der Hitze zum Schmelzen gebracht werden. Dahin geho&#x0364;ren vorzu&#x0364;glich die reinen Erden.</p>
            <p>Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t es, daß Ko&#x0364;rper, die an &#x017F;ich &#x017F;trengflu&#x0364;ßig oder un&#x017F;chmelzbar &#x017F;ind, durch Vermengung mit einander leichter in Fluß gebracht werden ko&#x0364;nnen. So i&#x017F;t ein Gemenge von Thon und Kalk &#x017F;chmelzbar, und es beruht hierauf der Gebrauch der <hi rendition="#b">Schmelzungsmittel</hi> oder <hi rendition="#b">Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Zu&#x017F;chla&#x0364;ge</hi> <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">Fondans</hi>),</hi> &#x017F;. <hi rendition="#b">Fluß.</hi> Die Mi&#x017F;chungen ver&#x017F;chiedner Metalle &#x017F;chmelzen fa&#x017F;t alle leichter, als die reinen Metalle. Zinn, Bley und Wismuth geben &#x017F;ehr leichtflu&#x0364;ßige Mi&#x017F;chungen, aus denen auch die Schnelllothe der Orgelbauer und Zinngießer be&#x017F;tehen. Ein Gemi&#x017F;ch, das &#x017F;chon im &#x017F;iedenden Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o flu&#x0364;ßig, als Queck&#x017F;ilber, wird, kan man nach <hi rendition="#b">Ro&#x017F;e</hi> (Stral&#x017F;und. Magaz. B. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 24.) aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Bley, 1 Theil Zinn, nach <hi rendition="#b">d'Arcet</hi> <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">Rozier</hi> Ob&#x017F;. &#x017F;ur la phy&#x017F;. To. IX. p. 217.)</hi> aus 8 Theilen Wismuth, 5 Theilen Bley und 3 Theilen Zinn bereiten.</p>
            <p>Einige Ko&#x0364;rper, be&#x017F;onders das Eis und die mei&#x017F;ten Metalle, &#x017F;chmelzen plo&#x0364;tzlich und auf einmal; andere, wie die Fette und Harze, und unter den Metallen das Ei&#x017F;en, gehen er&#x017F;t, durch ver&#x017F;chiedene Stufen der Con&#x017F;i&#x017F;tenz, ehe &#x017F;ie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[860/0866] ſehr groß, ſo nennt man ſie ſtrengfluͤßig oder ſchwerfluͤßig. Das Queckſilber iſt ſo leichtfluͤßig, daß es bey der gewoͤhnlichen Temperatur des Luftkreiſes, ſelbſt wenn dieſe am kaͤltſten iſt, nicht feſt wird. Waſſer und gewiſſe Oele, die bey der Temperatur des Eispunkts feſt ſind, ſchmelzen ſogleich in einer etwas groͤßern Waͤrme. Das Schmelzen der leichtfluͤßigſten Materien nennt man auch das Zergehen, Zerlaſſen (liquefactio). Gewiſſe Metalle, z. B. Bley, Zinn, Wismuth, ſind bey der groͤßten natuͤrlichen Waͤrme immer feſt, ſchmelzen aber leicht, und bey einer geringern Hitze, als zu ihrem Gluͤhen noͤthig iſt. Andere Koͤrper, z. B. Silber, Gold, Kupfer, Eiſen, Glas erfordern zum Schmelzen groͤßere Grade der Hitze, bey denen ſie roth, ja ſogar weißgluͤhen. Viele Koͤrper werden durch die Hitze an freyer Luft zerſetzt oder verbrennen, ehe ihre Stoffe zur Schmelzung gelangen: einige aber, die man unſchmelzbar (refractaria, refractaires) nennt, koͤnnen durch keinen bekannten Grad der Hitze zum Schmelzen gebracht werden. Dahin gehoͤren vorzuͤglich die reinen Erden. Merkwuͤrdig iſt es, daß Koͤrper, die an ſich ſtrengfluͤßig oder unſchmelzbar ſind, durch Vermengung mit einander leichter in Fluß gebracht werden koͤnnen. So iſt ein Gemenge von Thon und Kalk ſchmelzbar, und es beruht hierauf der Gebrauch der Schmelzungsmittel oder Fluͤſſe, Zuſchlaͤge (Fondans), ſ. Fluß. Die Miſchungen verſchiedner Metalle ſchmelzen faſt alle leichter, als die reinen Metalle. Zinn, Bley und Wismuth geben ſehr leichtfluͤßige Miſchungen, aus denen auch die Schnelllothe der Orgelbauer und Zinngießer beſtehen. Ein Gemiſch, das ſchon im ſiedenden Waſſer ſo fluͤßig, als Queckſilber, wird, kan man nach Roſe (Stralſund. Magaz. B. II. S. 24.) aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Bley, 1 Theil Zinn, nach d'Arcet (Rozier Obſ. ſur la phyſ. To. IX. p. 217.) aus 8 Theilen Wismuth, 5 Theilen Bley und 3 Theilen Zinn bereiten. Einige Koͤrper, beſonders das Eis und die meiſten Metalle, ſchmelzen ploͤtzlich und auf einmal; andere, wie die Fette und Harze, und unter den Metallen das Eiſen, gehen erſt, durch verſchiedene Stufen der Conſiſtenz, ehe ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/866
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/866>, abgerufen am 14.05.2024.