Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
De la Hire (Sur les differens accidens de la vue. Mem. de Paris. 1694.) erklärt das Schielen für einen Fehler im innern Bau des Auges, wobey der empfindliche Theil der Netzhaut nicht in die Richtung der Augenaten, sondern etwas mehr zur Seite falle. Dieser Theorie zufolge würde das Schielen unheilbar seyn; aber sie ist wohl nicht die richtige, und macht mehr das Schiessehen, als das eigentliche Schielen mit einem Auge begreiflich. Die gemeine Meinung ist, daß dieser Fehler von einer allzustarken Zusammenziehung gewisser Augenmuskeln, und der Erschlaffung ihrer Antagonisten herkomme, und seinen ersten Grund in einer in der Kindheit angenommenen Gewohnheit habe. Die ältern Aerzte schrieben deswegen vor, die Kinder eine Art von Maske mit Löchern oder Röhren vor den Augen tragen zu lassen, damit man sie nöthige, beyde Augenaren in gehöriger Uebereinstimmung gerade auf den Gegenstand zu richten. D. Jurin (s. Smiths Lehrbegrif der Optik, nach der deutschen Ausgabe von Kästner, S. 395. u. f.) bemerkte, daß bey den Schielenden der Augapfel des einen Auges gehörig in der Mitte bleibt, der andere aber gewöhnlich nach der Nase hin, oder auch nach andern falschen Richtungen gezogen wird, so daß die beyden Axen niemals auf einerley Punkt gerichtet sind. Er glaubt, ein Kind gewöhne sich zu diesem Fehler, wenn man es in der Wiege so lege, daß es das Licht oder eine andere in die Augen fallende Sache nur mit einem Auge sehen könne. Sey es einmal in dieser Gewohnheit bestärkt, so würden die vorgelegten Masken nichts helfen. Er räth vielmehr, das Kind, wenn es die Augen zu richten versteht, vor sich treten, das schielende Auge zuschließen,
De la Hire (Sur les differens accidens de la vue. Mém. de Paris. 1694.) erklaͤrt das Schielen fuͤr einen Fehler im innern Bau des Auges, wobey der empfindliche Theil der Netzhaut nicht in die Richtung der Augenaten, ſondern etwas mehr zur Seite falle. Dieſer Theorie zufolge wuͤrde das Schielen unheilbar ſeyn; aber ſie iſt wohl nicht die richtige, und macht mehr das Schieſſehen, als das eigentliche Schielen mit einem Auge begreiflich. Die gemeine Meinung iſt, daß dieſer Fehler von einer allzuſtarken Zuſammenziehung gewiſſer Augenmuſkeln, und der Erſchlaffung ihrer Antagoniſten herkomme, und ſeinen erſten Grund in einer in der Kindheit angenommenen Gewohnheit habe. Die aͤltern Aerzte ſchrieben deswegen vor, die Kinder eine Art von Maske mit Loͤchern oder Roͤhren vor den Augen tragen zu laſſen, damit man ſie noͤthige, beyde Augenaren in gehoͤriger Uebereinſtimmung gerade auf den Gegenſtand zu richten. D. Jurin (ſ. Smiths Lehrbegrif der Optik, nach der deutſchen Ausgabe von Kaͤſtner, S. 395. u. f.) bemerkte, daß bey den Schielenden der Augapfel des einen Auges gehoͤrig in der Mitte bleibt, der andere aber gewoͤhnlich nach der Naſe hin, oder auch nach andern falſchen Richtungen gezogen wird, ſo daß die beyden Axen niemals auf einerley Punkt gerichtet ſind. Er glaubt, ein Kind gewoͤhne ſich zu dieſem Fehler, wenn man es in der Wiege ſo lege, daß es das Licht oder eine andere in die Augen fallende Sache nur mit einem Auge ſehen koͤnne. Sey es einmal in dieſer Gewohnheit beſtaͤrkt, ſo wuͤrden die vorgelegten Masken nichts helfen. Er raͤth vielmehr, das Kind, wenn es die Augen zu richten verſteht, vor ſich treten, das ſchielende Auge zuſchließen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0847" xml:id="P.3.841" n="841"/><lb/><hi rendition="#aq">(Strabones, <hi rendition="#i">Strabites, Louches d'un oeil</hi>)</hi> die Axe des einen Auges auf die Seite wenden, indem ſie mit dem andern gerade auf einen Gegenſtand ſehen. Vom Schielen unterſcheidet ſich das <hi rendition="#b">Schiefſehen</hi> <hi rendition="#aq">(Luſcitas, Viſus obliquus)</hi> dadurch, daß der Schiefſehende <hi rendition="#aq">(Luſcus, <hi rendition="#i">Louche des deux yeux)</hi></hi> mit beyden Augen nur das ſeitwaͤrts Liegende deutlich ſieht, und alſo, um etwas deutlich zu betrachten, beyde Augen zugleich auf die Seite wendet, <hi rendition="#b">ſ. Geſichtsfehler.