Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


wenn die Nächte lang und kalt genug sind, um der Erde und den Körpern einen großen Theil der den Tag über angenommenen Wärme zu entziehen. Alsdann sieht man des Morgens die Pflanzen, Zweige der Bäume, Dächer der Gebäude u. s. w. anstatt des Thaues mit Reif überzogen; auch sind diejenigen Flächen am stärksten bereift, auf die sonst der Thau am häufigsten fällt. Diese Art des Reifs führt bey den französifchen Schriftstellern insbesondere den Ramen Gelee blanche.

Eine andere Art Reif (Givre, Frimas) entsteht in der Luft selbst, wenn sie bis zum Gefrierpunkte erkältet ist, und durch die in ihr schwebenden gefrornen Dunsttheilchen mit einer Menge feiner glänzenden Pünktchen erfüllt scheint. Dieser Reif entspringt aus Nebeln, welche vornehmlich im Winter und in den kalten Himmelsstrichen sehr häufig sind, und deren Eistheilchen sich an die der Luft ausgesetzten Flächen, besonders auf der Windseite, in großer Menge anhängen. Nach Brisson unterscheiden sich beyde Arten des Reifs, die sonst sehr ähnlich sind, darinn, daß die letztere (givre) nur entstehen kan, wenn die Luft bis zum Eispunkte erkältet ist, da hingegen der gefrorne Thau (gelee blanche) auch bey gelindern Temperaturen der Luft statt findet, wenn nur die Flächen der Körper hinlänglich erkältet sind.

Auf eine ähnliche Art entsteht auch das uneigentlich sogenannte Ausschlagen der Kälte an Wänden, Stubenfenstern, Eisen, Steinen und mehrern Körpern, bey einfallendem Thauwetter nach starkem Froste. Die Luft wird weit schneller erwärmt, als alle diese Körper; daher schlägt sich die in ihr schwebende Feuchtigkeit an den kalten Flächen nieder, und gefriert an denselben, wenn sie bis zum Eispunkte erkältet sind, ehe sie sich zu Tropfen vereinigen kan. Dadurch wird die kalte Fläche mit einer schneeähnlichen Rinde von feinen Eistheilchen überzogen. Diese Theile kommen nicht, wie der Name des Ausschlagens andeutet, aus dem Körper heraus, sondern hängen sich vielmehr von außen her an seine Fläche. Wenn es von außen kalt ist, und sich im Zimmer viele Personen aufhalten, welche stark dünsten, so gefrieren die Dünste an den kalten Fensterscheiben


wenn die Naͤchte lang und kalt genug ſind, um der Erde und den Koͤrpern einen großen Theil der den Tag uͤber angenommenen Waͤrme zu entziehen. Alsdann ſieht man des Morgens die Pflanzen, Zweige der Baͤume, Daͤcher der Gebaͤude u. ſ. w. anſtatt des Thaues mit Reif uͤberzogen; auch ſind diejenigen Flaͤchen am ſtaͤrkſten bereift, auf die ſonſt der Thau am haͤufigſten faͤllt. Dieſe Art des Reifs fuͤhrt bey den franzoͤſifchen Schriftſtellern insbeſondere den Ramen Gelée blanche.

Eine andere Art Reif (Givre, Frimas) entſteht in der Luft ſelbſt, wenn ſie bis zum Gefrierpunkte erkaͤltet iſt, und durch die in ihr ſchwebenden gefrornen Dunſttheilchen mit einer Menge feiner glaͤnzenden Puͤnktchen erfuͤllt ſcheint. Dieſer Reif entſpringt aus Nebeln, welche vornehmlich im Winter und in den kalten Himmelsſtrichen ſehr haͤufig ſind, und deren Eistheilchen ſich an die der Luft ausgeſetzten Flaͤchen, beſonders auf der Windſeite, in großer Menge anhaͤngen. Nach Briſſon unterſcheiden ſich beyde Arten des Reifs, die ſonſt ſehr aͤhnlich ſind, darinn, daß die letztere (givre) nur entſtehen kan, wenn die Luft bis zum Eispunkte erkaͤltet iſt, da hingegen der gefrorne Thau (gelée blanche) auch bey gelindern Temperaturen der Luft ſtatt findet, wenn nur die Flaͤchen der Koͤrper hinlaͤnglich erkaͤltet ſind.

