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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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"halb so große gleichsam verschlingt, und dennoch nicht im "mindesten am Volumen zunimmt, vielmehr noch dazu be"trächtlich vermindert wird."

Diese Verminderung des Volumens findet aber nur bey den zum Athmen tauglichen oder respirablen Luftgattungen statt, welche überhaupt durch alle Zusätze eines brennbaren Stoffs an ihrem Volumen vermindert werden. Bey der dephlogistisirten oder vom Brennstoffe leeren Luft ist diese Verminderung am stärksten; und sie wird desto geringer, je mehr der Luft, zu welcher man das nitröse Gas hinzubringt, bereits Brennbares beygemischt, d. i. je weniger dieselbe zum Athmen und zur Erhaltung des thierischen Lebens tauglich ist. Wenn endlich eine Luftgattung mit Brennbarem gesättiget ist, so wird ihr Volumen durch das Hinzukommen der salpeterartigen Luft gar nicht mehr vermindert.

Man hat dem zufolge nachstehende Sätze als richtig angenommen:

1. Je größer die Verminderung des Volumens bey der Vermischung der salpeterartigen und atmosphärischen Luft ist, desto reiner, respirabler und heilsamer ist auch die atmosphärische Luft.

2. Je kleiner die Verminderung des Volumens bey einer solchen Vermischung ist, desto unreiner, zum Athmen untauglicher und schädlicher ist die atmosphärische Luft.

3. Jede natürliche oder künstliche Luft, bey deren Vermischung mit salpeterartiger Luft gar keine Verminderung erfolgt, ist schädlich, erstickend und tödtend.

In wie fern man berechtiget sey, diese Sätze als allgemeine und erwiesene Wahrheiten anzusehen, das ist bey dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft allerdings noch ungewiß. Wenn man sich, der gemeinen Meinung nach, die salpeterartige Luft als einen aus Salpetersäure und Phlogiston bestehenden Stoff vorstellet, und annimmt, das Phlogiston habe mit der gemeinen Luft mehr Verwandschaft, als mit der Salpetersäure, so folgt hieraus, daß die salpeterartige Luft durch Vermischung mit atmosphärischer desto stärker zersetzt werden müsse, je weniger Phlogiston


”halb ſo große gleichſam verſchlingt, und dennoch nicht im ”mindeſten am Volumen zunimmt, vielmehr noch dazu be”traͤchtlich vermindert wird.“

Dieſe Verminderung des Volumens findet aber nur bey den zum Athmen tauglichen oder reſpirablen Luftgattungen ſtatt, welche uͤberhaupt durch alle Zuſaͤtze eines brennbaren Stoffs an ihrem Volumen vermindert werden. Bey der dephlogiſtiſirten oder vom Brennſtoffe leeren Luft iſt dieſe Verminderung am ſtaͤrkſten; und ſie wird deſto geringer, je mehr der Luft, zu welcher man das nitroͤſe Gas hinzubringt, bereits Brennbares beygemiſcht, d. i. je weniger dieſelbe zum Athmen und zur Erhaltung des thieriſchen Lebens tauglich iſt. Wenn endlich eine Luftgattung mit Brennbarem geſaͤttiget iſt, ſo wird ihr Volumen durch das Hinzukommen der ſalpeterartigen Luft gar nicht mehr vermindert.

Man hat dem zufolge nachſtehende Saͤtze als richtig angenommen:

1. Je groͤßer die Verminderung des Volumens bey der Vermiſchung der ſalpeterartigen und atmoſphaͤriſchen Luft iſt, deſto reiner, reſpirabler und heilſamer iſt auch die atmoſphaͤriſche Luft.

2. Je kleiner die Verminderung des Volumens bey einer ſolchen Vermiſchung iſt, deſto unreiner, zum Athmen untauglicher und ſchaͤdlicher iſt die atmoſphaͤriſche Luft.

3. Jede natuͤrliche oder kuͤnſtliche Luft, bey deren Vermiſchung mit ſalpeterartiger Luft gar keine Verminderung erfolgt, iſt ſchaͤdlich, erſtickend und toͤdtend.

In wie fern man berechtiget ſey, dieſe Saͤtze als allgemeine und erwieſene Wahrheiten anzuſehen, das iſt bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft allerdings noch ungewiß. Wenn man ſich, der gemeinen Meinung nach, die ſalpeterartige Luft als einen aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehenden Stoff vorſtellet, und annimmt, das Phlogiſton habe mit der gemeinen Luft mehr Verwandſchaft, als mit der Salpeterſaͤure, ſo folgt hieraus, daß die ſalpeterartige Luft durch Vermiſchung mit atmoſphaͤriſcher deſto ſtaͤrker zerſetzt werden muͤſſe, je weniger Phlogiſton

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[90/0096] ”halb ſo große gleichſam verſchlingt, und dennoch nicht im ”mindeſten am Volumen zunimmt, vielmehr noch dazu be”traͤchtlich vermindert wird.“ Dieſe Verminderung des Volumens findet aber nur bey den zum Athmen tauglichen oder reſpirablen Luftgattungen ſtatt, welche uͤberhaupt durch alle Zuſaͤtze eines brennbaren Stoffs an ihrem Volumen vermindert werden. Bey der dephlogiſtiſirten oder vom Brennſtoffe leeren Luft iſt dieſe Verminderung am ſtaͤrkſten; und ſie wird deſto geringer, je mehr der Luft, zu welcher man das nitroͤſe Gas hinzubringt, bereits Brennbares beygemiſcht, d. i. je weniger dieſelbe zum Athmen und zur Erhaltung des thieriſchen Lebens tauglich iſt. Wenn endlich eine Luftgattung mit Brennbarem geſaͤttiget iſt, ſo wird ihr Volumen durch das Hinzukommen der ſalpeterartigen Luft gar nicht mehr vermindert. Man hat dem zufolge nachſtehende Saͤtze als richtig angenommen: 1. Je groͤßer die Verminderung des Volumens bey der Vermiſchung der ſalpeterartigen und atmoſphaͤriſchen Luft iſt, deſto reiner, reſpirabler und heilſamer iſt auch die atmoſphaͤriſche Luft. 2. Je kleiner die Verminderung des Volumens bey einer ſolchen Vermiſchung iſt, deſto unreiner, zum Athmen untauglicher und ſchaͤdlicher iſt die atmoſphaͤriſche Luft. 3. Jede natuͤrliche oder kuͤnſtliche Luft, bey deren Vermiſchung mit ſalpeterartiger Luft gar keine Verminderung erfolgt, iſt ſchaͤdlich, erſtickend und toͤdtend. In wie fern man berechtiget ſey, dieſe Saͤtze als allgemeine und erwieſene Wahrheiten anzuſehen, das iſt bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft allerdings noch ungewiß. Wenn man ſich, der gemeinen Meinung nach, die ſalpeterartige Luft als einen aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehenden Stoff vorſtellet, und annimmt, das Phlogiſton habe mit der gemeinen Luft mehr Verwandſchaft, als mit der Salpeterſaͤure, ſo folgt hieraus, daß die ſalpeterartige Luft durch Vermiſchung mit atmoſphaͤriſcher deſto ſtaͤrker zerſetzt werden muͤſſe, je weniger Phlogiſton

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/96>, abgerufen am 02.05.2024.