Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Art bey den Versuchen über den Fall der Körper (Th. II. S. 122.). Allein man mußte die Bewegung des Pendels sehr oft wieder erneuern, weil sie der Widerstand der Luft beständig schwächet, und überdies sehlte es an einem bequemen Mittel, die Schwünge zu zählen.

Huygens, der eben so groß in der Mechanik, als in der Geometrie war, hatte den glücklichen Gedanken, das Pendel an die Uhren selbst anzubringen, wodurch beyden Schwierigkeiren zugleich abgeholsen ward. Der Trieb der Uhr erneuert unabläßig die Bewegung des Pendels, und die gleichen Schwünge des letztern erlauben der Uhr keinen andern, als einen gleichförmigen Gang, durch den sich die Schwünge von selbst zählen. Huygens Pendel ist eine eiserne Stange mit einem Gewichte, deren oberes Ende an eine Spindel mit zween stählernen Lappen oder Blättchen befestiget ist. Durch die Schwünge der Stange werden diese Lappen wechselsweise hin und her gewendet, und fallen zwischen die Zähne des letztern Uhrrades so ein, daß sie bey jedem Schwunge nicht mehr als einen einzigen Zahn des Rades fortgehen lassen. Dieses Rad, mithin das ganze Uhrwerk, muß also eben so gleichförmig gehen, als das Pendel selbst. Ueberdies schlagen auch die Zähne, welche von dem Gewichte oder der Feder in der Uhr fortgetrieben werden, gegen die Lappen der Spindel an, und theilen dadurch dem Pendel selbst wieder soviel neue Bewegung mit, als es durch den Widerstand der Luft von Zeit zu Zeit verliert. Huygens machte diese wichtige Erfindung im Jahre 1656, und sie ist seitdem unter dem Namen der Pendeluhr allgemein bekannt, und für mancherley Absichten in den Wissenschaften und im bürgerlichen Leben höchst brauchbar geworden.

Er trieb aber seine Untersuchungen hierüber noch viel weiter. Da es kaum möglich ist, den Widerstand der Luft und das Reiben der Spindel so genau zu compensiren, daß die Schwünge nicht bisweilen größere oder kleinere Bogen beschreiben sollten, so fürchtete er, dies möchte der Gleichförmigkeit des Ganges hinderlich seyn. Seine Entdeckungen über die Cykloide lehrten ihn, die Größe der Bogen


Art bey den Verſuchen uͤber den Fall der Koͤrper (Th. II. S. 122.). Allein man mußte die Bewegung des Pendels ſehr oft wieder erneuern, weil ſie der Widerſtand der Luft beſtaͤndig ſchwaͤchet, und uͤberdies ſehlte es an einem bequemen Mittel, die Schwuͤnge zu zaͤhlen.

Huygens, der eben ſo groß in der Mechanik, als in der Geometrie war, hatte den gluͤcklichen Gedanken, das Pendel an die Uhren ſelbſt anzubringen, wodurch beyden Schwierigkeiren zugleich abgeholſen ward. Der Trieb der Uhr erneuert unablaͤßig die Bewegung des Pendels, und die gleichen Schwuͤnge des letztern erlauben der Uhr keinen andern, als einen gleichfoͤrmigen Gang, durch den ſich die Schwuͤnge von ſelbſt zaͤhlen. Huygens Pendel iſt eine eiſerne Stange mit einem Gewichte, deren oberes Ende an eine Spindel mit zween ſtaͤhlernen Lappen oder Blaͤttchen befeſtiget iſt. Durch die Schwuͤnge der Stange werden dieſe Lappen wechſelsweiſe hin und her gewendet, und fallen zwiſchen die Zaͤhne des letztern Uhrrades ſo ein, daß ſie bey jedem Schwunge nicht mehr als einen einzigen Zahn des Rades fortgehen laſſen. Dieſes Rad, mithin das ganze Uhrwerk, muß alſo eben ſo gleichfoͤrmig gehen, als das Pendel ſelbſt. Ueberdies ſchlagen auch die Zaͤhne, welche von dem Gewichte oder der Feder in der Uhr fortgetrieben werden, gegen die Lappen der Spindel an, und theilen dadurch dem Pendel ſelbſt wieder ſoviel neue Bewegung mit, als es durch den Widerſtand der Luft von Zeit zu Zeit verliert. Huygens machte dieſe wichtige Erfindung im Jahre 1656, und ſie iſt ſeitdem unter dem Namen der Pendeluhr allgemein bekannt, und fuͤr mancherley Abſichten in den Wiſſenſchaften und im buͤrgerlichen Leben hoͤchſt brauchbar geworden.

