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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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selten den klaren Erfahrungen widersprechen; und haben ja die Weltweisen der damaligen Zeit etwas geleistet, so ist dieses in solchen Fächern der Naturwissenschaften geschehen, in welchen blos anhaltende Aufmerksamkeit und Fortsetzung leicht anzustellender Beobachtungen nöthig ist, wie z. B. in der sphärischen Sternkunde, in welcher es schon einige der ältesten Völker zu einem ziemlichen Grade der Vollkommenheit gebracht haben. In den übrigen Theilen der Naturlehre blieben die Alten ungemein weit zurück; man darf, um sich hievon zu überzeugen, nur flüchtige Blicke auf die Werke des Plato, Aristoteles, Seneka und Plinius werfen. Und selbst in den neuern Zeiten, als die Wissenschaften wieder aufzublühen anfiengen, blieben die sogenannten Naturforscher lange Zeit bloße Scholastiker und unwissende Nachbeter des Aristoteles.

Franz Bacon von Verulam, Lord Kanzler von England unter der Regierung Jacob I, einer der grösten Männer seiner Zeit, sahe den mangelhaften Zustand der Naturwissenschaften und die Ursachen davon sehr richtig ein, und schrieb seine vortrefflichen Werke De interpretatione naturae und De augmentis scientiarum gröstentheils in der Absicht, um den Weg der Erfahrung für die Zukunft nachdrücklicher zu empfehlen. Bald nach ihm trat der für die Naturlehre so günstige Zeitpunkt ein, da man mit Verwerfung der scholastisch-aristotelischen Physik, aus der Natur selbst Unterricht zu schöpfen anfieng. Descartes erwarb sich zwar das große Verdienst, die Hypothesen und eingebildeten Erklärungen der Scholastiker zu stürzen; allein das System, das er durch seine Principia philosophiae an die Stelle derselben setzen wollte, ist in den meisten Theilen eben so wenig auf Erfahrung gebaut, und bleibt ein Gewebe von Träumen und Einbildungen, so viel er auch Geometrie und Mechanik in dasselbe zu bringen gesucht hat. Hingegen sind in Italien Galilei und dessen Schüler, in England Robert Boyle, in Deutschland Kepler, Orto von Guericke und Sturm die ersten gewesen, welche den von Bacon vorgezeichneten Weg der Beobachtungen und Versuche mit Eifer und Glück verfolgt haben. Diese Männer


ſelten den klaren Erfahrungen widerſprechen; und haben ja die Weltweiſen der damaligen Zeit etwas geleiſtet, ſo iſt dieſes in ſolchen Faͤchern der Naturwiſſenſchaften geſchehen, in welchen blos anhaltende Aufmerkſamkeit und Fortſetzung leicht anzuſtellender Beobachtungen noͤthig iſt, wie z. B. in der ſphaͤriſchen Sternkunde, in welcher es ſchon einige der aͤlteſten Voͤlker zu einem ziemlichen Grade der Vollkommenheit gebracht haben. In den uͤbrigen Theilen der Naturlehre blieben die Alten ungemein weit zuruͤck; man darf, um ſich hievon zu uͤberzeugen, nur fluͤchtige Blicke auf die Werke des Plato, Ariſtoteles, Seneka und Plinius werfen. Und ſelbſt in den neuern Zeiten, als die Wiſſenſchaften wieder aufzubluͤhen anfiengen, blieben die ſogenannten Naturforſcher lange Zeit bloße Scholaſtiker und unwiſſende Nachbeter des Ariſtoteles.

