Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Zu den ersten Versuchen über die Ausdehnungen der Metalle durch die Wärme gab Richer's Pendelbeobachtung in Cayenne Anlaß. Die Cartesianer wollten nicht gleich eine geringere Schwere unterm Aequator annehmen, und suchten daher den Grund, warum das Secundenpendel dort 1 1/4 Lin. kürzer, als zu Paris, sey, in der Wärme zu Cayenne. Man mußte also wissen, wie viel diese Ursache wirken könne. Picard fand, daß eine eiserne Stange, die in der Kälte des Winters 1 Fuß lang war, am Fenster um 1/4 Lin., also um (1/576) ihrer Länge, verlängert ward, und nach de la Hire's Beobachtung hatte eine eiserne Toise, die im Winter das richtige Maaß hielt, im Sommer an der Sonne um 2/3 Lin. oder um (1/1296) ihrer Länge zugenommen. Newton schloß hieraus, der Einfluß der Wärme sey zu gering, um Richer's Beobachtung zu erklären, welche vielmehr die verminderte Schwere und die abgeplattete Gestalt der Erde beweise. Man hieng aber in Frankreich zu sehr an dem cartesianischen Lehrgebäude, sahe die Pendelversuche nicht für so wichtig an, und ließ darüber die ganze Sache liegen. Erst nach 1730 änderte sich diese Meinung. Newtons System fand in Frankreich Anhänger, und man fieng an, die Wichtigkeit einer scharfen Prüfung der Längen von Pendeln und Meßstangen zu empfinden. Musschenbroek gab damals das erste Pyrometer an, das die Ausdehnungen sehr groß und sichtbar macht, und brauchte es zu vielen Versuchen, die mit den genausten neuern übereinstimmen. Die französischen Akademisten untersuchten bey der Gradmessung in Peru diesen Gegenstand mit vorzüglichem Fleiße.
Zu den erſten Verſuchen uͤber die Ausdehnungen der Metalle durch die Waͤrme gab Richer's Pendelbeobachtung in Cayenne Anlaß. Die Carteſianer wollten nicht gleich eine geringere Schwere unterm Aequator annehmen, und ſuchten daher den Grund, warum das Secundenpendel dort 1 1/4 Lin. kuͤrzer, als zu Paris, ſey, in der Waͤrme zu Cayenne. Man mußte alſo wiſſen, wie viel dieſe Urſache wirken koͤnne. Picard fand, daß eine eiſerne Stange, die in der Kaͤlte des Winters 1 Fuß lang war, am Fenſter um 1/4 Lin., alſo um (1/576) ihrer Laͤnge, verlaͤngert ward, und nach de la Hire's Beobachtung hatte eine eiſerne Toiſe, die im Winter das richtige Maaß hielt, im Sommer an der Sonne um 2/3 Lin. oder um (1/1296) ihrer Laͤnge zugenommen. Newton ſchloß hieraus, der Einfluß der Waͤrme ſey zu gering, um Richer's Beobachtung zu erklaͤren, welche vielmehr die verminderte Schwere und die abgeplattete Geſtalt der Erde beweiſe. Man hieng aber in Frankreich zu ſehr an dem carteſianiſchen Lehrgebaͤude, ſahe die Pendelverſuche nicht fuͤr ſo wichtig an, und ließ daruͤber die ganze Sache liegen. Erſt nach 1730 aͤnderte ſich dieſe Meinung. Newtons Syſtem fand in Frankreich Anhaͤnger, und man fieng an, die Wichtigkeit einer ſcharfen Pruͤfung der Laͤngen von Pendeln und Meßſtangen zu empfinden. Muſſchenbroek gab damals das erſte Pyrometer an, das die Ausdehnungen ſehr groß und ſichtbar macht, und brauchte es zu vielen Verſuchen, die mit den genauſten neuern uͤbereinſtimmen. Die franzoͤſiſchen Akademiſten unterſuchten bey der Gradmeſſung in Peru dieſen Gegenſtand mit vorzuͤglichem Fleiße. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0576" xml:id="P.3.570" n="570"/><lb/> einen bezahnten Sector bewegt, der in ein Getrieb eingreift, auf deſſen Axe der Zeiger ſteckt. Man ſieht leicht, daß ſich ſolche Einrichtungen, wenn es, wie bey Nollet, nur auf Verſuche bey Vorleſungen abgeſehen iſt, von jedem Liebhaber nach Gefallen aͤndern laſſen. Es kan alſo leicht weit mehr Pyrometer, als die angefuͤhrten, geben. Da aber auch bey dem Worte <hi rendition="#b">Thermometer</hi> noch mehr aͤhnliche Werkzeuge vorkommen werden, ſo will ich lieber davon abbrechen, und dafuͤr etwas von den mit Pyrometern angeſtellten Verſuchen beyfuͤgen.</p> <p>Zu den erſten Verſuchen uͤber die Ausdehnungen der Metalle durch die Waͤrme gab <hi rendition="#b">Richer's</hi> Pendelbeobachtung in Cayenne Anlaß. Die Carteſianer wollten nicht gleich eine geringere Schwere unterm Aequator annehmen, und ſuchten daher den Grund, warum das Secundenpendel dort 1 1/4 Lin. kuͤrzer, als zu Paris, ſey, in der Waͤrme zu Cayenne. Man mußte alſo wiſſen, wie viel dieſe Urſache wirken koͤnne. <hi rendition="#b">Picard</hi> fand, daß eine eiſerne Stange, die in der Kaͤlte des Winters 1 Fuß lang war, am Fenſter um 1/4 Lin., alſo um (1/576) ihrer Laͤnge, verlaͤngert ward, und nach de la <hi rendition="#b">Hire's</hi> Beobachtung hatte eine eiſerne Toiſe, die im Winter das richtige Maaß hielt, im Sommer an der Sonne um 2/3 Lin. oder um (1/1296) ihrer Laͤnge zugenommen. <hi rendition="#b">Newton</hi> ſchloß hieraus, der Einfluß der Waͤrme ſey zu gering, um Richer's Beobachtung zu erklaͤren, welche vielmehr die verminderte Schwere und die abgeplattete Geſtalt der Erde beweiſe. Man hieng aber in Frankreich zu ſehr an dem carteſianiſchen Lehrgebaͤude, ſahe die Pendelverſuche nicht fuͤr ſo wichtig an, und ließ daruͤber die ganze Sache liegen.</p> <p>Erſt nach 1730 aͤnderte ſich dieſe Meinung. <hi rendition="#b">Newtons</hi> Syſtem fand in Frankreich Anhaͤnger, und man fieng an, die Wichtigkeit einer ſcharfen Pruͤfung der Laͤngen von Pendeln und Meßſtangen zu empfinden. <hi rendition="#b">Muſſchenbroek</hi> gab damals das erſte Pyrometer an, das die Ausdehnungen ſehr groß und ſichtbar macht, und brauchte es zu vielen Verſuchen, die mit den genauſten neuern uͤbereinſtimmen. Die franzoͤſiſchen Akademiſten unterſuchten bey der Gradmeſſung in Peru dieſen Gegenſtand mit vorzuͤglichem Fleiße.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [570/0576]
einen bezahnten Sector bewegt, der in ein Getrieb eingreift, auf deſſen Axe der Zeiger ſteckt. Man ſieht leicht, daß ſich ſolche Einrichtungen, wenn es, wie bey Nollet, nur auf Verſuche bey Vorleſungen abgeſehen iſt, von jedem Liebhaber nach Gefallen aͤndern laſſen. Es kan alſo leicht weit mehr Pyrometer, als die angefuͤhrten, geben. Da aber auch bey dem Worte Thermometer noch mehr aͤhnliche Werkzeuge vorkommen werden, ſo will ich lieber davon abbrechen, und dafuͤr etwas von den mit Pyrometern angeſtellten Verſuchen beyfuͤgen.
Zu den erſten Verſuchen uͤber die Ausdehnungen der Metalle durch die Waͤrme gab Richer's Pendelbeobachtung in Cayenne Anlaß. Die Carteſianer wollten nicht gleich eine geringere Schwere unterm Aequator annehmen, und ſuchten daher den Grund, warum das Secundenpendel dort 1 1/4 Lin. kuͤrzer, als zu Paris, ſey, in der Waͤrme zu Cayenne. Man mußte alſo wiſſen, wie viel dieſe Urſache wirken koͤnne. Picard fand, daß eine eiſerne Stange, die in der Kaͤlte des Winters 1 Fuß lang war, am Fenſter um 1/4 Lin., alſo um (1/576) ihrer Laͤnge, verlaͤngert ward, und nach de la Hire's Beobachtung hatte eine eiſerne Toiſe, die im Winter das richtige Maaß hielt, im Sommer an der Sonne um 2/3 Lin. oder um (1/1296) ihrer Laͤnge zugenommen. Newton ſchloß hieraus, der Einfluß der Waͤrme ſey zu gering, um Richer's Beobachtung zu erklaͤren, welche vielmehr die verminderte Schwere und die abgeplattete Geſtalt der Erde beweiſe. Man hieng aber in Frankreich zu ſehr an dem carteſianiſchen Lehrgebaͤude, ſahe die Pendelverſuche nicht fuͤr ſo wichtig an, und ließ daruͤber die ganze Sache liegen.
Erſt nach 1730 aͤnderte ſich dieſe Meinung. Newtons Syſtem fand in Frankreich Anhaͤnger, und man fieng an, die Wichtigkeit einer ſcharfen Pruͤfung der Laͤngen von Pendeln und Meßſtangen zu empfinden. Muſſchenbroek gab damals das erſte Pyrometer an, das die Ausdehnungen ſehr groß und ſichtbar macht, und brauchte es zu vielen Verſuchen, die mit den genauſten neuern uͤbereinſtimmen. Die franzoͤſiſchen Akademiſten unterſuchten bey der Gradmeſſung in Peru dieſen Gegenſtand mit vorzuͤglichem Fleiße.
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