Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Die Lichtstralen müssen äußerst fein seyn, sie mögen nun in materiellen Ausflüssen, oder in fortgepflanzten Schwingungen eines Zwischenmittels bestehen. Durch die geringste Oefnung, durch einen Nadelstich im Kartenblatte, sehen wir eine unzählbare Menge von Körpern. Von jedem Punkte dieser Körper müssen alsdann Lichtstralen in unser Auge kommen, und so müssen deren eine unglaubliche Menge durch das mit der Nadel gestochene Loch gehen, ohne einander zu stören oder sich zu vermischen. Man hat aus dieser äußerst großen Feinheit beweisen wollen, daß das Licht nicht in materiellen Ausflüssen bestehen könne, weil sich keine Materie von solcher Feinheit denken lasse, daß unzählbare Ströme von ihr durch eine so kleine Oefnung, ohne sich zu hindern, dringen könnten. Allein man hat gar nicht nöthig, sich den Fortgang des Lichts, als einen ununterbrochnen Strom zu denken, obschon in der Empfindung des Sehens keine Unterbrechung wahrgenommen wird. Herr von Segner (Progr. de raritate luminis, Gott. 1740. 4.) folgert aus der Beobachtung einer im Kreise geschwungnen glühenden Kohle, welche einen ununterbrochnen leuchtenden Kreis zu bilden scheint, daß der Eindruck des Lichts auf die Netzhaut eine halbe Secunde daure; d'Arcy setzt dies sogar auf 2 2/3 Secunden, s. Gesichtsbetrüge. Nimmt man aber auch nur 6 Tertien an, so beschreibt in dieser Zeit das Licht einen Weg von 5 Halbmessern der Erde. Folglich können die Lichtstralen aus Theilchen bestehen, die einander in Entfernungen von 5 Erdhalbmessern folgen, ohne daß die Empfindung des Lichts im Auge unterbrochen wird. Man kan diese Entfernung noch weit größer machen, wenn man annimmt, daß nicht alle Punkte einer sichtbaren Stelle zugleich
Die Lichtſtralen muͤſſen aͤußerſt fein ſeyn, ſie moͤgen nun in materiellen Ausfluͤſſen, oder in fortgepflanzten Schwingungen eines Zwiſchenmittels beſtehen. Durch die geringſte Oefnung, durch einen Nadelſtich im Kartenblatte, ſehen wir eine unzaͤhlbare Menge von Koͤrpern. Von jedem Punkte dieſer Koͤrper muͤſſen alsdann Lichtſtralen in unſer Auge kommen, und ſo muͤſſen deren eine unglaubliche Menge durch das mit der Nadel geſtochene Loch gehen, ohne einander zu ſtoͤren oder ſich zu vermiſchen. Man hat aus dieſer aͤußerſt großen Feinheit beweiſen wollen, daß das Licht nicht in materiellen Ausfluͤſſen beſtehen koͤnne, weil ſich keine Materie von ſolcher Feinheit denken laſſe, daß unzaͤhlbare Stroͤme von ihr durch eine ſo kleine Oefnung, ohne ſich zu hindern, dringen koͤnnten. Allein man hat gar nicht noͤthig, ſich den Fortgang des Lichts, als einen ununterbrochnen Strom zu denken, obſchon in der Empfindung des Sehens keine Unterbrechung wahrgenommen wird. Herr von Segner (Progr. de raritate luminis, Gott. 1740. 4.) folgert aus der Beobachtung einer im Kreiſe geſchwungnen gluͤhenden Kohle, welche einen ununterbrochnen leuchtenden Kreis zu bilden ſcheint, daß der Eindruck des Lichts auf die Netzhaut eine halbe Secunde daure; d'Arcy ſetzt dies ſogar auf 2 2/3 Secunden, ſ. Geſichtsbetruͤge. Nimmt man aber auch nur 6 Tertien an, ſo beſchreibt in dieſer Zeit das Licht einen Weg von 5 Halbmeſſern der Erde. Folglich koͤnnen die Lichtſtralen aus Theilchen beſtehen, die einander in Entfernungen von 5 Erdhalbmeſſern folgen, ohne daß die Empfindung des Lichts im Auge unterbrochen wird. Man kan dieſe Entfernung noch weit groͤßer machen, wenn man annimmt, daß nicht alle Punkte einer ſichtbaren Stelle zugleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0895" xml:id="P.2.889" n="889"/><lb/> und giebt in einer einzigen Secunde einen Weg von mehr als 40000 Meilen, welche die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel mehr als 1 1/2 Millionenmal, und die des Schalls beynahe 976000 mal uͤbertrifft. <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Feinheit des Lichts.