Franz Bacon von Verulam, Lord Kanzler von England unter der Regierung Jacob I, einer der groͤſten Maͤnner ſeiner Zeit, ſahe den mangelhaften Zuſtand der Naturwiſſenſchaften und die Urſachen davon ſehr richtig ein, und ſchrieb ſeine vortrefflichen Werke De interpretatione naturae und De augmentis ſcientiarum groͤſtentheils in der Abſicht, um den Weg der Erfahrung fuͤr die Zukunft nachdruͤcklicher zu empfehlen. Bald nach ihm trat der fuͤr die Naturlehre ſo guͤnſtige Zeitpunkt ein, da man mit Verwerfung der ſcholaſtiſch-ariſtoteliſchen Phyſik, aus der Natur ſelbſt Unterricht zu ſchoͤpfen anfieng. Descartes erwarb ſich zwar das große Verdienſt, die Hypotheſen und eingebildeten Erklaͤrungen der Scholaſtiker zu ſtuͤrzen; allein das Syſtem, das er durch ſeine Principia philoſophiae an die Stelle derſelben ſetzen wollte, iſt in den meiſten Theilen eben ſo wenig auf Erfahrung gebaut, und bleibt ein Gewebe von Traͤumen und Einbildungen, ſo viel er auch Geometrie und Mechanik in daſſelbe zu bringen geſucht hat. Hingegen ſind in Italien Galilei und deſſen Schuͤler, in England Robert Boyle, in Deutſchland Kepler, Orto von Guericke und Sturm die erſten geweſen, welche den von Bacon vorgezeichneten Weg der Beobachtungen und Verſuche mit Eifer und Gluͤck verfolgt haben. Dieſe Maͤnner

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[83/0089] ſelten den klaren Erfahrungen widerſprechen; und haben ja die Weltweiſen der damaligen Zeit etwas geleiſtet, ſo iſt dieſes in ſolchen Faͤchern der Naturwiſſenſchaften geſchehen, in welchen blos anhaltende Aufmerkſamkeit und Fortſetzung leicht anzuſtellender Beobachtungen noͤthig iſt, wie z. B. in der ſphaͤriſchen Sternkunde, in welcher es ſchon einige der aͤlteſten Voͤlker zu einem ziemlichen Grade der Vollkommenheit gebracht haben. In den uͤbrigen Theilen der Naturlehre blieben die Alten ungemein weit zuruͤck; man darf, um ſich hievon zu uͤberzeugen, nur fluͤchtige Blicke auf die Werke des Plato, Ariſtoteles, Seneka und Plinius werfen. Und ſelbſt in den neuern Zeiten, als die Wiſſenſchaften wieder aufzubluͤhen anfiengen, blieben die ſogenannten Naturforſcher lange Zeit bloße Scholaſtiker und unwiſſende Nachbeter des Ariſtoteles. Franz Bacon von Verulam, Lord Kanzler von England unter der Regierung Jacob I, einer der groͤſten Maͤnner ſeiner Zeit, ſahe den mangelhaften Zuſtand der Naturwiſſenſchaften und die Urſachen davon ſehr richtig ein, und ſchrieb ſeine vortrefflichen Werke De interpretatione naturae und De augmentis ſcientiarum groͤſtentheils in der Abſicht, um den Weg der Erfahrung fuͤr die Zukunft nachdruͤcklicher zu empfehlen. Bald nach ihm trat der fuͤr die Naturlehre ſo guͤnſtige Zeitpunkt ein, da man mit Verwerfung der ſcholaſtiſch-ariſtoteliſchen Phyſik, aus der Natur ſelbſt Unterricht zu ſchoͤpfen anfieng. Descartes erwarb ſich zwar das große Verdienſt, die Hypotheſen und eingebildeten Erklaͤrungen der Scholaſtiker zu ſtuͤrzen; allein das Syſtem, das er durch ſeine Principia philoſophiae an die Stelle derſelben ſetzen wollte, iſt in den meiſten Theilen eben ſo wenig auf Erfahrung gebaut, und bleibt ein Gewebe von Traͤumen und Einbildungen, ſo viel er auch Geometrie und Mechanik in daſſelbe zu bringen geſucht hat. Hingegen ſind in Italien Galilei und deſſen Schuͤler, in England Robert Boyle, in Deutſchland Kepler, Orto von Guericke und Sturm die erſten geweſen, welche den von Bacon vorgezeichneten Weg der Beobachtungen und Verſuche mit Eifer und Gluͤck verfolgt haben. Dieſe Maͤnner

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/89>, abgerufen am 21.11.2024.