die man in Neigungen und Absichten einer personificirten Natur zu finden glaubte. Galilei und Torricelli bestimmten das Gesetz genauer, und zeigten, daß jede Fläche so stark gegen einen luftleeren Raum getrieben werde, als ob sie von dem Gewicht einer Wasser - oder Quecksilbersäule von gewisser Höhe gedrückt würde. Dadurch bemerkte man, daß die wahre Ursache in dem bestimmten Gewicht einer drückenden Materie zu suchen sey, und weil dies keine andere als die Lust seyn konnte, so entdeckte man dadurch die richtige Ursache, den Druck des Luftkreises. So ist das vorige Gesetz, in welchem man schon eine letzte physikalische Ursache zu sehen geglaubt hatte, in der heutigen Physik blos eine Folge aus den Gesetzen des Drucks elastischer Flüßigkeiten. Auf eine ähnliche Art sind mehrere Irrthümer der Alten verdrängt worden.
Ueberhaupt ist es der größte Vorzug der neuern Physik, daß sie sich mehr mit Bestimmung und Berichtigung der Gesetze, als mit Entdeckung der Ursachen, d. i. mehr mit Ersahrung, als mit Speculation, beschästiget. Es ist auch in diesem Felde noch genug zu thun übrig. Wir kennen noch bey weitem nicht alle Gesetze der Natur, und sehr vielen bekannten, z. B. den Gesetzen der Elektricität und des Magnetismus, fehlt es noch an genauen mathematischen Bestimmungen.
Viele haben sich bemüht, mehrere schon an sich sehr einfache Naturgesetze unter ein einziges noch allgemeineres zusammenzubringen. So zog Leibnitz(Act. Erud. Lips. Jun. 1682.) die Gesetze der Oprik, Katoptrik und Dioptrik in ein einziges, Johann Bernoulli mehrere statische und mechanische Gesetze in seinen Grundsatz der Erhaltung lebendiger Kräfte. s. Kraft lebendige, v. Maupertuis(Accord de differentes loix de la nature in den Oeuvr. de Maupertuis, Lyon, 1768. 8. To. IV. p. 3. sq.) die meisten bekannten Naturgesetze in das Gesetz der kleinsten Wirkung oder der Sparsamkeit zusammen, s. Wirkung. Solche Erfindungen machen dem Witze ihrer Urheber Ehre; es geht aber insgemein bey so weit getriebnen Abstractionen und Aussuchung entfernter Aehnlichkeiten zu viel von der
die man in Neigungen und Abſichten einer perſonificirten Natur zu finden glaubte. Galilei und Torricelli beſtimmten das Geſetz genauer, und zeigten, daß jede Flaͤche ſo ſtark gegen einen luftleeren Raum getrieben werde, als ob ſie von dem Gewicht einer Waſſer - oder Queckſilberſaͤule von gewiſſer Hoͤhe gedruͤckt wuͤrde. Dadurch bemerkte man, daß die wahre Urſache in dem beſtimmten Gewicht einer druͤckenden Materie zu ſuchen ſey, und weil dies keine andere als die Luſt ſeyn konnte, ſo entdeckte man dadurch die richtige Urſache, den Druck des Luftkreiſes. So iſt das vorige Geſetz, in welchem man ſchon eine letzte phyſikaliſche Urſache zu ſehen geglaubt hatte, in der heutigen Phyſik blos eine Folge aus den Geſetzen des Drucks elaſtiſcher Fluͤßigkeiten. Auf eine aͤhnliche Art ſind mehrere Irrthuͤmer der Alten verdraͤngt worden.
Ueberhaupt iſt es der groͤßte Vorzug der neuern Phyſik, daß ſie ſich mehr mit Beſtimmung und Berichtigung der Geſetze, als mit Entdeckung der Urſachen, d. i. mehr mit Erſahrung, als mit Speculation, beſchaͤſtiget. Es iſt auch in dieſem Felde noch genug zu thun uͤbrig. Wir kennen noch bey weitem nicht alle Geſetze der Natur, und ſehr vielen bekannten, z. B. den Geſetzen der Elektricitaͤt und des Magnetismus, fehlt es noch an genauen mathematiſchen Beſtimmungen.
