Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Erscheinungen, welche wir an allen Körper bemerken, allgemeine Phänomene der Körper, erwecken in uns den Begrif allgemeiner Eigenschaften der letztern (qualitates corporum universorum, primariae, Attributa corporum). Unter diesen sind Ausdehnung und Undurchdringlichkeit mit dem Begriffe des Körperlichen nothwendig verbunden; sie machen gleichsam die Bestandtheile aus, in welche sich dieser Begrif selbst zerlegen läßt. Diese heißen daher wesentliche Eigenschaften (qualitates essentiales) Die übrigen allgemeinen Eigenschaften, nemlich Härte, Theilbarkeit, Trägheit, Auziehung würde ich lieber allgemeine Phänomene der Körper nennen. Andere Erscheinungen, welche sich nur an Körpern von gewisser Art oder in gewissen Zuständen zeigen, führen auf die Begriffe von abgeleiteten oder zufälligen Eigenschaften (qualitates secundariae, proprietates corporum), z. B. Elasticität, Sprödigkeit, Festigkeit, Flüßigkeit, Wärme, Kälte, Farbe u. s. w. s. Körper. Was nun dasjenige, das diese Erscheinungen hervorbringt, in den Körpern eigentlich sey, oder worinn die Qualitäten beruhen, ist in den meisten Fällen unbekannt, weil wir nur das Kleid der Dinge, nicht die Dinge selbst, sehen. Die meisten Schriftsteller unterscheiden Qualität und Quantität als solche Begriffe, die gar nichts mit einander gemein haben sollen. Man hat durch diesen Unterschied sogar die Grenzen zwischen dem Gebiete der eigentlichen Physit und der angewandten Mathematik bestimmen wollen, s. Physik. Wenn nun der Begrif von Größe oder Quantität auf der Möglichkeit des Mehrern und Mindern beruht, so kan zu den Qualitäten oder Beschaffenheiten in diesem Sinne nur dasjenige gerechnet werden, wobey kein Mehreres und Minderes statt findet. Für solche Qualitäten erklärt Newton nur die allgemeinen Eigenschaften der Körper, noch überdies mit Ausschluß der Anziehung (Qualitates corporum, quae intendi et remitti nequeunt, quae-
Erſcheinungen, welche wir an allen Koͤrper bemerken, allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper, erwecken in uns den Begrif allgemeiner Eigenſchaften der letztern (qualitates corporum univerſorum, primariae, Attributa corporum). Unter dieſen ſind Ausdehnung und Undurchdringlichkeit mit dem Begriffe des Koͤrperlichen nothwendig verbunden; ſie machen gleichſam die Beſtandtheile aus, in welche ſich dieſer Begrif ſelbſt zerlegen laͤßt. Dieſe heißen daher weſentliche Eigenſchaften (qualitates eſſentiales) Die uͤbrigen allgemeinen Eigenſchaften, nemlich Haͤrte, Theilbarkeit, Traͤgheit, Auziehung wuͤrde ich lieber allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper nennen. Andere Erſcheinungen, welche ſich nur an Koͤrpern von gewiſſer Art oder in gewiſſen Zuſtaͤnden zeigen, fuͤhren auf die Begriffe von abgeleiteten oder zufaͤlligen Eigenſchaften (qualitates ſecundariae, proprietates corporum), z. B. Elaſticitaͤt, Sproͤdigkeit, Feſtigkeit, Fluͤßigkeit, Waͤrme, Kaͤlte, Farbe u. ſ. w. ſ. Koͤrper. Was nun dasjenige, das dieſe Erſcheinungen hervorbringt, in den Koͤrpern eigentlich ſey, oder worinn die Qualitaͤten beruhen, iſt in den meiſten Faͤllen unbekannt, weil wir nur das Kleid der Dinge, nicht die Dinge ſelbſt, ſehen. Die meiſten Schriftſteller unterſcheiden Qualitaͤt und Quantitaͤt als ſolche Begriffe, die gar nichts mit einander gemein haben ſollen. Man hat durch dieſen Unterſchied ſogar die Grenzen zwiſchen dem Gebiete der eigentlichen Phyſit und der angewandten Mathematik beſtimmen wollen, ſ. Phyſik. Wenn nun der Begrif von Groͤße oder Quantitaͤt auf der Moͤglichkeit des Mehrern und Mindern beruht, ſo kan zu den Qualitaͤten oder Beſchaffenheiten in dieſem Sinne nur dasjenige gerechnet werden, wobey kein Mehreres und Minderes ſtatt findet. Fuͤr ſolche Qualitaͤten erklaͤrt Newton nur die allgemeinen Eigenſchaften der Koͤrper, noch uͤberdies mit Ausſchluß der Anziehung (Qualitates corporum, quae intendi et remitti nequeunt, quae- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0597" xml:id="P.3.591" n="591"/><lb/> ſich immer erinnert, daß von Eigenſchaften und Beſchaffenheiten nicht anders, als nach dem allgemeinen ſinnlichen Scheine, geredet werden koͤnne.</p> <p>Erſcheinungen, welche wir an <hi rendition="#b">allen</hi> Koͤrper bemerken, allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper, erwecken in uns den <hi rendition="#b">Begrif allgemeiner Eigenſchaften</hi> der letztern <hi rendition="#aq">(qualitates corporum univerſorum, primariae, Attributa corporum).