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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Stärke, wegen ihrer verschiedenen Entfernungen von B. Wenn nun die Totalsumme aller dieser einzelnen Anziehungen darauf hinausläuft, daß der Körper B so stark gegen C gezogen wird, als ob alle Theile D, E, F u. s. w. zusammen aus dem Punkte C auf B wirkten, so heißt C der Mittelpunkt der Anziehung. Das Wort Anziehung ist hier blos wegen des leichtern Vortrags gewählt, und kan, wenn es mißfällt, mit dem schicklichern Namen Gravitation vertauscht werden.

Newton hat im ersten Buche seiner Principien die Mittelpunkte der Anziehung für verschiedene Fälle berechnet. Wenn A eine Kugel ist, und in gleichen Abständen vom Mittelpunkte C gleiche Dichtigkeit hat, so giebt es zween Fälle, in welchen C selbst der Mittelpunkt der Anziehung wird, nemlich 1. wenn sich die Anziehungen von D, E, F, direct, wie die Abstände BD, BE, BF verhalten, 2. wenn sie sich umgekehrt, wie die Quadratzahlen dieser Abstände verhalten. Hängt die Stärke der Anziehung nach andern Verhältnissen von der Entfernung ab, so kan die Stärke der ganzen Anziehung nicht mehr so berechnet werden, als ob die ganze anziehende Masse in C beysammen wäre.

Da in der Natur alle Materie gegen einander nach dem unter Num. 2. angeführten Gesetze schwer ist, und die Himmelskörper als Kugeln angesehen werden können, die gleich weit von ihren Mittelpunkten gleich dicht sind, so kan man bey den Berechnungen der Gravitation die ganzen Massen der Himmelskörper in ihren Mittelpunkten vereinigt annehmen.

Bey der Schwere der Erdkörper kömmt hier die abgeplattete Gestalt der Erde in Betrachtung. Wäre sie eine vollkommne Kugel und in concentrischen Schichten um ihren Mittelpunkt gleich dicht, so würde auch hier ihr Mittelpunkt der Größe mit dem Mittelpunkte der Schwerkraft (Centre des graves) einerley seyn. Die Abplattung aber verursacht Abweichungen hievon; und die Erfahrung lehrt, daß die Richtung der Schwere überall lothrecht auf der Horizontalebne, oder auf der Tangente des Umkreises


Staͤrke, wegen ihrer verſchiedenen Entfernungen von B. Wenn nun die Totalſumme aller dieſer einzelnen Anziehungen darauf hinauslaͤuft, daß der Koͤrper B ſo ſtark gegen C gezogen wird, als ob alle Theile D, E, F u. ſ. w. zuſammen aus dem Punkte C auf B wirkten, ſo heißt C der Mittelpunkt der Anziehung. Das Wort Anziehung iſt hier blos wegen des leichtern Vortrags gewaͤhlt, und kan, wenn es mißfaͤllt, mit dem ſchicklichern Namen Gravitation vertauſcht werden.

Newton hat im erſten Buche ſeiner Principien die Mittelpunkte der Anziehung fuͤr verſchiedene Faͤlle berechnet. Wenn A eine Kugel iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte C gleiche Dichtigkeit hat, ſo giebt es zween Faͤlle, in welchen C ſelbſt der Mittelpunkt der Anziehung wird, nemlich 1. wenn ſich die Anziehungen von D, E, F, direct, wie die Abſtaͤnde BD, BE, BF verhalten, 2. wenn ſie ſich umgekehrt, wie die Quadratzahlen dieſer Abſtaͤnde verhalten. Haͤngt die Staͤrke der Anziehung nach andern Verhaͤltniſſen von der Entfernung ab, ſo kan die Staͤrke der ganzen Anziehung nicht mehr ſo berechnet werden, als ob die ganze anziehende Maſſe in C beyſammen waͤre.

Da in der Natur alle Materie gegen einander nach dem unter Num. 2. angefuͤhrten Geſetze ſchwer iſt, und die Himmelskoͤrper als Kugeln angeſehen werden koͤnnen, die gleich weit von ihren Mittelpunkten gleich dicht ſind, ſo kan man bey den Berechnungen der Gravitation die ganzen Maſſen der Himmelskoͤrper in ihren Mittelpunkten vereinigt annehmen.

Bey der Schwere der Erdkoͤrper koͤmmt hier die abgeplattete Geſtalt der Erde in Betrachtung. Waͤre ſie eine vollkommne Kugel und in concentriſchen Schichten um ihren Mittelpunkt gleich dicht, ſo wuͤrde auch hier ihr Mittelpunkt der Groͤße mit dem Mittelpunkte der Schwerkraft (Centre des graves) einerley ſeyn. Die Abplattung aber verurſacht Abweichungen hievon; und die Erfahrung lehrt, daß die Richtung der Schwere uͤberall lothrecht auf der Horizontalebne, oder auf der Tangente des Umkreiſes

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[253/0259] Staͤrke, wegen ihrer verſchiedenen Entfernungen von B. Wenn nun die Totalſumme aller dieſer einzelnen Anziehungen darauf hinauslaͤuft, daß der Koͤrper B ſo ſtark gegen C gezogen wird, als ob alle Theile D, E, F u. ſ. w. zuſammen aus dem Punkte C auf B wirkten, ſo heißt C der Mittelpunkt der Anziehung. Das Wort Anziehung iſt hier blos wegen des leichtern Vortrags gewaͤhlt, und kan, wenn es mißfaͤllt, mit dem ſchicklichern Namen Gravitation vertauſcht werden. Newton hat im erſten Buche ſeiner Principien die Mittelpunkte der Anziehung fuͤr verſchiedene Faͤlle berechnet. Wenn A eine Kugel iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte C gleiche Dichtigkeit hat, ſo giebt es zween Faͤlle, in welchen C ſelbſt der Mittelpunkt der Anziehung wird, nemlich 1. wenn ſich die Anziehungen von D, E, F, direct, wie die Abſtaͤnde BD, BE, BF verhalten, 2. wenn ſie ſich umgekehrt, wie die Quadratzahlen dieſer Abſtaͤnde verhalten. Haͤngt die Staͤrke der Anziehung nach andern Verhaͤltniſſen von der Entfernung ab, ſo kan die Staͤrke der ganzen Anziehung nicht mehr ſo berechnet werden, als ob die ganze anziehende Maſſe in C beyſammen waͤre. Da in der Natur alle Materie gegen einander nach dem unter Num. 2. angefuͤhrten Geſetze ſchwer iſt, und die Himmelskoͤrper als Kugeln angeſehen werden koͤnnen, die gleich weit von ihren Mittelpunkten gleich dicht ſind, ſo kan man bey den Berechnungen der Gravitation die ganzen Maſſen der Himmelskoͤrper in ihren Mittelpunkten vereinigt annehmen. Bey der Schwere der Erdkoͤrper koͤmmt hier die abgeplattete Geſtalt der Erde in Betrachtung. Waͤre ſie eine vollkommne Kugel und in concentriſchen Schichten um ihren Mittelpunkt gleich dicht, ſo wuͤrde auch hier ihr Mittelpunkt der Groͤße mit dem Mittelpunkte der Schwerkraft (Centre des graves) einerley ſeyn. Die Abplattung aber verurſacht Abweichungen hievon; und die Erfahrung lehrt, daß die Richtung der Schwere uͤberall lothrecht auf der Horizontalebne, oder auf der Tangente des Umkreiſes

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/259>, abgerufen am 13.05.2024.