und geometrisch betrachtet. Ueber die Entstehung dieser Formen giebt der AbbeHauy(Essai d'une theorie sur la structure des crystaux, par M. l' Abbe Haüy, de l'acad. roy. des Sc. a Paris, 1783. 8.) einige sehr sinnreiche Muthmaßungen an. Schon die ersten Grundtheile fügen sich in der bestimmten eigenthümlichen Gestalt zusammen, welche beym Anwachs immer beybehalten wird. Oft aber geschieht der Anwachs in der Folge nach andern Gesetzen; die Grundgestalt dient alsdann zum Kern, an dessen Flächen sich neue Schichten ansetzen, und Gestalten der zweyten Art bilden. Bey nicht sehr harten Krystallen sondern sich die Schichten nach diesen Flächen leicht ab; bey harten zeigen die Streifen doch die Richtungen, nach welchen die neuen Ansätze geschehen sind. Es finden hiebey schöne Anwendungen der Geometrie statt. So beweißt z. B. Hauy aus der Beobachtung, daß die abgelößten Schichten des isländischen Krystalls gleichförmig gegen die Grund- und Seitenflächen geneigt sind, daß sich die Seite dieses Spaths zur Diagonale durch die spitzigen Winkel, wie sqrt5 zu sqrt12 verhalte, woraus der größere Winkel= 101° 32' 13" folgt. Eben dieser Winkel findet sich in dem in 12 Fünfecke eingeschloßnen Kalkspathe u. s. w. Wenn man annimmt, daß die Schichten immer um zwo Reihen Grundtheile abnehmen, so giebt dies um einen einzigen primitiven Kern 1019 mögliche Krystallisationsgestalten, unter welchen jedoch nur etwa 30 in der Natur wirklich gefunden werden.
Die Krystallen gehören zu denjenigen geometrischen Körpern, welche man mit Herrn Kästner (Geom. neuste Ausg. Gött. 1786. S. 416.) nach bekannten Gesetzen unordentliche nennen kan. Dieser vortrefliche Mathematiker hat die Theorie derselben, selbst mit Rücksicht auf des Hauy Anwendungen in einigen Abhandlungen (De corporibus polyedris data lege irregularibus, Comment. Soc. Gott. To. VI. ad ann. 1783. 1784. und ebend. De sectionibus solidorum, crystallorum structuram illustrantibus) ausgearbeit.
und geometriſch betrachtet. Ueber die Entſtehung dieſer Formen giebt der AbbéHauy(Eſſai d'une theorie ſur la ſtructure des cryſtaux, par M. l' Abbé Haüy, de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1783. 8.) einige ſehr ſinnreiche Muthmaßungen an. Schon die erſten Grundtheile fuͤgen ſich in der beſtimmten eigenthuͤmlichen Geſtalt zuſammen, welche beym Anwachs immer beybehalten wird. Oft aber geſchieht der Anwachs in der Folge nach andern Geſetzen; die Grundgeſtalt dient alsdann zum Kern, an deſſen Flaͤchen ſich neue Schichten anſetzen, und Geſtalten der zweyten Art bilden. Bey nicht ſehr harten Kryſtallen ſondern ſich die Schichten nach dieſen Flaͤchen leicht ab; bey harten zeigen die Streifen doch die Richtungen, nach welchen die neuen Anſaͤtze geſchehen ſind. Es finden hiebey ſchoͤne Anwendungen der Geometrie ſtatt. So beweißt z. B. Hauy aus der Beobachtung, daß die abgeloͤßten Schichten des islaͤndiſchen Kryſtalls gleichfoͤrmig gegen die Grund- und Seitenflaͤchen geneigt ſind, daß ſich die Seite dieſes Spaths zur Diagonale durch die ſpitzigen Winkel, wie √5 zu √12 verhalte, woraus der groͤßere Winkel= 101° 32′ 13″ folgt. Eben dieſer Winkel findet ſich in dem in 12 Fuͤnfecke eingeſchloßnen Kalkſpathe u. ſ. w. Wenn man annimmt, daß die Schichten immer um zwo Reihen Grundtheile abnehmen, ſo giebt dies um einen einzigen primitiven Kern 1019 moͤgliche Kryſtalliſationsgeſtalten, unter welchen jedoch nur etwa 30 in der Natur wirklich gefunden werden.