Er trieb aber ſeine Unterſuchungen hieruͤber noch viel weiter. Da es kaum moͤglich iſt, den Widerſtand der Luft und das Reiben der Spindel ſo genau zu compenſiren, daß die Schwuͤnge nicht bisweilen groͤßere oder kleinere Bogen beſchreiben ſollten, ſo fuͤrchtete er, dies moͤchte der Gleichfoͤrmigkeit des Ganges hinderlich ſeyn. Seine Entdeckungen uͤber die Cykloide lehrten ihn, die Groͤße der Bogen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0428" xml:id="P.3.422" n="422"/><lb/>
Art bey den Ver&#x017F;uchen u&#x0364;ber den Fall der Ko&#x0364;rper (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 122.). Allein man mußte die Bewegung des Pendels &#x017F;ehr oft wieder erneuern, weil &#x017F;ie der Wider&#x017F;tand der Luft be&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;chwa&#x0364;chet, und u&#x0364;berdies &#x017F;ehlte es an einem bequemen Mittel, die Schwu&#x0364;nge zu za&#x0364;hlen.</p>
            <p><hi rendition="#b">Huygens,</hi> der eben &#x017F;o groß in der Mechanik, als in der Geometrie war, hatte den glu&#x0364;cklichen Gedanken, das Pendel an die Uhren &#x017F;elb&#x017F;t anzubringen, wodurch beyden Schwierigkeiren zugleich abgehol&#x017F;en ward. Der Trieb der Uhr erneuert unabla&#x0364;ßig die Bewegung des Pendels, und die gleichen Schwu&#x0364;nge des letztern erlauben der Uhr keinen andern, als einen gleichfo&#x0364;rmigen Gang, durch den &#x017F;ich die Schwu&#x0364;nge von &#x017F;elb&#x017F;t za&#x0364;hlen. <hi rendition="#b">Huygens</hi> Pendel i&#x017F;t eine ei&#x017F;erne Stange mit einem Gewichte, deren oberes Ende an eine Spindel mit zween &#x017F;ta&#x0364;hlernen Lappen oder Bla&#x0364;ttchen befe&#x017F;tiget i&#x017F;t. Durch die Schwu&#x0364;nge der Stange werden die&#x017F;e Lappen wech&#x017F;elswei&#x017F;e hin und her gewendet, und fallen zwi&#x017F;chen die Za&#x0364;hne des letztern Uhrrades &#x017F;o ein, daß &#x017F;ie bey jedem Schwunge nicht mehr als einen einzigen Zahn des Rades fortgehen la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;es Rad, mithin das ganze Uhrwerk, muß al&#x017F;o eben &#x017F;o gleichfo&#x0364;rmig gehen, als das Pendel &#x017F;elb&#x017F;t. Ueberdies &#x017F;chlagen auch die Za&#x0364;hne, welche von dem Gewichte oder der Feder in der Uhr fortgetrieben werden, gegen die Lappen der Spindel an, und theilen dadurch dem Pendel &#x017F;elb&#x017F;t wieder &#x017F;oviel neue Bewegung mit, als es durch den Wider&#x017F;tand der Luft von Zeit zu Zeit verliert. <hi rendition="#b">Huygens</hi> machte die&#x017F;e wichtige Erfindung im Jahre 1656, und &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;eitdem unter dem Namen der <hi rendition="#b">Pendeluhr</hi> allgemein bekannt, und fu&#x0364;r mancherley Ab&#x017F;ichten in den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und im bu&#x0364;rgerlichen Leben ho&#x0364;ch&#x017F;t brauchbar geworden.</p>