</hi></hi></p> <p>Die Lichtſtralen muͤſſen aͤußerſt fein ſeyn, ſie moͤgen nun in materiellen Ausfluͤſſen, oder in fortgepflanzten Schwingungen eines Zwiſchenmittels beſtehen. Durch die geringſte Oefnung, durch einen Nadelſtich im Kartenblatte, ſehen wir eine unzaͤhlbare Menge von Koͤrpern. Von jedem Punkte dieſer Koͤrper muͤſſen alsdann Lichtſtralen in unſer Auge kommen, und ſo muͤſſen deren eine unglaubliche Menge durch das mit der Nadel geſtochene Loch gehen, ohne einander zu ſtoͤren oder ſich zu vermiſchen.</p> <p>Man hat aus dieſer aͤußerſt großen Feinheit beweiſen wollen, daß das Licht nicht in materiellen Ausfluͤſſen beſtehen koͤnne, weil ſich keine Materie von ſolcher Feinheit denken laſſe, daß unzaͤhlbare Stroͤme von ihr durch eine ſo kleine Oefnung, ohne ſich zu hindern, dringen koͤnnten. Allein man hat gar nicht noͤthig, ſich den Fortgang des Lichts, als einen ununterbrochnen Strom zu denken, obſchon in der Empfindung des Sehens keine Unterbrechung wahrgenommen wird. Herr <hi rendition="#b">von Segner</hi> <hi rendition="#aq">(Progr. de raritate luminis, Gott. 1740. 4.)</hi> folgert aus der Beobachtung einer im Kreiſe geſchwungnen gluͤhenden Kohle, welche einen ununterbrochnen leuchtenden Kreis zu bilden ſcheint, daß der Eindruck des Lichts auf die Netzhaut eine halbe Secunde daure; <hi rendition="#b">d'Arcy</hi> ſetzt dies ſogar auf 2 2/3 Secunden, <hi rendition="#b">ſ. Geſichtsbetruͤge.</hi> Nimmt man aber auch nur 6 Tertien an, ſo beſchreibt in dieſer Zeit das Licht einen Weg von 5 Halbmeſſern der Erde. Folglich koͤnnen die Lichtſtralen aus Theilchen beſtehen, die einander in Entfernungen von 5 Erdhalbmeſſern folgen, ohne daß die Empfindung des Lichts im Auge unterbrochen wird. Man kan dieſe Entfernung noch weit groͤßer machen, wenn man annimmt, daß nicht alle Punkte einer ſichtbaren Stelle zugleich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [889/0895]
und giebt in einer einzigen Secunde einen Weg von mehr als 40000 Meilen, welche die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel mehr als 1 1/2 Millionenmal, und die des Schalls beynahe 976000 mal uͤbertrifft. Feinheit des Lichts.
Die Lichtſtralen muͤſſen aͤußerſt fein ſeyn, ſie moͤgen nun in materiellen Ausfluͤſſen, oder in fortgepflanzten Schwingungen eines Zwiſchenmittels beſtehen. Durch die geringſte Oefnung, durch einen Nadelſtich im Kartenblatte, ſehen wir eine unzaͤhlbare Menge von Koͤrpern. Von jedem Punkte dieſer Koͤrper muͤſſen alsdann Lichtſtralen in unſer Auge kommen, und ſo muͤſſen deren eine unglaubliche Menge durch das mit der Nadel geſtochene Loch gehen, ohne einander zu ſtoͤren oder ſich zu vermiſchen.
Man hat aus dieſer aͤußerſt großen Feinheit beweiſen wollen, daß das Licht nicht in materiellen Ausfluͤſſen beſtehen koͤnne, weil ſich keine Materie von ſolcher Feinheit denken laſſe, daß unzaͤhlbare Stroͤme von ihr durch eine ſo kleine Oefnung, ohne ſich zu hindern, dringen koͤnnten. Allein man hat gar nicht noͤthig, ſich den Fortgang des Lichts, als einen ununterbrochnen Strom zu denken, obſchon in der Empfindung des Sehens keine Unterbrechung wahrgenommen wird. Herr von Segner (Progr. de raritate luminis, Gott. 1740. 4.) folgert aus der Beobachtung einer im Kreiſe geſchwungnen gluͤhenden Kohle, welche einen ununterbrochnen leuchtenden Kreis zu bilden ſcheint, daß der Eindruck des Lichts auf die Netzhaut eine halbe Secunde daure; d'Arcy ſetzt dies ſogar auf 2 2/3 Secunden, ſ. Geſichtsbetruͤge. Nimmt man aber auch nur 6 Tertien an, ſo beſchreibt in dieſer Zeit das Licht einen Weg von 5 Halbmeſſern der Erde. Folglich koͤnnen die Lichtſtralen aus Theilchen beſtehen, die einander in Entfernungen von 5 Erdhalbmeſſern folgen, ohne daß die Empfindung des Lichts im Auge unterbrochen wird. Man kan dieſe Entfernung noch weit groͤßer machen, wenn man annimmt, daß nicht alle Punkte einer ſichtbaren Stelle zugleich
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