</hi></p> <p><hi rendition="#b">De la Hire</hi><hi rendition="#aq">(Sur les differens accidens de la vue. Mém. de Paris. 1694.)</hi> erklaͤrt das Schielen fuͤr einen Fehler im innern Bau des Auges, wobey der empfindliche Theil der Netzhaut nicht in die Richtung der Augenaten, ſondern etwas mehr zur Seite falle. Dieſer Theorie zufolge wuͤrde das Schielen unheilbar ſeyn; aber ſie iſt wohl nicht die richtige, und macht mehr das Schieſſehen, als das eigentliche Schielen mit einem Auge begreiflich.</p> <p>Die gemeine Meinung iſt, daß dieſer Fehler von einer allzuſtarken Zuſammenziehung gewiſſer Augenmuſkeln, und der Erſchlaffung ihrer Antagoniſten herkomme, und ſeinen erſten Grund in einer in der Kindheit angenommenen Gewohnheit habe. Die aͤltern Aerzte ſchrieben deswegen vor, die Kinder eine Art von Maske mit Loͤchern oder Roͤhren vor den Augen tragen zu laſſen, damit man ſie noͤthige, beyde Augenaren in gehoͤriger Uebereinſtimmung gerade auf den Gegenſtand zu richten.</p> <p><hi rendition="#b">D. Jurin</hi> (ſ. Smiths Lehrbegrif der Optik, nach der deutſchen Ausgabe von Kaͤſtner, S. 395. u. f.) bemerkte, daß bey den Schielenden der Augapfel des einen Auges gehoͤrig in der Mitte bleibt, der andere aber gewoͤhnlich nach der Naſe hin, oder auch nach andern falſchen Richtungen gezogen wird, ſo daß die beyden Axen niemals auf einerley Punkt gerichtet ſind. Er glaubt, ein Kind gewoͤhne ſich zu dieſem Fehler, wenn man es in der Wiege ſo lege, daß es das Licht oder eine andere in die Augen fallende Sache nur mit einem Auge ſehen koͤnne. Sey es einmal in dieſer Gewohnheit beſtaͤrkt, ſo wuͤrden die vorgelegten Masken nichts helfen. Er raͤth vielmehr, das Kind, wenn es die Augen zu richten verſteht, vor ſich treten, das ſchielende Auge zuſchließen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [841/0847]
(Strabones, Strabites, Louches d'un oeil) die Axe des einen Auges auf die Seite wenden, indem ſie mit dem andern gerade auf einen Gegenſtand ſehen. Vom Schielen unterſcheidet ſich das Schiefſehen (Luſcitas, Viſus obliquus) dadurch, daß der Schiefſehende (Luſcus, Louche des deux yeux) mit beyden Augen nur das ſeitwaͤrts Liegende deutlich ſieht, und alſo, um etwas deutlich zu betrachten, beyde Augen zugleich auf die Seite wendet, ſ. Geſichtsfehler.
De la Hire (Sur les differens accidens de la vue. Mém. de Paris. 1694.) erklaͤrt das Schielen fuͤr einen Fehler im innern Bau des Auges, wobey der empfindliche Theil der Netzhaut nicht in die Richtung der Augenaten, ſondern etwas mehr zur Seite falle. Dieſer Theorie zufolge wuͤrde das Schielen unheilbar ſeyn; aber ſie iſt wohl nicht die richtige, und macht mehr das Schieſſehen, als das eigentliche Schielen mit einem Auge begreiflich.
Die gemeine Meinung iſt, daß dieſer Fehler von einer allzuſtarken Zuſammenziehung gewiſſer Augenmuſkeln, und der Erſchlaffung ihrer Antagoniſten herkomme, und ſeinen erſten Grund in einer in der Kindheit angenommenen Gewohnheit habe. Die aͤltern Aerzte ſchrieben deswegen vor, die Kinder eine Art von Maske mit Loͤchern oder Roͤhren vor den Augen tragen zu laſſen, damit man ſie noͤthige, beyde Augenaren in gehoͤriger Uebereinſtimmung gerade auf den Gegenſtand zu richten.
D. Jurin (ſ. Smiths Lehrbegrif der Optik, nach der deutſchen Ausgabe von Kaͤſtner, S. 395. u. f.) bemerkte, daß bey den Schielenden der Augapfel des einen Auges gehoͤrig in der Mitte bleibt, der andere aber gewoͤhnlich nach der Naſe hin, oder auch nach andern falſchen Richtungen gezogen wird, ſo daß die beyden Axen niemals auf einerley Punkt gerichtet ſind. Er glaubt, ein Kind gewoͤhne ſich zu dieſem Fehler, wenn man es in der Wiege ſo lege, daß es das Licht oder eine andere in die Augen fallende Sache nur mit einem Auge ſehen koͤnne. Sey es einmal in dieſer Gewohnheit beſtaͤrkt, ſo wuͤrden die vorgelegten Masken nichts helfen. Er raͤth vielmehr, das Kind, wenn es die Augen zu richten verſteht, vor ſich treten, das ſchielende Auge zuſchließen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |