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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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zuverläßigern Beobachtungen hierüber erst im sechszehnten Jahrhunderte anfangen, s. Abweichung der Magnetnadel. Fortgesetzte Wahrnehmungen lehrten, daß diese Abweichung sogar nach Ort und Zeit veränderlich sey, und entdeckten auch, daß sich die Nadel gegen den Horizont neige, s. Neigung der Magnetnadel.

Hierauf gründete Gilbert schon im Jahre 1600 den Saß, die Erdkugel selbst sey ein Magnet. Er nahm die Erfahrung zu Hülfe, daß sich die gleichnamigen Pole zweener Magnete abstoßen, und die ungleichnamigen anziehen, und erklärte hieraus die Polarität sehr befriedigend, indem er der Erde gegen Süden und Norden Pole beylegte, die gegen die Nord- und Südpole der Magnete sreundschaftlich oder anziehend wären. Diese Erklärung ist auch immer beybehalten worden, und hat durch neuere Entdeckungen den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit erhalten, da man jetzt im Stande ist, jedem Eisen ohne Beyhülfe eines andern Magnets, blos durch den Magnetismus der Erde, eine Polarität zu geben.

Die Polarität ist also eine Folge des Anziehens und Abstoßens der magnetischen Pole der Erde und jedes einzelnen Magnets. Man weiß auch jetzt, daß gar kein Magnetismus ohne Polarität statt finde, oder daß kein Eisen vom Magnet angezogen werde, ohne zugleich selbst Magnet zu werden und Pole zu bekommen. Ein magnetisches Eisen wird vom Nordpole eines Magnets + M nur darum angezogen, weil sein nächstes Ende durch den Wirkungskreis des + M ein - M erhält, oder ein Südpol wird. Das andere Ende erhält alsdann + M, oder wird ein Nordpol. Bringt man eine eiserne Stange in die Richtung des magnetischen Meridians, so ist das nördliche Ende derselben der Wirkung des Nordpols der Erde, welcher - M hat, mehr ausgesetzt als das südliche. Es erhält also + M, den Gesetzen der Wirkungskreise gemäß, und die Stange wird magnetisch, ohne Beyhülfe eines andern Magnets. Hat die Stange eine auf den magnetischen Meridian senkrechte Richtung, so kan diese Wirkung nicht erfolgen, weil alsdann der Nordpol der Erde auf alle Punkte derselben gleich stark


zuverlaͤßigern Beobachtungen hieruͤber erſt im ſechszehnten Jahrhunderte anfangen, ſ. Abweichung der Magnetnadel. Fortgeſetzte Wahrnehmungen lehrten, daß dieſe Abweichung ſogar nach Ort und Zeit veraͤnderlich ſey, und entdeckten auch, daß ſich die Nadel gegen den Horizont neige, ſ. Neigung der Magnetnadel.

Hierauf gruͤndete Gilbert ſchon im Jahre 1600 den Saß, die Erdkugel ſelbſt ſey ein Magnet. Er nahm die Erfahrung zu Huͤlfe, daß ſich die gleichnamigen Pole zweener Magnete abſtoßen, und die ungleichnamigen anziehen, und erklaͤrte hieraus die Polaritaͤt ſehr befriedigend, indem er der Erde gegen Suͤden und Norden Pole beylegte, die gegen die Nord- und Suͤdpole der Magnete ſreundſchaftlich oder anziehend waͤren. Dieſe Erklaͤrung iſt auch immer beybehalten worden, und hat durch neuere Entdeckungen den hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit erhalten, da man jetzt im Stande iſt, jedem Eiſen ohne Beyhuͤlfe eines andern Magnets, blos durch den Magnetismus der Erde, eine Polaritaͤt zu geben.

Die Polaritaͤt iſt alſo eine Folge des Anziehens und Abſtoßens der magnetiſchen Pole der Erde und jedes einzelnen Magnets. Man weiß auch jetzt, daß gar kein Magnetiſmus ohne Polaritaͤt ſtatt finde, oder daß kein Eiſen vom Magnet angezogen werde, ohne zugleich ſelbſt Magnet zu werden und Pole zu bekommen. Ein magnetiſches Eiſen wird vom Nordpole eines Magnets + M nur darum angezogen, weil ſein naͤchſtes Ende durch den Wirkungskreis des + M ein - M erhaͤlt, oder ein Suͤdpol wird. Das andere Ende erhaͤlt alsdann + M, oder wird ein Nordpol. Bringt man eine eiſerne Stange in die Richtung des magnetiſchen Meridians, ſo iſt das noͤrdliche Ende derſelben der Wirkung des Nordpols der Erde, welcher - M hat, mehr ausgeſetzt als das ſuͤdliche. Es erhaͤlt alſo + M, den Geſetzen der Wirkungskreiſe gemaͤß, und die Stange wird magnetiſch, ohne Beyhuͤlfe eines andern Magnets. Hat die Stange eine auf den magnetiſchen Meridian ſenkrechte Richtung, ſo kan dieſe Wirkung nicht erfolgen, weil alsdann der Nordpol der Erde auf alle Punkte derſelben gleich ſtark

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[531/0537] zuverlaͤßigern Beobachtungen hieruͤber erſt im ſechszehnten Jahrhunderte anfangen, ſ. Abweichung der Magnetnadel. Fortgeſetzte Wahrnehmungen lehrten, daß dieſe Abweichung ſogar nach Ort und Zeit veraͤnderlich ſey, und entdeckten auch, daß ſich die Nadel gegen den Horizont neige, ſ. Neigung der Magnetnadel. Hierauf gruͤndete Gilbert ſchon im Jahre 1600 den Saß, die Erdkugel ſelbſt ſey ein Magnet. Er nahm die Erfahrung zu Huͤlfe, daß ſich die gleichnamigen Pole zweener Magnete abſtoßen, und die ungleichnamigen anziehen, und erklaͤrte hieraus die Polaritaͤt ſehr befriedigend, indem er der Erde gegen Suͤden und Norden Pole beylegte, die gegen die Nord- und Suͤdpole der Magnete ſreundſchaftlich oder anziehend waͤren. Dieſe Erklaͤrung iſt auch immer beybehalten worden, und hat durch neuere Entdeckungen den hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit erhalten, da man jetzt im Stande iſt, jedem Eiſen ohne Beyhuͤlfe eines andern Magnets, blos durch den Magnetismus der Erde, eine Polaritaͤt zu geben. Die Polaritaͤt iſt alſo eine Folge des Anziehens und Abſtoßens der magnetiſchen Pole der Erde und jedes einzelnen Magnets. Man weiß auch jetzt, daß gar kein Magnetiſmus ohne Polaritaͤt ſtatt finde, oder daß kein Eiſen vom Magnet angezogen werde, ohne zugleich ſelbſt Magnet zu werden und Pole zu bekommen. Ein magnetiſches Eiſen wird vom Nordpole eines Magnets + M nur darum angezogen, weil ſein naͤchſtes Ende durch den Wirkungskreis des + M ein - M erhaͤlt, oder ein Suͤdpol wird. Das andere Ende erhaͤlt alsdann + M, oder wird ein Nordpol. Bringt man eine eiſerne Stange in die Richtung des magnetiſchen Meridians, ſo iſt das noͤrdliche Ende derſelben der Wirkung des Nordpols der Erde, welcher - M hat, mehr ausgeſetzt als das ſuͤdliche. Es erhaͤlt alſo + M, den Geſetzen der Wirkungskreiſe gemaͤß, und die Stange wird magnetiſch, ohne Beyhuͤlfe eines andern Magnets. Hat die Stange eine auf den magnetiſchen Meridian ſenkrechte Richtung, ſo kan dieſe Wirkung nicht erfolgen, weil alsdann der Nordpol der Erde auf alle Punkte derſelben gleich ſtark

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/537>, abgerufen am 22.11.2024.