Theile immer noch materiell und ausgedehnt vor, wie denn überhaupt der Begrif von reiner Einfachheit und Geistigkeit im ganzen Alterthum nicht vorkömmt, und selbst die Weltseele entweder blos materiell oder als eine in feine Materie eingekleidete Denkkraft angenommen wird.
Leucipp und Demokrit unternahmen es, die Körperwelt ohne Weltgeist, und ohne solche von ihm abstammende Kräfte zu erklären. Sie setzten dabey einen leeren Raum voraus, und leiteten das übrige blos aus ersten kleinsten Theilen oder Atomen her, denen sie nichts weiter, als die allgemeinen Eigenschaften der Materie, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Schwere und Bewegung, beylegten. Daher sagt Diogenes(De vit. philos. IX. 72.) vom Demokrit, er habe die [fremdsprachliches Material]poiothtas aus der Physik vertrieben. Darinn besteht auch allein das Eigne dieser sogenannten atomistischen Philosophie(physica corpuscularis), welche nachher von der epikureischen Schule angenommen, und von Lucrez in dem Gedichte De rerum natura mit vielen Zusätzen vorgetragen worden ist. Denn die Idee, daß die materielle Welt aus ersten Theilen bestehe, ist, wie Cudworth(System. intellect. ex edit. Moshemii. Jenae 1733. fol. To. I. p. 9.) erweiset, weit älter, als Leucipp, und mehrern Schulen mit der epikureischen gemein gewesen. Der Unterschied liegt nur darinn, daß die Epikuräer diese Atomen für nichts weiter, als Materie, erklärten, da ihnen die übrigen gewisse lebendige Kräfte beylegten. Daß Augustin(Epist. 56.) dem Demokrit die Meinung von beseelten Atomen beylegt, kömmt von einer übel verstandnen Stelle des Cicero(De nat. Deor. I. 38.) her, welche sich auf die [fremdsprachliches Material]ei)dwla dieses Weltweisen, und gar nicht auf die Atomen bezieht. Daß dieses System von Epikur und Lucrez mit Ideen verbunden ward, welche auf den Atheismus führten, ist zufällig und kan dem Hauptbegriffe desselben nicht zum Vorwurfe gereichen. Gassendi hat es hievou zu teinigen, den leeren Raum gegen die Peripatetiker zu vertheidigen, und die Physik gan; mechanisch aus den Figuren und andern Eigenschaften blos materieller Atomen
Theile immer noch materiell und ausgedehnt vor, wie denn uͤberhaupt der Begrif von reiner Einfachheit und Geiſtigkeit im ganzen Alterthum nicht vorkoͤmmt, und ſelbſt die Weltſeele entweder blos materiell oder als eine in feine Materie eingekleidete Denkkraft angenommen wird.