            <p>Er trieb aber &#x017F;eine Unter&#x017F;uchungen hieru&#x0364;ber noch viel weiter. Da es kaum mo&#x0364;glich i&#x017F;t, den Wider&#x017F;tand der Luft und das Reiben der Spindel &#x017F;o genau zu compen&#x017F;iren, daß die Schwu&#x0364;nge nicht bisweilen gro&#x0364;ßere oder kleinere Bogen be&#x017F;chreiben &#x017F;ollten, &#x017F;o fu&#x0364;rchtete er, dies mo&#x0364;chte der Gleichfo&#x0364;rmigkeit des Ganges hinderlich &#x017F;eyn. Seine Entdeckungen u&#x0364;ber die Cykloide lehrten ihn, die Gro&#x0364;ße der Bogen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0428] Art bey den Verſuchen uͤber den Fall der Koͤrper (Th. II. S. 122.). Allein man mußte die Bewegung des Pendels ſehr oft wieder erneuern, weil ſie der Widerſtand der Luft beſtaͤndig ſchwaͤchet, und uͤberdies ſehlte es an einem bequemen Mittel, die Schwuͤnge zu zaͤhlen. Huygens, der eben ſo groß in der Mechanik, als in der Geometrie war, hatte den gluͤcklichen Gedanken, das Pendel an die Uhren ſelbſt anzubringen, wodurch beyden Schwierigkeiren zugleich abgeholſen ward. Der Trieb der Uhr erneuert unablaͤßig die Bewegung des Pendels, und die gleichen Schwuͤnge des letztern erlauben der Uhr keinen andern, als einen gleichfoͤrmigen Gang, durch den ſich die Schwuͤnge von ſelbſt zaͤhlen. Huygens Pendel iſt eine eiſerne Stange mit einem Gewichte, deren oberes Ende an eine Spindel mit zween ſtaͤhlernen Lappen oder Blaͤttchen befeſtiget iſt. Durch die Schwuͤnge der Stange werden dieſe Lappen wechſelsweiſe hin und her gewendet, und fallen zwiſchen die Zaͤhne des letztern Uhrrades ſo ein, daß ſie bey jedem Schwunge nicht mehr als einen einzigen Zahn des Rades fortgehen laſſen. Dieſes Rad, mithin das ganze Uhrwerk, muß alſo eben ſo gleichfoͤrmig gehen, als das Pendel ſelbſt. Ueberdies ſchlagen auch die Zaͤhne, welche von dem Gewichte oder der Feder in der Uhr fortgetrieben werden, gegen die Lappen der Spindel an, und theilen dadurch dem Pendel ſelbſt wieder ſoviel neue Bewegung mit, als es durch den Widerſtand der Luft von Zeit zu Zeit verliert. Huygens machte dieſe wichtige Erfindung im Jahre 1656, und ſie iſt ſeitdem unter dem Namen der Pendeluhr allgemein bekannt, und fuͤr mancherley Abſichten in den Wiſſenſchaften und im buͤrgerlichen Leben hoͤchſt brauchbar geworden. Er trieb aber ſeine Unterſuchungen hieruͤber noch viel weiter. Da es kaum moͤglich iſt, den Widerſtand der Luft und das Reiben der Spindel ſo genau zu compenſiren, daß die Schwuͤnge nicht bisweilen groͤßere oder kleinere Bogen beſchreiben ſollten, ſo fuͤrchtete er, dies moͤchte der Gleichfoͤrmigkeit des Ganges hinderlich ſeyn. Seine Entdeckungen uͤber die Cykloide lehrten ihn, die Groͤße der Bogen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/428
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/428>, abgerufen am 17.05.2024.