Auf eine aͤhnliche Art entſteht auch das uneigentlich ſogenannte Ausſchlagen der Kaͤlte an Waͤnden, Stubenfenſtern, Eiſen, Steinen und mehrern Koͤrpern, bey einfallendem Thauwetter nach ſtarkem Froſte. Die Luft wird weit ſchneller erwaͤrmt, als alle dieſe Koͤrper; daher ſchlaͤgt ſich die in ihr ſchwebende Feuchtigkeit an den kalten Flaͤchen nieder, und gefriert an denſelben, wenn ſie bis zum Eispunkte erkaͤltet ſind, ehe ſie ſich zu Tropfen vereinigen kan. Dadurch wird die kalte Flaͤche mit einer ſchneeaͤhnlichen Rinde von feinen Eistheilchen uͤberzogen. Dieſe Theile kommen nicht, wie der Name des Ausſchlagens andeutet, aus dem Koͤrper heraus, ſondern haͤngen ſich vielmehr von außen her an ſeine Flaͤche. Wenn es von außen kalt iſt, und ſich im Zimmer viele Perſonen aufhalten, welche ſtark duͤnſten, ſo gefrieren die Duͤnſte an den kalten Fenſterſcheiben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0715" xml:id="P.3.709" n="709"/><lb/>
wenn die Na&#x0364;chte lang und kalt genug &#x017F;ind, um der Erde und den Ko&#x0364;rpern einen großen Theil der den Tag u&#x0364;ber angenommenen Wa&#x0364;rme zu entziehen. Alsdann &#x017F;ieht man des Morgens die Pflanzen, Zweige der Ba&#x0364;ume, Da&#x0364;cher der Geba&#x0364;ude u. &#x017F;. w. an&#x017F;tatt des Thaues mit Reif u&#x0364;berzogen; auch &#x017F;ind diejenigen Fla&#x0364;chen am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten bereift, auf die &#x017F;on&#x017F;t der Thau am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten fa&#x0364;llt. Die&#x017F;e Art des Reifs fu&#x0364;hrt bey den franzo&#x0364;&#x017F;ifchen Schrift&#x017F;tellern insbe&#x017F;ondere den Ramen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Gelée blanche.</hi></hi></p>
            <p>Eine andere Art Reif <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Givre, Frimas)</hi></hi> ent&#x017F;teht in der Luft &#x017F;elb&#x017F;t, wenn &#x017F;ie bis zum Gefrierpunkte erka&#x0364;ltet i&#x017F;t, und durch die in ihr &#x017F;chwebenden gefrornen Dun&#x017F;ttheilchen mit einer Menge feiner gla&#x0364;nzenden Pu&#x0364;nktchen erfu&#x0364;llt &#x017F;cheint. Die&#x017F;er Reif ent&#x017F;pringt aus Nebeln, welche vornehmlich im Winter und in den kalten Himmels&#x017F;trichen &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig &#x017F;ind, und deren Eistheilchen &#x017F;ich an die der Luft ausge&#x017F;etzten Fla&#x0364;chen, be&#x017F;onders auf der Wind&#x017F;eite, in großer Menge anha&#x0364;ngen. Nach <hi rendition="#b">Bri&#x017F;&#x017F;on</hi> unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich beyde Arten des Reifs, die &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, darinn, daß die letztere <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(givre)</hi></hi> nur ent&#x017F;tehen kan, wenn die Luft bis zum Eispunkte erka&#x0364;ltet i&#x017F;t, da hingegen der gefrorne Thau <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(gelée blanche)</hi></hi> auch bey gelindern Temperaturen der Luft &#x017F;tatt findet, wenn nur die Fla&#x0364;chen der Ko&#x0364;rper hinla&#x0364;nglich erka&#x0364;ltet &#x017F;ind.</p>