Leucipp und Demokrit unternahmen es, die Koͤrperwelt ohne Weltgeiſt, und ohne ſolche von ihm abſtammende Kraͤfte zu erklaͤren. Sie ſetzten dabey einen leeren Raum voraus, und leiteten das uͤbrige blos aus erſten kleinſten Theilen oder Atomen her, denen ſie nichts weiter, als die allgemeinen Eigenſchaften der Materie, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Schwere und Bewegung, beylegten. Daher ſagt Diogenes(De vit. philoſ. IX. 72.) vom Demokrit, er habe die [fremdsprachliches Material]poiothtas aus der Phyſik vertrieben. Darinn beſteht auch allein das Eigne dieſer ſogenannten atomiſtiſchen Philoſophie(phyſica corpuſcularis), welche nachher von der epikureiſchen Schule angenommen, und von Lucrez in dem Gedichte De rerum natura mit vielen Zuſaͤtzen vorgetragen worden iſt. Denn die Idee, daß die materielle Welt aus erſten Theilen beſtehe, iſt, wie Cudworth(Syſtem. intellect. ex edit. Moshemii. Jenae 1733. fol. To. I. p. 9.) erweiſet, weit aͤlter, als Leucipp, und mehrern Schulen mit der epikureiſchen gemein geweſen. Der Unterſchied liegt nur darinn, daß die Epikuraͤer dieſe Atomen fuͤr nichts weiter, als Materie, erklaͤrten, da ihnen die uͤbrigen gewiſſe lebendige Kraͤfte beylegten. Daß Auguſtin(Epiſt. 56.) dem Demokrit die Meinung von beſeelten Atomen beylegt, koͤmmt von einer uͤbel verſtandnen Stelle des Cicero(De nat. Deor. I. 38.) her, welche ſich auf die [fremdsprachliches Material]ei)dwla dieſes Weltweiſen, und gar nicht auf die Atomen bezieht. Dàß dieſes Syſtem von Epikur und Lucrez mit Ideen verbunden ward, welche auf den Atheiſmus fuͤhrten, iſt zufaͤllig und kan dem Hauptbegriffe deſſelben nicht zum Vorwurfe gereichen. Gaſſendi hat es hievou zu teinigen, den leeren Raum gegen die Peripatetiker zu vertheidigen, und die Phyſik gan; mechaniſch aus den Figuren und andern Eigenſchaften blos materieller Atomen
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Theile immer noch materiell und ausgedehnt vor, wie denn uͤberhaupt der Begrif von reiner Einfachheit und Geiſtigkeit im ganzen Alterthum nicht vorkoͤmmt, und ſelbſt die Weltſeele entweder blos materiell oder als eine in feine Materie eingekleidete Denkkraft angenommen wird.
Leucipp und Demokrit unternahmen es, die Koͤrperwelt ohne Weltgeiſt, und ohne ſolche von ihm abſtammende Kraͤfte zu erklaͤren. Sie ſetzten dabey einen leeren Raum voraus, und leiteten das uͤbrige blos aus erſten kleinſten Theilen oder Atomen her, denen ſie nichts weiter, als die allgemeinen Eigenſchaften der Materie, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Schwere und Bewegung, beylegten. Daher ſagt Diogenes (De vit. philoſ. IX. 72.) vom Demokrit, er habe die _ aus der Phyſik vertrieben. Darinn beſteht auch allein das Eigne dieſer ſogenannten atomiſtiſchen Philoſophie (phyſica corpuſcularis), welche nachher von der epikureiſchen Schule angenommen, und von Lucrez in dem Gedichte De rerum natura mit vielen Zuſaͤtzen vorgetragen worden iſt. Denn die Idee, daß die materielle Welt aus erſten Theilen beſtehe, iſt, wie Cudworth (Syſtem. intellect. ex edit. Moshemii. Jenae 1733. fol. To. I. p. 9.) erweiſet, weit aͤlter, als Leucipp, und mehrern Schulen mit der epikureiſchen gemein geweſen. Der Unterſchied liegt nur darinn, daß die Epikuraͤer dieſe Atomen fuͤr nichts weiter, als Materie, erklaͤrten, da ihnen die uͤbrigen gewiſſe lebendige Kraͤfte beylegten. Daß Auguſtin (Epiſt. 56.) dem Demokrit die Meinung von beſeelten Atomen beylegt, koͤmmt von einer uͤbel verſtandnen Stelle des Cicero (De nat. Deor. I. 38.) her, welche ſich auf die _ dieſes Weltweiſen, und gar nicht auf die Atomen bezieht. Dàß dieſes Syſtem von Epikur und Lucrez mit Ideen verbunden ward, welche auf den Atheiſmus fuͤhrten, iſt zufaͤllig und kan dem Hauptbegriffe deſſelben nicht zum Vorwurfe gereichen. Gaſſendi hat es hievou zu teinigen, den leeren Raum gegen die Peripatetiker zu vertheidigen, und die Phyſik gan; mechaniſch aus den Figuren und andern Eigenſchaften blos materieller Atomen
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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