Viele haben ſich bemuͤht, mehrere ſchon an ſich ſehr einfache Naturgeſetze unter ein einziges noch allgemeineres zuſammenzubringen. So zog Leibnitz(Act. Erud. Lipſ. Jun. 1682.) die Geſetze der Oprik, Katoptrik und Dioptrik in ein einziges, Johann Bernoulli mehrere ſtatiſche und mechaniſche Geſetze in ſeinen Grundſatz der Erhaltung lebendiger Kraͤfte. ſ. Kraft lebendige, v. Maupertuis(Accord de differentes loix de la nature in den Oeuvr. de Maupertuis, Lyon, 1768. 8. To. IV. p. 3. ſq.) die meiſten bekannten Naturgeſetze in das Geſetz der kleinſten Wirkung oder der Sparſamkeit zuſammen, ſ. Wirkung. Solche Erfindungen machen dem Witze ihrer Urheber Ehre; es geht aber insgemein bey ſo weit getriebnen Abſtractionen und Auſſuchung entfernter Aehnlichkeiten zu viel von der
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die man in Neigungen und Abſichten einer perſonificirten Natur zu finden glaubte. Galilei und Torricelli beſtimmten das Geſetz genauer, und zeigten, daß jede Flaͤche ſo ſtark gegen einen luftleeren Raum getrieben werde, als ob ſie von dem Gewicht einer Waſſer - oder Queckſilberſaͤule von gewiſſer Hoͤhe gedruͤckt wuͤrde. Dadurch bemerkte man, daß die wahre Urſache in dem beſtimmten Gewicht einer druͤckenden Materie zu ſuchen ſey, und weil dies keine andere als die Luſt ſeyn konnte, ſo entdeckte man dadurch die richtige Urſache, den Druck des Luftkreiſes. So iſt das vorige Geſetz, in welchem man ſchon eine letzte phyſikaliſche Urſache zu ſehen geglaubt hatte, in der heutigen Phyſik blos eine Folge aus den Geſetzen des Drucks elaſtiſcher Fluͤßigkeiten. Auf eine aͤhnliche Art ſind mehrere Irrthuͤmer der Alten verdraͤngt worden.
Ueberhaupt iſt es der groͤßte Vorzug der neuern Phyſik, daß ſie ſich mehr mit Beſtimmung und Berichtigung der Geſetze, als mit Entdeckung der Urſachen, d. i. mehr mit Erſahrung, als mit Speculation, beſchaͤſtiget. Es iſt auch in dieſem Felde noch genug zu thun uͤbrig. Wir kennen noch bey weitem nicht alle Geſetze der Natur, und ſehr vielen bekannten, z. B. den Geſetzen der Elektricitaͤt und des Magnetismus, fehlt es noch an genauen mathematiſchen Beſtimmungen.
Viele haben ſich bemuͤht, mehrere ſchon an ſich ſehr einfache Naturgeſetze unter ein einziges noch allgemeineres zuſammenzubringen. So zog Leibnitz (Act. Erud. Lipſ. Jun. 1682.) die Geſetze der Oprik, Katoptrik und Dioptrik in ein einziges, Johann Bernoulli mehrere ſtatiſche und mechaniſche Geſetze in ſeinen Grundſatz der Erhaltung lebendiger Kraͤfte. ſ. Kraft lebendige, v. Maupertuis (Accord de differentes loix de la nature in den Oeuvr. de Maupertuis, Lyon, 1768. 8. To. IV. p. 3. ſq.) die meiſten bekannten Naturgeſetze in das Geſetz der kleinſten Wirkung oder der Sparſamkeit zuſammen, ſ. Wirkung. Solche Erfindungen machen dem Witze ihrer Urheber Ehre; es geht aber insgemein bey ſo weit getriebnen Abſtractionen und Auſſuchung entfernter Aehnlichkeiten zu viel von der
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/331>, abgerufen am 22.11.2024.
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