Die Kryſtallen gehoͤren zu denjenigen geometriſchen Koͤrpern, welche man mit Herrn Kaͤſtner (Geom. neuſte Ausg. Goͤtt. 1786. S. 416.) nach bekannten Geſetzen unordentliche nennen kan. Dieſer vortrefliche Mathematiker hat die Theorie derſelben, ſelbſt mit Ruͤckſicht auf des Hauy Anwendungen in einigen Abhandlungen (De corporibus polyedris data lege irregularibus, Comment. Soc. Gott. To. VI. ad ann. 1783. 1784. und ebend. De ſectionibus ſolidorum, cryſtallorum ſtructuram illuſtrantibus) ausgearbeit.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0836"xml:id="P.2.830"n="830"/><lb/>
und geometriſch betrachtet. Ueber die Entſtehung dieſer Formen giebt der Abb<hirendition="#aq">é</hi><hirendition="#b">Hauy</hi><hirendition="#aq">(Eſſai d'une theorie ſur la ſtructure des cryſtaux, par M. l' Abbé <hirendition="#i">Haüy,</hi> de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1783. 8.)</hi> einige ſehr ſinnreiche Muthmaßungen an. Schon die erſten Grundtheile fuͤgen ſich in der beſtimmten eigenthuͤmlichen Geſtalt zuſammen, welche beym Anwachs immer beybehalten wird. Oft aber geſchieht der Anwachs in der Folge nach andern Geſetzen; die Grundgeſtalt dient alsdann zum Kern, an deſſen Flaͤchen ſich neue Schichten anſetzen, und Geſtalten der zweyten Art bilden. Bey nicht ſehr harten Kryſtallen ſondern ſich die Schichten nach dieſen Flaͤchen leicht ab; bey harten zeigen die Streifen doch die Richtungen, nach welchen die neuen Anſaͤtze geſchehen ſind. Es finden hiebey ſchoͤne Anwendungen der Geometrie ſtatt. So beweißt z. B. <hirendition="#b">Hauy</hi> aus der Beobachtung, daß die abgeloͤßten Schichten des islaͤndiſchen Kryſtalls gleichfoͤrmig gegen die Grund- und Seitenflaͤchen geneigt ſind, daß ſich die Seite dieſes Spaths zur Diagonale durch die ſpitzigen Winkel, wie √5 zu √12 verhalte, woraus der groͤßere Winkel= 101° 32′ 13″ folgt. Eben dieſer Winkel findet ſich in dem in 12 Fuͤnfecke eingeſchloßnen Kalkſpathe u. ſ. w. Wenn man annimmt, daß die Schichten immer um zwo Reihen Grundtheile abnehmen, ſo giebt dies um einen einzigen primitiven Kern 1019 moͤgliche Kryſtalliſationsgeſtalten, unter welchen jedoch nur etwa 30 in der Natur wirklich gefunden werden.</p><p>Die Kryſtallen gehoͤren zu denjenigen geometriſchen Koͤrpern, welche man mit Herrn <hirendition="#b">Kaͤſtner</hi> (Geom. neuſte Ausg. Goͤtt. 1786. S. 416.) <hirendition="#b">nach bekannten Geſetzen unordentliche</hi> nennen kan. Dieſer vortrefliche Mathematiker hat die Theorie derſelben, ſelbſt mit Ruͤckſicht auf des <hirendition="#b">Hauy</hi> Anwendungen in einigen Abhandlungen <hirendition="#aq">(De corporibus polyedris data lege irregularibus, Comment. Soc. Gott. To. VI. ad ann. 1783. 1784.</hi> und ebend. <hirendition="#aq">De ſectionibus ſolidorum, cryſtallorum ſtructuram illuſtrantibus)</hi> ausgearbeit.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[830/0836]
und geometriſch betrachtet. Ueber die Entſtehung dieſer Formen giebt der Abbé Hauy (Eſſai d'une theorie ſur la ſtructure des cryſtaux, par M. l' Abbé Haüy, de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1783. 8.) einige ſehr ſinnreiche Muthmaßungen an. Schon die erſten Grundtheile fuͤgen ſich in der beſtimmten eigenthuͤmlichen Geſtalt zuſammen, welche beym Anwachs immer beybehalten wird. Oft aber geſchieht der Anwachs in der Folge nach andern Geſetzen; die Grundgeſtalt dient alsdann zum Kern, an deſſen Flaͤchen ſich neue Schichten anſetzen, und Geſtalten der zweyten Art bilden. Bey nicht ſehr harten Kryſtallen ſondern ſich die Schichten nach dieſen Flaͤchen leicht ab; bey harten zeigen die Streifen doch die Richtungen, nach welchen die neuen Anſaͤtze geſchehen ſind. Es finden hiebey ſchoͤne Anwendungen der Geometrie ſtatt. So beweißt z. B. Hauy aus der Beobachtung, daß die abgeloͤßten Schichten des islaͤndiſchen Kryſtalls gleichfoͤrmig gegen die Grund- und Seitenflaͤchen geneigt ſind, daß ſich die Seite dieſes Spaths zur Diagonale durch die ſpitzigen Winkel, wie √5 zu √12 verhalte, woraus der groͤßere Winkel= 101° 32′ 13″ folgt. Eben dieſer Winkel findet ſich in dem in 12 Fuͤnfecke eingeſchloßnen Kalkſpathe u. ſ. w. Wenn man annimmt, daß die Schichten immer um zwo Reihen Grundtheile abnehmen, ſo giebt dies um einen einzigen primitiven Kern 1019 moͤgliche Kryſtalliſationsgeſtalten, unter welchen jedoch nur etwa 30 in der Natur wirklich gefunden werden.
Die Kryſtallen gehoͤren zu denjenigen geometriſchen Koͤrpern, welche man mit Herrn Kaͤſtner (Geom. neuſte Ausg. Goͤtt. 1786. S. 416.) nach bekannten Geſetzen unordentliche nennen kan. Dieſer vortrefliche Mathematiker hat die Theorie derſelben, ſelbſt mit Ruͤckſicht auf des Hauy Anwendungen in einigen Abhandlungen (De corporibus polyedris data lege irregularibus, Comment. Soc. Gott. To. VI. ad ann. 1783. 1784. und ebend. De ſectionibus ſolidorum, cryſtallorum ſtructuram illuſtrantibus) ausgearbeit.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/836>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.