            <p>Auf eine a&#x0364;hnliche Art ent&#x017F;teht auch das uneigentlich &#x017F;ogenannte <hi rendition="#b">Aus&#x017F;chlagen der Ka&#x0364;lte</hi> an Wa&#x0364;nden, Stubenfen&#x017F;tern, Ei&#x017F;en, Steinen und mehrern Ko&#x0364;rpern, bey einfallendem Thauwetter nach &#x017F;tarkem Fro&#x017F;te. Die Luft wird weit &#x017F;chneller erwa&#x0364;rmt, als alle die&#x017F;e Ko&#x0364;rper; daher &#x017F;chla&#x0364;gt &#x017F;ich die in ihr &#x017F;chwebende Feuchtigkeit an den kalten Fla&#x0364;chen nieder, und gefriert an den&#x017F;elben, wenn &#x017F;ie bis zum Eispunkte erka&#x0364;ltet &#x017F;ind, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich zu Tropfen vereinigen kan. Dadurch wird die kalte Fla&#x0364;che mit einer &#x017F;chneea&#x0364;hnlichen Rinde von feinen Eistheilchen u&#x0364;berzogen. Die&#x017F;e Theile kommen nicht, wie der Name des Aus&#x017F;chlagens andeutet, aus dem Ko&#x0364;rper heraus, &#x017F;ondern ha&#x0364;ngen &#x017F;ich vielmehr von außen her an &#x017F;eine Fla&#x0364;che. Wenn es von außen kalt i&#x017F;t, und &#x017F;ich im Zimmer viele Per&#x017F;onen aufhalten, welche &#x017F;tark du&#x0364;n&#x017F;ten, &#x017F;o gefrieren die Du&#x0364;n&#x017F;te an den kalten Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[709/0715] wenn die Naͤchte lang und kalt genug ſind, um der Erde und den Koͤrpern einen großen Theil der den Tag uͤber angenommenen Waͤrme zu entziehen. Alsdann ſieht man des Morgens die Pflanzen, Zweige der Baͤume, Daͤcher der Gebaͤude u. ſ. w. anſtatt des Thaues mit Reif uͤberzogen; auch ſind diejenigen Flaͤchen am ſtaͤrkſten bereift, auf die ſonſt der Thau am haͤufigſten faͤllt. Dieſe Art des Reifs fuͤhrt bey den franzoͤſifchen Schriftſtellern insbeſondere den Ramen Gelée blanche. Eine andere Art Reif (Givre, Frimas) entſteht in der Luft ſelbſt, wenn ſie bis zum Gefrierpunkte erkaͤltet iſt, und durch die in ihr ſchwebenden gefrornen Dunſttheilchen mit einer Menge feiner glaͤnzenden Puͤnktchen erfuͤllt ſcheint. Dieſer Reif entſpringt aus Nebeln, welche vornehmlich im Winter und in den kalten Himmelsſtrichen ſehr haͤufig ſind, und deren Eistheilchen ſich an die der Luft ausgeſetzten Flaͤchen, beſonders auf der Windſeite, in großer Menge anhaͤngen. Nach Briſſon unterſcheiden ſich beyde Arten des Reifs, die ſonſt ſehr aͤhnlich ſind, darinn, daß die letztere (givre) nur entſtehen kan, wenn die Luft bis zum Eispunkte erkaͤltet iſt, da hingegen der gefrorne Thau (gelée blanche) auch bey gelindern Temperaturen der Luft ſtatt findet, wenn nur die Flaͤchen der Koͤrper hinlaͤnglich erkaͤltet ſind. Auf eine aͤhnliche Art entſteht auch das uneigentlich ſogenannte Ausſchlagen der Kaͤlte an Waͤnden, Stubenfenſtern, Eiſen, Steinen und mehrern Koͤrpern, bey einfallendem Thauwetter nach ſtarkem Froſte. Die Luft wird weit ſchneller erwaͤrmt, als alle dieſe Koͤrper; daher ſchlaͤgt ſich die in ihr ſchwebende Feuchtigkeit an den kalten Flaͤchen nieder, und gefriert an denſelben, wenn ſie bis zum Eispunkte erkaͤltet ſind, ehe ſie ſich zu Tropfen vereinigen kan. Dadurch wird die kalte Flaͤche mit einer ſchneeaͤhnlichen Rinde von feinen Eistheilchen uͤberzogen. Dieſe Theile kommen nicht, wie der Name des Ausſchlagens andeutet, aus dem Koͤrper heraus, ſondern haͤngen ſich vielmehr von außen her an ſeine Flaͤche. Wenn es von außen kalt iſt, und ſich im Zimmer viele Perſonen aufhalten, welche ſtark duͤnſten, ſo gefrieren die Duͤnſte an den kalten Fenſterſcheiben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/715
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/715>, abgerufen am 20.05.2024.