</hi> Unter dieſen ſind Ausdehnung und Undurchdringlichkeit mit dem Begriffe des Koͤrperlichen nothwendig verbunden; ſie machen gleichſam die Beſtandtheile aus, in welche ſich dieſer Begrif ſelbſt zerlegen laͤßt. Dieſe heißen daher weſentliche <hi rendition="#b">Eigenſchaften</hi> <hi rendition="#aq">(qualitates eſſentiales)</hi> Die uͤbrigen allgemeinen Eigenſchaften, nemlich Haͤrte, Theilbarkeit, Traͤgheit, Auziehung wuͤrde ich lieber allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper nennen. Andere Erſcheinungen, welche ſich nur an Koͤrpern von gewiſſer Art oder in gewiſſen Zuſtaͤnden zeigen, fuͤhren auf die Begriffe von abgeleiteten oder <hi rendition="#b">zufaͤlligen Eigenſchaften</hi> <hi rendition="#aq">(qualitates ſecundariae, proprietates corporum),</hi> z. B. Elaſticitaͤt, Sproͤdigkeit, Feſtigkeit, Fluͤßigkeit, Waͤrme, Kaͤlte, Farbe u. ſ. w. ſ. <hi rendition="#b">Koͤrper.</hi> Was nun dasjenige, das dieſe Erſcheinungen hervorbringt, in den Koͤrpern eigentlich ſey, oder worinn die Qualitaͤten beruhen, iſt in den meiſten Faͤllen unbekannt, weil wir nur das Kleid der Dinge, nicht die Dinge ſelbſt, ſehen.</p> <p>Die meiſten Schriftſteller unterſcheiden <hi rendition="#b">Qualitaͤt</hi> und <hi rendition="#b">Quantitaͤt</hi> als ſolche Begriffe, die gar nichts mit einander gemein haben ſollen. Man hat durch dieſen Unterſchied ſogar die Grenzen zwiſchen dem Gebiete der eigentlichen Phyſit und der angewandten Mathematik beſtimmen wollen, ſ. <hi rendition="#b">Phyſik.</hi> Wenn nun der Begrif von Groͤße oder Quantitaͤt auf der Moͤglichkeit des Mehrern und Mindern beruht, ſo kan zu den Qualitaͤten oder Beſchaffenheiten in dieſem Sinne nur dasjenige gerechnet werden, wobey kein Mehreres und Minderes ſtatt findet. Fuͤr ſolche Qualitaͤten erklaͤrt <hi rendition="#b">Newton</hi> nur die allgemeinen Eigenſchaften der Koͤrper, noch uͤberdies mit Ausſchluß der Anziehung <hi rendition="#aq">(Qualitates corporum, <hi rendition="#i">quae intendi et remitti nequeunt,</hi> quae-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [591/0597]
ſich immer erinnert, daß von Eigenſchaften und Beſchaffenheiten nicht anders, als nach dem allgemeinen ſinnlichen Scheine, geredet werden koͤnne.
Erſcheinungen, welche wir an allen Koͤrper bemerken, allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper, erwecken in uns den Begrif allgemeiner Eigenſchaften der letztern (qualitates corporum univerſorum, primariae, Attributa corporum). Unter dieſen ſind Ausdehnung und Undurchdringlichkeit mit dem Begriffe des Koͤrperlichen nothwendig verbunden; ſie machen gleichſam die Beſtandtheile aus, in welche ſich dieſer Begrif ſelbſt zerlegen laͤßt. Dieſe heißen daher weſentliche Eigenſchaften (qualitates eſſentiales) Die uͤbrigen allgemeinen Eigenſchaften, nemlich Haͤrte, Theilbarkeit, Traͤgheit, Auziehung wuͤrde ich lieber allgemeine Phaͤnomene der Koͤrper nennen. Andere Erſcheinungen, welche ſich nur an Koͤrpern von gewiſſer Art oder in gewiſſen Zuſtaͤnden zeigen, fuͤhren auf die Begriffe von abgeleiteten oder zufaͤlligen Eigenſchaften (qualitates ſecundariae, proprietates corporum), z. B. Elaſticitaͤt, Sproͤdigkeit, Feſtigkeit, Fluͤßigkeit, Waͤrme, Kaͤlte, Farbe u. ſ. w. ſ. Koͤrper. Was nun dasjenige, das dieſe Erſcheinungen hervorbringt, in den Koͤrpern eigentlich ſey, oder worinn die Qualitaͤten beruhen, iſt in den meiſten Faͤllen unbekannt, weil wir nur das Kleid der Dinge, nicht die Dinge ſelbſt, ſehen.
Die meiſten Schriftſteller unterſcheiden Qualitaͤt und Quantitaͤt als ſolche Begriffe, die gar nichts mit einander gemein haben ſollen. Man hat durch dieſen Unterſchied ſogar die Grenzen zwiſchen dem Gebiete der eigentlichen Phyſit und der angewandten Mathematik beſtimmen wollen, ſ. Phyſik. Wenn nun der Begrif von Groͤße oder Quantitaͤt auf der Moͤglichkeit des Mehrern und Mindern beruht, ſo kan zu den Qualitaͤten oder Beſchaffenheiten in dieſem Sinne nur dasjenige gerechnet werden, wobey kein Mehreres und Minderes ſtatt findet. Fuͤr ſolche Qualitaͤten erklaͤrt Newton nur die allgemeinen Eigenſchaften der Koͤrper, noch uͤberdies mit Ausſchluß der Anziehung (Qualitates corporum, quae intendi et remitti nequeunt, quae-
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