Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 -- 166. Ausführliche mathemat. Geographie (von Walch). Göttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f. Erfahrung, Experientia, Experience. Erfahrungen heißen die vermittelst unserer Sinne an den Körpern gemachten Wahrnehmungen. Sie sind entweder Beobachtungen, wobey die Körper nur blos in dem Zustande betrachtet werden, in welchem sie sich von selbst und ohne unser Zuthun befinden, oder Versuche, wobey sie mit Vorsatz in einen andern Zustand versetzt werden, damit man sehe, wie sie sich dabey verhalten werden. Auf unsern Erfahrungen über die Körper beruht natürlich alles, was wir von ihnen wissen, und sie machen also den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlängliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenschaften und Kräfte der Körper bestimmen wollen, heißt, sich eine Welt träumen, nicht wie sie ist, sondern wie es unserer Phantasie gefällt, sie anzunehmen. Dies war der Fehler der meisten Philosophen und Naturforscher des Alterthums, welche so oft der Natur vorschrieben, wie sie sich verhalten müsse, ohne sie vorher gefragt zu haben, wie sie sich in der That verhalte. Ohne Zweifel war es für das Zeitalter der griechischen und römischen Naturforscher noch viel zu frühzeitig, Ursachen und Erklärungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Versuche gänzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zusätze verunstaltet. Dennoch überredete man sich aus einem dem Menschen natürlichen Triebe, etwas zu wissen, und in die Ursachen der Dinge eindringen zu können. Daher enthalten aber auch die physikalischen Systeme und Meinungen der Alten so viele willkührliche, oft seltsame und unerklärbare Einfälle, die nicht
Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 — 166. Ausfuͤhrliche mathemat. Geographie (von Walch). Goͤttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f. Erfahrung, Experientia, Experience. Erfahrungen heißen die vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern gemachten Wahrnehmungen. Sie ſind entweder Beobachtungen, wobey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachtet werden, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden, oder Verſuche, wobey ſie mit Vorſatz in einen andern Zuſtand verſetzt werden, damit man ſehe, wie ſie ſich dabey verhalten werden. Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper beruht natuͤrlich alles, was wir von ihnen wiſſen, und ſie machen alſo den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlaͤngliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenſchaften und Kraͤfte der Koͤrper beſtimmen wollen, heißt, ſich eine Welt traͤumen, nicht wie ſie iſt, ſondern wie es unſerer Phantaſie gefaͤllt, ſie anzunehmen. Dies war der Fehler der meiſten Philoſophen und Naturforſcher des Alterthums, welche ſo oft der Natur vorſchrieben, wie ſie ſich verhalten muͤſſe, ohne ſie vorher gefragt zu haben, wie ſie ſich in der That verhalte. Ohne Zweifel war es fuͤr das Zeitalter der griechiſchen und roͤmiſchen Naturforſcher noch viel zu fruͤhzeitig, Urſachen und Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Verſuche gaͤnzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zuſaͤtze verunſtaltet. Dennoch uͤberredete man ſich aus einem dem Menſchen natuͤrlichen Triebe, etwas zu wiſſen, und in die Urſachen der Dinge eindringen zu koͤnnen. Daher enthalten aber auch die phyſikaliſchen Syſteme und Meinungen der Alten ſo viele willkuͤhrliche, oft ſeltſame und unerklaͤrbare Einfaͤlle, die nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" xml:id="P.2.82" n="82"/><lb/> ſich immer mehr ausbreiten, der heiße und die kalten aber ſich von Zeit zu Zeit in engere Grenzen zuſammenziehen.</p> <p><hi rendition="#b">Bode,</hi> Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 — 166.</p> <p>Ausfuͤhrliche mathemat. Geographie (von <hi rendition="#b">Walch</hi>). Goͤttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f.</p> </div> <div n="2"> <head>Erfahrung, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Experientia</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Experience</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Erfahrungen heißen die vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern gemachten Wahrnehmungen. Sie ſind entweder <hi rendition="#b">Beobachtungen,</hi> wobey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachtet werden, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden, oder <hi rendition="#b">Verſuche,</hi> wobey ſie mit Vorſatz in einen andern Zuſtand verſetzt werden, damit man ſehe, wie ſie ſich dabey verhalten werden.</p> <p>Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper beruht natuͤrlich alles, was wir von ihnen wiſſen, und ſie machen alſo den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlaͤngliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenſchaften und Kraͤfte der Koͤrper beſtimmen wollen, heißt, ſich eine Welt traͤumen, nicht wie ſie iſt, ſondern wie es unſerer Phantaſie gefaͤllt, ſie anzunehmen. Dies war der Fehler der meiſten Philoſophen und Naturforſcher des Alterthums, welche ſo oft der Natur vorſchrieben, wie ſie ſich verhalten muͤſſe, ohne ſie vorher gefragt zu haben, wie ſie ſich in der That verhalte.</p> <p>Ohne Zweifel war es fuͤr das Zeitalter der griechiſchen und roͤmiſchen Naturforſcher noch viel zu fruͤhzeitig, Urſachen und Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Verſuche gaͤnzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zuſaͤtze verunſtaltet. Dennoch uͤberredete man ſich aus einem dem Menſchen natuͤrlichen Triebe, etwas zu wiſſen, und in die Urſachen der Dinge eindringen zu koͤnnen. Daher enthalten aber auch die phyſikaliſchen Syſteme und Meinungen der Alten ſo viele willkuͤhrliche, oft ſeltſame und unerklaͤrbare Einfaͤlle, die nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0088]
ſich immer mehr ausbreiten, der heiße und die kalten aber ſich von Zeit zu Zeit in engere Grenzen zuſammenziehen.
Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 — 166.
Ausfuͤhrliche mathemat. Geographie (von Walch). Goͤttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f.
Erfahrung, Experientia, Experience.
Erfahrungen heißen die vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern gemachten Wahrnehmungen. Sie ſind entweder Beobachtungen, wobey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachtet werden, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden, oder Verſuche, wobey ſie mit Vorſatz in einen andern Zuſtand verſetzt werden, damit man ſehe, wie ſie ſich dabey verhalten werden.
Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper beruht natuͤrlich alles, was wir von ihnen wiſſen, und ſie machen alſo den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlaͤngliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenſchaften und Kraͤfte der Koͤrper beſtimmen wollen, heißt, ſich eine Welt traͤumen, nicht wie ſie iſt, ſondern wie es unſerer Phantaſie gefaͤllt, ſie anzunehmen. Dies war der Fehler der meiſten Philoſophen und Naturforſcher des Alterthums, welche ſo oft der Natur vorſchrieben, wie ſie ſich verhalten muͤſſe, ohne ſie vorher gefragt zu haben, wie ſie ſich in der That verhalte.
Ohne Zweifel war es fuͤr das Zeitalter der griechiſchen und roͤmiſchen Naturforſcher noch viel zu fruͤhzeitig, Urſachen und Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Verſuche gaͤnzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zuſaͤtze verunſtaltet. Dennoch uͤberredete man ſich aus einem dem Menſchen natuͤrlichen Triebe, etwas zu wiſſen, und in die Urſachen der Dinge eindringen zu koͤnnen. Daher enthalten aber auch die phyſikaliſchen Syſteme und Meinungen der Alten ſo viele willkuͤhrliche, oft ſeltſame und unerklaͤrbare Einfaͤlle, die nicht
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